Etablierte Unternehmen, Startups und Forscher weltweit arbeiten an Batterien der nächsten Generation. Für besonders vielversprechend halten Experten Festkörper-Akkus. Im Automobilbereich gilt hier Toyota als führend, die Japaner haben nun mit Schweizer Wissenschaftlern einen weiteren Schritt hin zur Serienfertigung der Technologie gemacht.
Forschende des Paul Scherrer Instituts PSI berichten, die mechanischen Vorgänge in Festkörper-Batterien so genau wie noch nie beobachtet zu haben: Mittels Röntgentomografie entdeckten sie, wie sich Risse im Material der Batterien ausbreiten. Die Erkenntnisse können dabei helfen, Energiespeicher für Elektroautos oder Smartphones sicherer und leistungsfähiger zu machen.
Aktuell werden in modernen Elektroautos vorrangig Lithium-Ionen-Batterien eingesetzt, Akkus dieses Typs lassen sich jedoch kaum noch verbessern. Zudem sind die für den Ladungstransport eingesetzten flüssigen Elektrolyte brennbar. Festkörper-Batterien versprechen mehr Sicherheit und weitere Vorteile: Hier werden die Flüssigkeiten durch Feststoff-Elektrolyte ersetzt, die höhere Spannungen und Betriebstemperaturen aushalten. Entsprechende Batterien lassen sich daher schneller auf- und entladen, sie speichern zudem mehr Energie pro Gewichtseinheit.
Bislang sind die exakten Vorgänge in Festkörper-Stromspeichern noch nicht ausreichend gut verstanden. Die Ingenieure wissen noch nicht, was in ihrem Inneren beim Auf- und Entladen vorgeht. „Um die Feststoffbatterien weiter zu entwickeln, müssen wir die elektromechanischen Prozesse verstehen, die sich in ihnen abspielen“, erklärt Xiaohan Wu, der die Untersuchungen am Paul Scherrer Institut PSI durchführte. In einem Gemeinschaftsprojekt mit Toyota sei man diesem Ziel nun einen entscheidenden Schritt nähergekommen.
Risse verbauen Ionen den Weg
Das Innere der untersuchten Festkörper-Batterie besteht hauptsächlich aus dem festen Elektrolyten, einem Lithium- und Phosphor-Sulfid. Darin eingebettet sind kleine Zinnkugeln mit einem Durchmesser von etwa 30 Mikrometer – halb so dick wie ein menschliches Haar. Wird die Batterie aufgeladen, lagern sich Lithium-Ionen in die Zinnkügelchen ein. Das Lithium zwängt sich dabei in die Gitterstruktur des Zinns. Das Volumen der Kugeln wächst und sie dehnen sich aus. Dadurch zerreisst das umliegende Elektrolytmaterial. Die entstehenden Risse behindern dann die Lithium-Ionen bei ihrer Bewegung durch den Elektrolyten, was die Leistungsfähigkeit des Feststoff-Akkus deutlich schmälert.
Den Forschenden des PSI ist es nun mit der sogenannten Operando Röntgentomografischen Mikroskopie gelungen, solche Prozesse während des Batteriebetriebs genau zu beobachten. „Die Methode funktioniert prinzipiell wie eine Computertomografie in einem Spital, jedoch ist beim Synchrotron am PSI der Photonenfluss um einige Grössenordnungen höher“, erklärt Strahllinien-Wissenschaftlerin Federica Marone. „Somit können wir die erforderliche räumliche und zeitliche Auflösung erreichen, um Prozesse innerhalb der Batterie während des laufenden Betriebs zu verfolgen.“
Die PSI-Wissenschaftler durchleuchteten die Batterie kontinuierlich während des Auf- und des Entladens. Anhand der Aufnahmen erkannten sie, dass sich die Zinnkügelchen um bis zu 300 Prozent ausdehnen. Sie konnten zudem nachvollziehen, wie sich die Risse im Elektrolyten ausbreiten. „Wir hatten nicht erwartet, dass sich die Risse so ausbreiten, dass sie die Lithium-Ionen auf ihrem Weg durch die Batteriezelle genau queren“, so Xiaohan Wu. Dadurch müsszen die Ionen extreme Umwege zurücklegen, was den Lade- und Endladeprozess sehr stark hemmt.
Material heilt sich selbst
Die Forscher stellten fest, dass sich die Batterie beim Entladen quasi selbst repariert: Wenn die Lithium-Ionen wieder aus den Zinnkugeln herauswandern, schließen sich die Risse im umliegenden Elektrolyten wieder. „Der Feststoffelektrolyt ist elastisch, dadurch kann er sich selbst wieder heilen“, erläutert Wu. In einem nächsten Forschungsschritt gehe es nun darum, mit der Untersuchungsmethode andere Elektrolyt-Materialien zu finden, die weniger stark auf die Ausdehnung der Zinnkugeln reagieren.
„Die Ergebnisse der aktuellen Studie geben der Automobilindustrie wichtige Hinweise für die Entwicklung robuster und leistungsfähiger Feststoffbatterien“, sagt Wu. Ihre Forschungsergebnisse veröffentlichten die Forschenden jetzt im Fachjournal Advanced Energy Material. Toyota hat im Rahmen der Bekanntgabe einer Elektroauto-Offensive im Juni einen Durchbruch bei Festkörper-Batterien angedeutet. Zum Start der Olympischen Sommerspiele in Tokio im nächsten Jahr will der Autobauer seine Fortschritte vorstellen.
hu.ms meint
Alle grossen autofirmen forschen (teilweise über beteiligungen) an neuen akkus.
Ich glaube, dass einige ziemlich gleichzeitig zur serienreife kommen werden und es einen vorsprung einzelner hersteller, wie bei den derzeit in BEV verbauten zellen, dann nicht mehr geben wird.
nilsbär meint
Ich hoffe, Toyota ist bei der Feststoffbatterie weiter als diese Meldung nahelegt. Argumente dafür:
– Toyoto hat erst kürzlich einen entsprechenden Durchbruch sowie baldige Serienreife verkündet und neigt typisch japanisch nicht zu vorschnellen Jubelmeldungen.
– Diese Forschungskooperation mit den Schweizern ist nicht die einzige von Toyota auf diesem Gebiet, u.a. gibt es auch eine mit Panasonic.
– Die Forschung der Schweizer ist ev. gar nicht mehr relevant, z.B. weil Toyota sich für andere Materialkombinationen entschieden hat.
– Man kann hervorragende Produkte entwickeln, ohne alle Grundlagen voll verstanden zu haben. Das ist sogar der Regelfall.
Trotz meiner großen Skepsis bei Ankündigungen von Wunderbatterien erlaube ich mir bei Toyota ein wenig Hoffnung…
Offen gesprochen meint
Wir erfahren hier nicht alles, Toyota hat sicher schon verschiedene Elektrolytmischungen im Test. Unklar auch, wo die Konkurrenz ist.
Da Festkörperbatterien nicht brennen, kann man hier auch relativ rasch am Kunden testen. Noch würde ich 2025 nicht aufgeben.
Dass die jetzige Lithiumbatterie schon ausgereizt ist, halte ich für ein Gerücht. Da geht noch einiges, warum würde man sonst an neuen Elektroden forschen?
Mike meint
Wenn man bisher so wenig versteht, was da genau abgeht, habe ich als Laie meine starken Zweifel, ob diese Technologie wirklich schon in 2 Jahren (wie von Toyota angekündigt) auf den Markt kommen wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie etwas bringen gemäß dem Motto „es funktioniert super, aber ich weiß nicht warum“.
TwizyundZoefahrer meint
Das mit dem Verstehen ist leider immer so. Deshalb werden neue Dinge erfunden und durch schnödes Ausprobieren entwickelt. Daher sind Wissenschaftler und das ganze auf auswendig lernen basierende Bildungsystem Mist. Ein Titel sagt nur aus wie gut jemand auswendig lernen kann. Genau genommen wissen wir fast nichts und verstehen sehr wenig.
Tim Leiser meint
Mit dem Schulsystem kann ich dir zum Teil Recht geben. Aber „Wissenschaftler“ (als gäbe es nur eine Art davon) als solche mit über den Kamm zu scheren, ist dann doch etwas albern und grenzt bald schon an Aussagen von Verschwörungstheoretikern.
Ich würde mich mal darüber informieren, was wissenschaftliches Arbeiten denn ist/sein kann und was es an Verständnis über die Welt gebracht hat, bevor ich so was schreibe
Remo meint
@Tim Leider +++1
Remo meint
Man versteht heute auch nicht abschließend wieso ein Flugzeug fliegt. Ist kein Witz.
Trotzdem….
Jürgen W. meint
Wer versteht nicht warum ein Flugzeug fliegt. Guter Witz. So langsam wird es lustig hier.
nilsbär meint
Remo hat völlig recht. Tatsächlich ist die Physik des Fliegens äußerst komplex. Die übliche Erklärung mit dem Bernoulli-Effekt reicht nicht aus. Ohne Anfahrwirbel etwa gäbe es keinen Auftrieb. Und die Berechnungsmöglichkeiten sowie das Verständnis von Wirbeln in Fluiden sind auch heute noch eingeschränkt.
Aber das weißt du als Strömungsphysiker natürlich alles:-)
Egon meier meint
Wenn ich das so lesen: Grundlagenforschung par excellence ..
Ob da irgendwann oder wann was kommt ist völlig unklar und ob dann die versprochenen Vorteil auch noch in relevantem Umfang vorhanden sind noch mehr.
also warten wir mal ab..
Lewellyn meint
So ist es. Die Feststoffzelle ist immer noch auf Laborstatus. Ich kann mir nicht vorstellen, dass da vor 2025 ein Serienprodukt bei raus kommt, was der 2025er LiIon-Zelle das Wasser reichen kann. Feststoff muss ja nicht nur funktionieren, es muss technisch ebenbürtig und zumindest nicht teurer sein als LiIon.
Jürgen W. meint
Toyota hat zu den Olympischen Spielen in Tokyo angekündigt den Feststoffakku vorzustellen. Ich glaube nicht, dass die in der Entwicklung nicht schon weiter sind, wenn die solch eine Ankündigung machen.
Lewellyn meint
Bei Mercedes Busses kann man schon heute seinen E-Citaro mit Feststoffzelle bestellen. Es ist ja nicht so, dass es noch keine funktionierenden Feststoffzellen gibt. Sie sind halt nur noch in keinster Weise für den Einsatz in Pkws von normalen Kunden geeignet. Toyota kann da immer was für die olympischen Spiele basteln, das sagt gar nix über den Verkaufsstart für Otto Normalfahrer aus.
Andreas_Nün meint
Es bleibt absolut spannend. In die Batterieforschung gehen jedes Jahr Milliarden. Wer hier Haltbarkeit und Energiespeicherdichte signifikant erhöhen kann, dem winkt sehr sehr viel Profit.
E-Autos und stationäre Speicher sind ein extrem großer Markt.
Elmoby meint
Gebe ich dir vollkommen Recht.
Die Batterie Zulieferer können sich auf die Zukunft freuen.
nilsbär meint
Jede Forschergruppe neigt dazu, die Relevanz ihrer Arbeiten und Ergebnisse überzuwerten, einerseits aus verständlicher Begeisterung, andererseits um die weitere Finanzierung zu sichern. Ob irgendwelche Zinnkügelchen Risse verursachen, mag interessant sein und zum Verständnis der Welt beitragen. Für Toyotas Feststoffbatterie ist das wohl so relevant wie für Ronaldo die Kenntnis seiner zellulären Abläufe beim Torschuss.
Swissli meint
Das PSI ist eigentlich das staatliche Forschungsinstitut für Grundlagenforschung in der Schweiz. Die müssen nicht wirklich um Geld betteln, die bekommen quasi CHF 300 Mio. jährlich fix zugesprochen (bei Grundlagenforschung gehts nicht anders).
Das Material bei Zellen ist entscheidend. Wenn man nun bzgl. Material Lade- und Entladevorgänge auf unterster Ebene live beobachten kann, kommt man dem optimalen Material sicher schneller näher, bzw. kann die geeigneten Materialien eingrenzen oder entwickeln.
Seriöse Grundlagenforschung hat schon seinen Zweck, auch wenn nicht sofort Resultate ersichtlich sind.
nilsbär meint
Zustimmung. Grundlagenforschung hat ihre Berechtigung. Bei Feststoffbatterien ist Toyota (und ev. andere) aber hoffentlich schon im Stadium der Optimierung der Fertigungsprozesse.
Swissli meint
Kleine Ironie am Rande: das PSI fokussierte viele Jahrzehnte auf Kernphysikforschung und war „Begleiter“ der ersten Schweizer Atomkraftwerke.
Jeru meint
Das halte ich für wilde Spekulation.
Alle Aussagen die mir bekannt sind, gehen von einer Markteinführung in einem Zeitfenster von 10 Jahren aus. Großserien wohlgemerkt, kleine Prototypen sind natürlich immer möglich..
Andreas_Nün meint
„…aber hoffentlich schon im Stadium der Optimierung der Fertigungsprozesse.“
Sehr unwahrscheinlich.
Die Grundlagenforschung im Bereich der Analyse zum Materialverständnis ist hier wohl noch lange am Werk. Wer mal mit Mikrosonden oder noch komplexeren Geräten gearbeitet hat, weiß um die Schwierigkeit der Deutung der Ergebnisse.