Was sich bereits Ende 2015 angekündigt hat, wird jetzt zur Realität: Die Abgas-Affäre bei Volkswagen weitet sich auf fast alle deutschen Autohersteller aus. 630.000 Pkw von VW, Audi, Porsche, Mercedes und Opel müssen in die Werkstätten zurückgerufen werden. Das geht aus dem Bericht der Untersuchungskommission Volkswagen hervor, den Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) letzte Woche in Berlin vorstellte.
Laut dem Bericht wurden in Deutschland bei 22 von 53 getesteten Pkw „auffällig hohe Stickoxidwerte, die technisch nicht ausreichend erklärbar scheinen“, festgestellt. Auch Fabrikate amerikanischer und japanischer Hersteller sollen betroffen sein. Die Hersteller wurden aufgefordert, ihre Fahrzeuge zurückzurufen und nachzurüsten. Der Rückruf in die Werkstätten soll noch in diesem Jahr erfolgen. Danach wird das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) kontrollieren, ob die Grenzwerte eingehalten werden. Allein bei VW sollen 293.000 Pkw zurückbeordert werden, bei Daimler-Tochter Mercedes 247.000.
Im Gegensatz zum VW-Abgasskandal wurde die Maßnahme nicht durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) angeordnet. Die betroffenen Hersteller betonten daher, dass nicht gegen Vorschriften verstoßen wurde und es sich faktisch nicht um einen Rückruf, sondern eine „freiwillige Serviceaktion“ handle. Ein Sprecher von Mercedes-Benz erklärte bereits: „Unsere Fahrzeuge sind nach den geltenden Rechtsvorschriften zertifiziert und zugelassen worden“. Bundesverkehrsminister Dobrindt betonte, dass die Bundesregierung dennoch verstärkten Handlungsbedarf sieht. Die geltenden Regelungen in der EU müssten präzisiert und die Typzulassungsverfahren verbessert werden.
Greenpeace-Verkehrsexperte Tobias Austrup kritisierte das Vorgehen des Verkehrsminister: „Dobrindts Ankündigung ist nicht das Ende des Abgasskandals, sie ist selbst ein Skandal“. Man brauche in Deutschland „nicht nur legale Autos, sondern saubere Autos“. Auch der Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer (Grüne) kritisierte den Umgang mit den nicht aufhören wollenden Abgasskandalen deutscher Hersteller: „Dass die Bundesregierung nach wie vor keine wirklichen Konsequenzen aus dem Abgasskandal zieht, kommt einem Staatsversagen gleich“.
Grund für den Rückruf
Zwar wies keines der untersuchten Fahrzeuge eine verbotene Abschalteinrichtung auf, wie es beim VW-Skandal der Fall ist. Dem Untersuchungsbericht des KBA zufolge seien allerdings „andere technische Verfahren“ ermittelt worden, die die Abgasreinigung bei Dieselfahrzeugen regeln. Bei Umgebungstemperaturen darf die Abgasreinigung von Dieselmotoren durch die Motorsoftware laut einer geltenden EU-Verordnung legal zeitweise reduziert werden. Dies soll verhindern, dass die Motoren durch Ablagerungen beschädigt werden. Als Folge steigt jedoch der Stickoxid-Ausstoß (NOx) der Fahrzeuge.
Die verantwortliche Untersuchungskommission hatte bei einigen Fabrikaten deutliche Zweifel, dass das Zurückfahren der Abgasreinigung tatsächlich zum Bauteilschutz notwendig sei. In der entsprechenden EU-Verordnung heißt es dazu: „Die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, ist unzulässig. Dies ist nicht der Fall, wenn: a) die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten.“ Die nicht weiter spezifizierte Ausnahme für den Schutz der Motoren soll eine Grauzone geschaffen haben, die von einigen Anbietern offenbar sehr großzügig ausgelegt wurde.
Die Bereitschaft der Hersteller, ihre Fahrzeuge massenhaft freiwillig zurückzurufen, sei „glaube ich, auch Beleg genug, dass wir mit unseren Zweifeln an der Stelle richtig gelegen haben“, so Verkehrsminister Dobrindt. Seine Behörde hat die Hersteller daher aufgefordert, das sogenannte Thermofenster auf ein zulässiges Maß zu beschränken.
Bereits länger bekannt?
Nach Angaben der Automobilwoche war bereits länger bekannt, dass es bei zahlreichen Autos zu deutlich erhöhten Abgaswerten kommt. Die vom Kraftfahrt-Bundesamt überwachten Ergebnisse der Untersuchungen sollen jedoch lange Zeit geheimgehalten worden sein. Die Tests haben sowohl auf dem Rollenprüfstand wie auch unter realen Bedingungen auf der Straße stattgefunden.
Das Verkehrsministerium soll als Reaktion auf die erhöhten Werte bereits mehrere Neuerungen geplant haben. Unter anderem sollen sich technische Prüfdienste, die für einen Autohersteller tätig sind, zur Vermeidung wirtschaftlicher Abhängigkeiten in Zukunft in einer Rotation bei den Untersuchungen abwechseln.
Betroffene Modelle
Die unterstehenden von der Rückrufaktion betroffenen Modelle können weiter gefahren werden. Die Halter werden vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) informiert, Details sollten im Anschluss mit dem Hersteller direkt oder in einer seiner Werkstätten geklärt werden.
Hersteller | Fahrzeug-Modell |
---|---|
Alfa Romeo | Giuletta 2.0 |
Audi | A6 V6 3.0 |
Chevrolet | Cruze 2.0 |
Dacia | Sandero 1.5 |
Fiat | Ducato 3.0 |
Ford | C-Max 1.5 |
Ford | C-Max 2.0 |
Hyundai | ix35 2.0 |
Hyundai | i20 1.1 |
Jaguar | XE 2.0 |
Jeep | Cherokee 2.0 |
Land Rover | Range Rover 3.0 |
Mercedes-Benz | V250 Bluetec 2.0 |
Nissan | Navarra 2.5 |
Opel | Insignia 2.0 |
Opel | Zafira 1.6 |
Porsche | Macan 3.0 V6 |
Renault | Kajdar 1.5 |
Renault | Kajdar 1.6 |
Suzuki | Vitara 1.6 |
Volkswagen | Amarok 2.0 |
Volkswagen | Crafter 2.0 |
MrT meint
Es wird also höchste Zeit die Steuer auf Diesel derjenigen für Benzin anzugleichen, besser noch CO2-basiert, wodurch die die Steuer auf Diesel höher wird, als auf Benzin. Mit dem Geld werden die Kaufanreize für alternative Energien subventioniert.
Christian meint
Eigentlich sollte man die Automobilindustrie zu Handlungen mit Todesfolge verklagen. Und dazu die Bundesregierung zu unterlassener Hilfeleistung.
Es ist eine Riesensauerei, die im wahrsten Sinne zum Himmel stinkt.
Thrawn meint
Das möchte ich voll unterschreiben. Hier läuft ein Betrug in ganz großem Stil mit Kenntnis der Behörden und keiner macht etwas…Schockstarre der Regierung weil vermutlich die Autolobby wieder mit Arbeitsplatzverlust in Deutschland droht.
Hier wurden nicht aus Versehen bestimmte Grenzwerte gerissen, sondern man hat ganz bewusst und aktiv Massnahmen unternommen, um die geltenden Gesetze und Vorschriften zu unterwandern. Bei der Messung Werte einhalten, im Alltag und bei unter 10°C Aussentemperatur aber alles wie vor 20 Jahren. Ich nenne das organisiertes Verbrechen. Als relativ nah an einer Autobahn wohnender Bürger fresse ich und meine Kinder deren Dreck nun jeden Tag.
Naja, bleibt die Hoffnung, dass durch mehr Elektromobilität in Zukunft in anderen Branchen Arbeitsplätze entstehen, dann fällt das Druckmittel der Branchendinos weg. Deren Aussterben rückt eh mit jedem Tag deren Nichtstuns bezügl. E-Mobilität näher, dann werden ganz schnell, ganz viele Arbeitsplätze wegfallen.
Tom meint
Wer mehr zu den Hintergründen erfahren will, dem kann ich diese Frontal 21 Reportage wärmstens empfehlen:
http://www.zdf.de/frontal-21/frontal21-dokumentation-die-abgasluege-wie-autoindustrie-und-politik-uns-krank-machen-42258440.html
Das ist erst der Anfang! Man wird allerdings sehen, ob es die Autolobby schafft, das auszusitzen und herunterzuspielen.
Starkstrompilot meint
Wo ist auf der Liste eigentlich BMW? Alles sind dabei, nur die nicht? Wer’s glaubt….
ecomento.de meint
Wir haben die Tage das hier entdeckt (wollen aber nicht zum Dieselportal mutieren…):
http://www.sueddeutsche.de/auto/abgasaffaere-warum-bmw-diesel-sauberer-sind-1.2962770
VG
TL | ecomento.de
Starkstrompilot meint
sorry, aber ein Artikel über die außerordentlichen Errungenschaften der Motoreningenieure von BMW in der Süddeutschen, dem bayrischen Lobbyistenblatt, rabenschwarz und CSU-freundlich. Denen glaub ich nicht mal die bestimmten Artikel in ihrem tendenziösen Aufsatz.
Von BMW kam bisher kaum etwas Neues. Die sind jeder Entwicklung hinterhergerannt. Deshalb waren sie vor Jahrzehnten auch fast pleite. Ohne bayrische Zuwendung ginge da schon lange nichts mehr. Die wollten Wasserstoff im Verbrenner nutzen. Ha ha.
PS-Protze haben sie schon immer gebaut. Das stimmt.
Die deutschen Hersteller sind doch eh immer auf fast gleichem Niveau. Da hat doch keiner auf längere Sicht den Anderen was voraus. Wieso sollte das bei BMW anders sein?
Dieser Artikel in der Süddeutschen ist jedenfalls alles andere als neutral.
horst meint
Fakt ist die Fahrzeuge von BMW haben bei den Messungen die Grenzwerte eingehalten. Und das Gerede über bayrische Zuwendungen ist einfach nur Unsinn. Sie waren zwar Anfang der sechziger Jahre fast Pleite, waren in den fünfziger Jahre aber eher ein Hersteller von Kleinwagen , wie der Isetta. Sie wären damals auch fast von Daimler übernommen worden , das scheiterte am Widerstand einiger Kleinaktionäre. Mit dem Einstieg von Quandt bei BMW kam dann neues Kapital ins Unternehmen und das Unternehmen hat sich dann neu ausgericht sich erst danach zum Hauptkonkurenten von Daimler entwicklet.
UliK meint
Ich empfehle hier mal reinzuschauen:
s01841_web_greenpeace_schwarzbuch_autolobby_04_16
GhostRiderLion meint
„…Dass die Bundesregierung nach wie vor keine wirklichen Konsequenzen aus dem Abgasskandal zieht, kommt einem Staatsversagen gleich…“
Damit ist alles gesagt und es wird leider nur noch schlimmer anstatt besser!!!
Reinhold meint
„Die betroffenen Hersteller betonten daher, dass nicht gegen Vorschriften verstoßen wurde und es sich faktisch nicht um einen Rückruf, sondern eine „freiwillige Serviceaktion“ handle.“
Ein Affen-Theater was uns hier vorgespielt wird. Für wie blöd halten die uns? Wenn es nicht so ernst wäre könnte man gut darüber lachen.
„Ein Sprecher von Mercedes-Benz erklärte bereits: „Unsere Fahrzeuge sind nach den geltenden Rechtsvorschriften zertifiziert und zugelassen worden“.“
Aber nur, weil ihr die Vorschriften für eure Zulassung der EU diktiert habt. Ihr seid für eure Ehrlichkeit nur zu bewundern.