Das erste Konsortium schickt sich an, eine deutsche Batteriezellenfertigung aufzubauen. Für die ehrgeizigen Pläne von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sind weitere Projekte nötig. Nun gibt es neue Informationen dazu, wie ambitioniert die Ziele der Bundesregierung mit Blick auf deutsche Akkus sind.
Altmaier wirbt bereits seit mehreren Monaten um eine in Deutschland angesiedelte Zellfabrik. Die groß angelegte Produktion der wichtigen Elektroauto-Komponenten soll den hiesigen Autoherstellern und Zulieferern auch im nächsten Jahrzehnt eine weltweite Spitzenposition sichern. Derzeit dominieren Batteriefertiger aus China, Japan und Korea das Feld.
Deutschen Gemeinschaftsunternehmen, die sich der Batteriezellenfertigung auf dem Heimatmarkt verschreiben, hat Altmaier bis 2021 Fördermittel von einer Milliarde Euro in Aussicht gestellt. Sein Plan: Deutsche und europäische Hersteller sollen bis 2025 oder spätestens 2030 bis zu einem Drittel des weltweiten Bedarfs an Batterien liefern.
Das Vorhaben von Altmaier ist gewaltig: Bis Mitte des nächsten Jahrzehnts müssen in Deutschland und Europa zwischen 200 und 600 Gigawattstunden (GWh) Produktionskapazitäten für Batteriezellen aufgebaut werden, wenn dann 30 Prozent der weltweiten Nachfrage aus deutscher und europäischer Produktion beliefert werden sollen. Bis 2030 wären sogar 600 bis 1500 GWh nötig. Das zeigt eine Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine kleine Anfrage der Grünen.
Bislang gibt es in Europa im weltweiten Vergleich nur geringe Zellfertigungskapazitäten, die alle asiatischen Herstellern zuzuordnen sind. In Deutschland ist derzeit der Bau von nur einer sogenannten Gigafabrik mit 14 GWh Kapazität geplant, die der chinesische Hersteller CATL bei Erfurt errichten will. Deutsche und europäische Unternehmen sind bislang kaum an dem Geschäft beteiligt. Firmen wie Varta oder BMZ haben zwar schon mehr oder weniger konkrete Pläne und Investitionsabsichten für Fabriken, die Inbetriebnahme kann aber noch Jahre dauern.
Es wird erwartet, dass die Elektromobilität 2025 den Durchbruch in den Massenmarkt schafft. Der bereits heute stark steigende Bedarf an Batteriezellen wird dann noch deutlich größer. Da in Deutschland weiter geplant und diskutiert statt gehandelt wird, droht hierzulande Wertschöpfung verloren zu gehen. VW, Daimler, BMW und Co begeben sich zudem zunehmend in Abhängigkeit von ausländischen Zulieferern.
„Wir sind jetzt schon viel zu spät dran“
„Was bisher fehlt, ist eine ganzheitliche industriepolitische Strategie, um diese ambitionierten Ziele zu erreichen“, bemängelte die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen Kerstin Andrea. „Wir sind jetzt schon viel zu spät dran.“ Damit Deutschland eine relevante Rolle im kommenden Batterie-Markt spielen kann, müsse der Staat jetzt „innovativ und visionär vorangehen“.
Die von immer mehr Politikern, Experten und Arbeitnehmervertretern geforderte deutsche Batteriezellenfertigung hat auch Gegner – etwa Ferdinand Dudenhöffer. Seiner Ansicht nach droht eine Verschwendung von Steuergeld in Milliardenhöhe. „Das Risiko mit hohen Steuergeldern einen Kampf gegen die Goliaths der Branche wie CATL, Samsung, LG Chem, Panasonic und andere zu verlieren steht in keinem Verhältnis zum möglichen volkswirtschaftlichen Gewinn“, so der Professor der Universität Duisburg-Essen.
Bei den in modernen Elektroautos üblichen Lithium-Ionen-Zellen mache die Produktion nur rund fünf Prozent der Wertschöpfung aus, 95 Prozent seien derzeit Materialkosten. Laut Dudenhöffer sei es deshalb sinnvoller, sich auf die Materialforschung zu konzentrieren. „Hier haben wir in Deutschland mit der deutschen Chemieindustrie die besten Voraussetzungen“, sagte er.
Paul meint
Für Hr. Altmaier gibt es nur einen Weg, die Batteriezellenforschung zu forcieren damit Reichweite und Aufladen sich einem Verbrenner annähern, damit wird der Markt frei für die Massenfertigung. Wenn das durch Hr. Altmaier forciert in Deutschland entwickelt wird, ist der Mobiltätswandel durch deutsche Autofirmen noch nicht verloren.
Michael meint
In UK und USA war man lange der Ansicht, das man die Fertigung von Gütern den Niedriglohnländern überlassen muss. Heute sind die USA nicht einmal mehr in der Lage ein Handy selbst zu bauen. Und aus Deutschland kommen Bleistifte, Steckdosen, Fahrräder; nur keine Batteriezellen.
McGybrush meint
Es gibt über Hundert Länder auf der Welt. Bin mir sicher das von den 3 die es ohnehin schon sind noch welche dazu kommen könnten. Je länger man wartet um so grösser die konkurrenz. Wichtig ist aber auch. Man kann und sollte niemanden zwingen. Man sollte aber die die wollen, massiv unterstützen und nicht ins Ausland verjagen.
JürgenV meint
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jpo234 meint
> Bislang gibt es in Europa gerade einmal Zellfertigungskapazitäten von gut 10 GWh
Das ist schlicht falsch. Allein LG Chem in Wroclaw produzierte 2018 mehr.
alupo meint
Zahlen?
am besten pro Hersteller…
jpo234 meint
https://pushevs.com/wp-content/uploads/2019/01/LG-Chem-Global-Manufacturing-Capacity.jpg
Michael S. meint
Ich versteh die ganze Diskussion nicht so richtig. Klar kann man mal ne Förderung geben, um das ganze in Schwung zu bringen und in Deutschland mal eine Gigafactory zu bauen. Aber warum sollte langfristig eine Förderung notwendig sein?
Wenn 95% der Kosten für das Material drauf gehen, spielen die drei Euro mehr, die ein Arbeiter bei uns in diesen hochautomatisierten Fabriken verdient keine Rolle. Demgegenüber stehen doch die Kosten für den Versand der Zellen aus Asien zu uns. Ist das wirklich so billig, dass die kurzen Wege in Europa und die damit niedrigeren Logistikkosten die etwas höheren Lohnkosten einer hiesigen Zellfertigung nicht überkompensieren?
jpo234 meint
Die Zellen für den europäischen Markt werden auch in Europa gefertigt (LG Chem in Polen, Samsung SDI in Ungarn und CATL in Thüringen). Es werden nur wenige Zellen aus Fernost kommen.
alupo meint
Bisher wohl kaum. Um aktuelle Marktanteile zu halten bräuchte es ein Vielfaches der heutigen Kapazität.
Es schadet bei Zukaufspreisverhandlungen nie, wenn man in der Lage ist, Druck auf den Lieferanten aufzubauen. Eine eigene Zellproduktion mit qualitativ guten Produkten ist dafür geeignet. Eine theoretische Option mit nur Ankündigungen und jahrelangen Reden wird nicht ernst genommen, insbesondere wenn die Lieferanten den jahrelangen Schlingerkurs beobachten können und die hohe Hürde, den milliardenschweren Investitionsberg selbst kennen. Nein, auch in 2-3 Jahren wird das keiner mehr glauben und entsprechend Nichtwettbewerbsfähig werden die Preise sein, welche die deutschen Hersteller tagtäglich bezahlen müssen.
Kleine Startups wie Sono werden dabei schneller ausgebremst (siehe die kürzlich verkündete Akkupreissteigerung für den Sion) incl. dem neuen und kleinen Akkupackbauer Elring Klinger. Aber die großen Hersteller trifft es auch.
Es gibt eben kaum noch echte Unternehmer in Deutschland. Hier können bestenfalls noch 5%-ige Steigerungen gemanaged werden ;-). Für mehr fehlt der Mut.
Gunarr meint
1 Mrd. klingt nach viel Geld, aber ist es das wirklich? Catl allein macht schon 2,5 Mrd. Umsatz im Jahr. Wenn wir dem in Europa ernsthaft etwas entgegensetzen wollten, müssten wir wohl jährlich eine Mrd. aus Steuermitteln zuschießen. Ich glaube, dieses Geld ließe sich sinnvoller investieren, zumal nicht zu erwarten ist, dass die Batteriezellen für den Verbraucher/Steuerzahler billiger werden, wenn sie hierzulande gebaut werden.
alupo meint
Aber auch wenn die Zellen in Nevada, USA produziert werden (von Panasonic in der Gigafactory 1), dann schaffen sie es, ca. 30 % billiger zu sein? Und nach dem Hochlauf zur ersten Ausbaustufe (35 GWh) hat Panasonic auch Gewinne erzielt, nicht nur Tesla. Deutschland ist jetzt auch nicht teurer als die USA.
Ich denke, das Personalkostenproblem der Zellenfertigung ist längst durch die automatisierte Produktion gelöst. So eine Fertigungsanlage kostet überall auf der Welt vermutlich vergleichbar viel. Die Rohstoffkosten sind entscheidend, d.h. neben den Zuliefererpreisen kommt es auf die Rezeptur an, und auf die Fertigungsqualität (Ausschußmenge). Bei ersterem und letztetem sollten wir noch Chanzen haben, bei den Zukaufspreisen ist es wohl zu spät.
Die wenigen noch benötigten Facharbeiter machen „den Kohl nicht fett“. Ich kenne Anlagen, die haben gerade einmal 1% Personalkosten in den Herstellkosten. Klar, auch das sind Millionen, aber das ist nicht so entscheidend.
Die ehemals mächtige und auch innovative deutsche Fernsehindustrie verschwand von der Bildfläche als es eine neue Technologie gab. Auch die vorgelagerte Bildschirmindustrie verschwand durch den dusruptiven Prozess, Bildröhren findet man aber noch im Museum. Das wird mit den Verbrenner genauso passieren. Dabei konnte man vom Wissen her in den großen Konzernen durchaus Flachbildschirme fertigen, hat sich aber entschlossen nichts zu tun, sondern die Kuh noch solange zu melken bis sie tot umfiel. Auch das ist eine mögliche Strategie, bravo, voll erfüllt :-( bei den Fernsehern. Könnte auch in anderen Branchen klappen.
150kW meint
Der Untergang der Fernseh-Hersteller hat lange vor der LCD Technik angefangen. Die übrigen drei (Loewe, Metz, Technisat) hatten dann zeitweise andere Probleme. Wobei Loewe nach der Umstellung auf LCD sogar ihr bestes Jahresergebnis hatte. Und Loewe ist weiterhin in deutscher Hand und baut durchaus innovative Geräte (Made in Germany) ;)
alupo meint
Und wieviele Fernseher werden dann heute noch „Made in Germany“ gefertigt? Insbesondete im Vergleich zu „damals“?
Und wieviele Menschen sind heute im Vergleich zu damals noch in diesem Segment beschäftigt?
Sorry, Erdnüsse (um es auf deutsch zu schreiben) zählen für mich nicht, denn ich gehe auch davon aus, dass Porsche überleben wird.
Ist das dann für Sie genauso ausreichend wie Loewe in der Fernseherindustrie?
Sicher gut für das bei Loewe beschäftigte, also übrig gebliebene, 1 Prozent, aber sorry, mein Mitgefühl haben auch die anderen 99 Prozent.
Is nu so ~ meint
Das Für und Wider ist hier schon ausreichend beschrieben worden, und das beschreibt auch die AUFGABE ! : Die Herausforderung annehmen und angehen! – oder als unlösbar aufgeben! ?
Ich erWarte nun endlich eine konkrete ANKÜNDIGUNG !
jpo234 meint
Von wem? Der Wirtschaftsminister kann (zum Glück) keine privaten Unternehmen zu Investitionen zwingen, die die nicht für sinnvoll erachten.
Übrigens steht es Dir/Ihnen frei, eine Firma zu gründen und selbst Zellen zu fertigen. Northvolt ist z.B. ein Startup und CATL wurde auch erst 2011 gegründet.
Is nu so ~ meint
Nun, das sollte von jenen angegangen werden, die auch weiter Welt-Weite-Wettbewerber bleiben und sein wollen. – ja , dazu kann man natürlich niemand zwingen
Aber der Wirtschaftsminister steht für die Interessen der deutschen VolksWirtschaft, und kann die gewaltigen ! Ressourcen von Forschung, Entwicklung bis Technologie zusammen bringen, und auch die abschreckenden Risiken für die jeweils Beteiligten „privaten Unternehmen“ minimieren.
Übrigens stehen auch die JPO ( Junior Professional Officer) zu einer Europaweiten Entwicklungsstrategie und die noch wichtiger werdende IndustrieAnsiedlungs-Politik!
Peter W meint
Eines kann ich nicht verstehen: Wir Europäer sollen weiterhin Geld in die Forschung stecken um die Entwicklung der Zellen voranzutreiben. Bauen sollen die Zellen aber Andere, denen wir dann unsere Forschungsergebnisse zur Verfügung stellen?
Viele vergleichen die Sekundärzellen mit PV-Modulen. Das kann man aber nicht vergleichen. Es gibt nichts besseres als Siliziunwafer um Strom aus Sonnenlicht zu gewinnen. Eine Weiterentwicklung bringt lediglich einige wenige Prozent mehr Ertrag. Bei der Massenproduktion gibt es somit kaum Veränderungen, was die Auslagerung in Billiglohnländer vavorisiert.
Anderst ist die Situation bei den Sekundärzellen. Da ist die Entwicklung noch in vollem Gange und Steigerungen der Kapazität um das 10 oder gar 100-fache sind möglich, weil die Zusammensetzung aus unendlich viele Variationen bestehen kann. Mit eigenen Produktionsstätten kann man hier schnell reagieren und auch der Konkurenz mal voraus sein. Wer als erstes einen Akku mit einer Kilowattstunde je kg vom Band laufen lässt kann auch die besten Margen erzielen während die Konkurenten eine Zeit lang das Nachsehen haben.
Offensichtlich überlässt man das aber den Asiaten, und liefert ihnen auch noch die Forschungsergebnisse frei Haus.
Hans-Peter meint
Trotz aller Diskussion um Subventionen ist es langsam müßig, darüber nachzudenken. Denn wer zu spät kommt….