Volkswagen-Vorstandschef Herbert Diess hat in einem Interview mit dem Tagesspiegel die Klimapolitik der Bundesregierung kritisiert. Deutschland könne „im bestehenden Parteiensystem der brennenden Frage der Klimaerwärmung zu wenig entgegensetzen“. In der Union und der SPD fehle es an klaren Positionen und dem Willen zur Umsetzung, bemängelte Diess.
Europas größter Autohersteller hat sich der E-Mobilität verschrieben. Die Wolfsburger setzen künftig massiv auf batteriebetriebene Autos, Verbrennungsmotoren werden laut den Strategen des Konzerns langfristig kaum eine Rolle mehr spielen. Kritikern von Elektroautos hält Volkswagen entgegen, dass die alternative Antriebsart mit dem richtigen Konzept deutlich umweltfreundlicher als aktuelle Technologien sein kann.
Diess beklagte im Gespräch mit dem Tagesspiegel, „wie zaudernd mit dem Thema Elektromobilität oder der Energiewende umgegangen“ werde. Ihm komme dies nahezu wie eine „Schockstarre“ vor. Mit Blick auf die Klimaproteste Tausender Schülerinnen und Schüler unter dem Motto „Fridays for Future“ meinte der Volkswagen-Boss: „Ich kann schon verstehen, dass die Jugend deshalb auf die Barrikaden geht.“ Zum Ergebnis der Europawahl sagte Diess: „Man sieht, dass sich die Mitte der Gesellschaft Richtung Nachhaltigkeit bewegt, Ökologie spielt eine immer größere Rolle. Das ist für Volkswagen extrem wichtig.“ Der Ausgang der Wahl habe Volkswagen in seiner Strategie bestätigt, für die Zukunft stark auf Elektroautos zu setzen.
Ab Ende des Jahres produziert Volkswagen sein erstes Elektroauto der neuesten Generation mit langstreckentauglicher Reichweite und schnellen Ladezeiten. Der ID.3 im Golf-Format soll als erstes Fahrzeug der Marke „bilanziell CO2-neutral“ von den Bändern rollen. Der Konzern sehe sich dem Pariser Abkommen verpflichtet und wolle bis 2050 markenübergreifend klimaneutral werden, bekräftigte Diess. Um dieses Ziel auch gesellschaftlich durchzusetzen, bedarf es seiner Ansicht nach drastischer Einschnitte.
„CO2-Neutralität werden wir nicht erreichen, wenn wir von allem nur ein bisschen wollen. Ein bisschen weniger Fleisch essen. Ein bisschen weniger in Urlaub fliegen. Ein bisschen weniger Autofahren“, so Diess. Man müsse beim Klimaschutz „an den großen Hebeln ansetzen – also an der Vermeidung von fossilen Energieträgern. Kohle, Öl, Gas. Vor allem Braunkohle“. Von der Bundesregierung forderte der Volkswagen-Chef, international „deutlich mehr“ Einfluss zu nehmen, um die Energiegewinnung aus Kohle zu begrenzen. Er betonte: „Wir brauchen mehr Entschlossenheit.“
nilsbär meint
Gut gesprochen, Herr Diess! Vielleicht geht es aber auch ohne völlig unglaubwürdiges Klimaretter-Gesülze und Anbiederung bei den jugendlichen Demonstranten. Und haben Sie die betrogenen Dieselkunden bereits vergessen?
Redlin, Stefan meint
Dieser Diess ist schon keck ! Erst macht man sich die Politik hörig, damit die ja schön die unangenehme E-Mobilität blockiert, und nun krähen dieselben Bosse, dass die Politik bei dem Thema zu zögerlich agiert. Wenn ich jetzt Regierender wäre würde ich ab sofort die Flottenschadstoff-Kunst-Rechenlogik abschaffen, so dass jeder einzelne Verbrenner die neuen noch schärferen CO2-Werte einhalten müsste. Dann wär sofort Schluss mit Otto- und Dieselmotor, und die Herren könnten dann E-Autos bauen bis die Schwarte kracht. Danach würde man dann schnell sehen wer den Mund zu voll genommen hat und wer nicht.
hu.ms meint
Eben nicht dieselben bosse. Winterkorn hat BEV blockiert. Da war Diess noch bei BMW im BEV-bereich tätig.
Eigentlich sollte jedem klar sein, dass aufgrund der situation bei den batteriezellen (nur asiatische hersteller) und den dafür benötigten rohstoffen die kapazitäten nicht so schnell hochgefahren werden.
Eine co2-steuer auf verbrenner – gleich beim kauf z.b. in höhe der BEV-förderung – ist erst möglich wenn genügend BEV-karossierievarianten angeboten werden und die leute wirkliche alternativen zu verbrennern in allen fahrzeugklassen haben.
jomei meint
Vom Saulus zum Paulus, vom Bremser zum Antreiber. Kann uns nur recht sein. Sonst hört die Politik ja eher auf Konzernlenker als auf demonstrierenden Nachwuchs. In dies(s)em Fall könnte das nützlich sein.
Pamela meint
Jetzt haben Sie mich, Herr Diess !
Das ist kein Marketinggequatsche, das sind klare Ansagen.
Und die Zukunft wird zeigen, dass alles noch schneller gehen kann, wenn alle mitgehen.
Also ich lehne mich zurück und schaue, welche Politiker der Kohle- und Ölfraktion hörig sind und welche den „Mut“ haben, endlich die Voraussetzung für den Energie- und Mobilitätswandel zu schaffen.
Jetzt keine Arroganz mehr gegenüber den geprellten Dieselkunden sondern Reue und dann wird VW-Fahren irgendwann wieder weniger peinlich sein.
Sebastian meint
Vorsicht! Die Show für die Öffentlichkeit bzw. dem Kunden muss nicht das widerspiegeln, was hinter den Kulissen gemacht wird. Aufgrund der Erfahrungen aus den letzten Jahren bin ich da sehr skeptisch.
Pamela meint
Klar ist Skepsis angebracht, was den Umfang der Anstrengungen angeht. Aber irgendwann ist der Punkt erreicht, wo sie Nägel mit Köpfen machen müssen.
Diess setzt aber hier die Politik in Zugzwang und das finde ich gut.
Wenn die Wirtschaft die Politik anmahnt – eben auch im Hinblick auf die Energiewende – können die sich nicht mehr rausreden, dass alles nicht geht „wegen der Arbeitsplätze“.
Das ist das am meisten verwendete Argument, um den technischen Fortschritt aufzuhalten im Interesse derer, die aus Profitgier wollen, dass alles bleibt wie es ist.
Diess sollte mal einen grünen Verkehrsminister einsetzen (sag ich jetzt mal so, wir wissen ja wie es läuft). Der Scheuer Andi und seine Vorgänger tragen Mitschuld am jetzigen und zukünftigen Debakel.
hu.ms meint
Die skepsis ist berechtigt. Bisher wird nur angekündigt und die planung für die kundenauslieferungen des ID.3 schon 4 monate verschoben. Erst wenn ich einige von denen auf der strasse sehe, genügend auch von der 30k-version gebaut werden wird das VW-image sich verbessern.
JürgenV meint
Recht hat er, der Herr Diess. Auch wenn viele wieder jedes Wort zerpflücken werden. Deswegen bleibt es trotzdem richtig. Unsere Politiker sind zu zögerlich. Und das hat einen Grund. Der Eine oder Andere erhofft sich einen lukrativen Job in der Industrie. Es muss deutlich mehr passieren, wenn man auch nur Ansatzweise die nächsten Ziele ereichen will. Je länger man damit wartet umso drastischer werden die Einschnitte hinterher.
Daniel D meint
Wünsche VW Erfolg. Dann wird das für andere Konzerne Vorbildcharakter haben. Und gut für den Aktienkurs wird es auch sein….
E meint
Entfernt, da themenfern. Die Redaktion.
Peter W meint
Der Kommentar, auf den Sie sich beziehen, wurde bereits entfernt. Die Redaktion.
BB meint
Wenn man den Aktienkurs von Tesla zum Vorbild nimmt sehe ich schwarz. Ganz so schnell geht es mit der E-Mobilität eben dann doch nicht…
Ludwig Kastor meint
WOW, VW hat echt verstanden und ist selber bereit auch zu liefern.
Bin gespannt, wie sie im Konzern die CO2 neutrale Produktion hinbekommen wollen.
Das Werk in Brüssel soll ja jetzt schon CO2 neutral sein.
Ambitionierte Ziele!!!
Sledge Hammer meint
2050 würde ich nicht als ambitioniert bezeichnen.
Das was Bosch vorhat, Ende 2020 CO2 neutral zu sein, würde ich als ambitioniert bezeichnen.