Laut einer Studie des Fraunhofer ISI sind viele Fuhrunternehmen offen für den Umstieg auf alternative Antriebe. Um diese grundsätzliche Bereitschaft in den tatsächlichen Umstieg zu überführen, braucht es der Analyse zufolge Entwicklungen in Technologie und Infrastruktur sowie politische Unterstützung.
Der schwere Güterfernverkehr Deutschlands wird zu 99 Prozent durch Diesel angetrieben, die Umstellung von Lkw auf umweltfreundlichere Technologien bietet daher großes Potential zur Emissionsreduktion. Die Fraunhofer-Forscher haben in ihrer Studie untersucht, welche Anforderungen der Umstieg auf alternative Antriebe für die Branche mit sich bringt.
An der Analyse nahmen 70 Personen aus Deutschland teil, vor allem Geschäftsführer von größtenteils mittelständischen Fuhrunternehmen. Obwohl die Auswahl aufgrund der Größe des Transportsektors nicht repräsentativ ist, lassen die Ergebnisse den Forschern nach Rückschlüsse auf die Gesamtheit zu. Untersucht wurde unter anderem, welche Anforderungen die Befragten an die Fahrzeuge haben und welche Bedingungen die zukünftige Infrastruktur erfüllen muss.
Im Hinblick auf die ökonomischen Anforderungen sind sich die Befragten weitgehend einig: Besonders wichtig sind die Gesamtkosten über den kompletten Lebenszyklus hinweg sowie die Zuverlässigkeit. Beides ist voneinander abhängig, da Fahrzeugausfälle und Reparaturkosten hohe Verluste verursachen können. „Hier gilt es, beispielsweise über Demonstrationsprojekte Transparenz und Vertrauen zu schaffen, sodass alternative Antriebe als zuverlässige und praktikable Alternativen zu konventionellen Antrieben wahrgenommen werden“, so die Studienautoren.
Bereitschaft zum Umweltschutz steigt
Speditions- und Logistikunternehmen haben durch den hohen Wettbewerbs- und Kostendruck am Markt wenig finanziellen Spielraum. Die Untersuchung des Fraunhofer ISI zeigt, dass vielen Befragten ökologische Aspekte trotzdem wichtig sind: Mehr als 50 Prozent stimmten der Aussage zu, dass alternative Antriebe aus Klimaschutzgründen von besonderem Interesse für die Firmen sind. Die Antworten in dieser Kategorie gingen im Vergleich zu den ökonomischen Anforderungen sehr weit auseinander, was laut den Forschern auf einen derzeitigen Wandel der Meinungen hindeutet.
Bei der Frage nach der Bereitschaft zum Umstieg auf alternative Antriebe stimmten 50 Prozent (eher) zu, während 27 Prozent noch unentschlossen sind. Vor allem größere Unternehmen mit den entsprechenden finanziellen Mitteln für die Anschaffung alternativer Antriebe zeigten sich umsteigebereit. Durch die höheren durchschnittlichen Fahrleistungen und die niedrigeren Betriebskosten rentieren sich die Investitionen bei ihnen zudem schneller. „Weiterhin führen größere Organisationen eher Leitlinien ein, in denen unternehmerische Sozialverantwortung und Umweltschutz verankert sind“, merken die Fraunhofer-Forscher an.
Ein weiterer Teil der Befragung zielte darauf ab, Informationen für die Gestaltung der zukünftigen Infrastruktur alternativer Antriebe zu erhalten. Für die Bereitschaft, Umwege zum Tanken oder Laden zu machen, ergab sich ein Mittelwert von 20 Kilometern. Die generell akzeptierte Tank- oder Ladedauer beträgt 15 Minuten, die durchschnittlich geforderte Mindestreichweite eines Lkw etwa 800 Kilometer.
Neue Technik, Infrastruktur & Förderung nötig
„Diese ermittelten Ergebnisse zeigen die größte Herausforderung für den Umstieg: Die geforderte Mindestreichweite ist mit heutigen alternativen Antrieben nur begrenzt möglich, die Tankstelleninfrastruktur im Hinblick auf Umwegebereitschaft und Ladedauer noch nicht ausreichend“, heißt es abschließend in der Studie. Da die Europäische Kommission fordert, dass bis 2030 die CO2-Emissionen von Nutzfahrzeugen um 15 Prozent sinken sollen, müssten hier in der kommenden Dekade deutliche Fortschritte erzielt werden.
„Damit die Umstellung des schweren Straßengüterverkehrs auf CO2-neutrale Antriebe gelingt, müssen deren Zuverlässigkeit und ihr Beitrag zur Reduktion der Total Cost of Ownership demonstriert sowie durch Förderprogramme und politische Maßnahmen sichergestellt werden. Entscheidend für die Verbreitung ist auch die Reduktion der Investitionen, etwa über staatliche Zuschüsse oder über die Förderung der Entwicklung und Produktion. Unverzichtbar sind direkte staatliche Eingriffe für den Aufbau der Infrastruktur, dies können die Unternehmen nicht allein leisten“, sagt Philipp Kluschke, Hauptautor der Studie. „Nicht zuletzt sollten das Wissen und die praktischen Erfahrungsmöglichkeiten erhöht werden, zum Beispiel durch Demonstrations- und Aufklärungsprojekte. Unsere Befragung hat gezeigt: Wer über alternative Antriebe Bescheid weiß, ist dem Umstieg gegenüber offener.“
Peter W meint
Auch hier liest man wieder, dass ein LKW 800 km Reichweite braucht. Ich komme aus dem Gewerbe, und ich sage, dass das Quatsch ist. 2-Fahrer-Besatzungen sind aus Kostengründen längst die absolute Ausnahme. Ein LKW kann maximal 350 km an Stück fahren, dann muss der Fahrer eine 45 minütige Pause machen. Das gilt für ganz Europa. Hinzu kommt, dass die meisten Strecken kürzer sind. Nicht alle LKW fahren Obst von Spanien nach Hamburg oder Kaffee von Rotterdam nach München.
Somit wäre ein Akku mit 500 km Reichweite, den man in 45 Minuten wieder auf 80 % nachladen kann vollkommen ausreichend. Dieses Fahrzeug könnte rund um die Uhr incl. Schichtwechsel eingesetzt werden. 500 kW-Schnellader müssten dann aber in ausreichender Anzahl vorhanden sein. 2 Steckdosen für 2 250 kW-Schnellader wären wahrscheinlich auch keine schlechte Idee. Der Akku sollte dann aber nicht nach 1000 Ladezyklen schlapp machen.
Das könnte sich in den nächsten 10 Jahren entwicklen und mindestens die Hälfte der Diesel-LKW ersetzen.
Jörg2 meint
+1
Und der TESLA SEMI ist für die üblichen Punkt-zu-Punkt-Verkehre in Europa eigentlich schon überdimensioniert. Da ist dann viel Spielraum für solche Dinge wie: muss nicht zwingend jeden Tag geladen werden, hohe Ladewerte, Nutzung des Ladebereiches indem die Ladekurve am höchsten ist (20% -> 70% ?), Alterung und natürlich Winter…