Das Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach hat die Marktkapitalisierung der globalen Automobilhersteller und „Big Data Player“ unter die Lupe genommen. Die etablierten Autohersteller geraten demnach auch an der Börse zunehmend durch Elektroautobauer Tesla sowie Big-Data-Konzerne aus den USA und China unter Druck.
Die Autoindustrie befindet sich in einer kritischen Transformationsphase, die sich insbesondere auch in der relativ niedrigen Marktperformance der maßgeblichen Akteure widerspiegelt, so das CAM. Die Marktkapitalisierung der acht höchstbewerteten etablierten Autohersteller habe sich seit Ende 2014 – also vor dem Dieselskandal – von 566 auf 542 Milliarden Euro im Januar 2020 reduziert (-4,2 %). Zum Vergleich: Der DAX stieg im gleichen Zeitraum um 37 Prozent, der amerikanische Nasdaq um 113 Prozent.
Relevante Steigerungen der Marktkapitalisierung konnte in dem untersuchten Zeitraum nur Toyota mit einem Plus von 16 Prozent auf derzeit 206 Milliarden Euro realisieren. Der weltweit zweitgrößte Herstellerkonzern führt damit das Börsenwert-Ranking des CAM mit Abstand an. Auf den zweithöchsten Marktwert kommt der Volkswagen-Konzern mit 92 Milliarden Euro, der im letzten Jahr mit 10,9 Millionen verkauften Fahrzeugen der weltweit absatzstärkste Hersteller war.
Nur noch knapp hinter Volkswagen auf Rang drei rangiert bereits Tesla mit einer Marktkapitalisierung von 85 Milliarden Euro. Der auf Elektroautos spezialisierte US-Hersteller konnte seinen Marktwert seit Ende 2014 um mehr als das Zweieinhalbfache steigern (268 %). Tesla ist mit einem Absatz von 367.000 Pkw im Jahr 2019 nun höher bewertet als die amerikanischen Hersteller General Motors und Ford zusammen, die mit geschätzten 7,7 beziehungsweise 4,9 Millionen verkauften Pkw 2019 nur auf einen Börsenwert von 45 beziehungsweise 33 Milliarden Euro kommen.
Die deutschen Premiumhersteller Daimler und BMW fielen im Ranking um jeweils einen Platz zurück. Die Marktkapitalisierung von Daimler reduzierte sich in den vergangenen sechs Jahren um über 29 Prozent auf derzeit 52 Milliarden Euro, die von BMW um 17 Prozent auf 48 Milliarden Euro. Auch bei Ford und Nissan ging der Marktwert um 34 beziehungsweise 36 Prozent auf nur noch 33 beziehungsweise 21 Milliarden Euro zurück.
Tesla verfügt nach der CAM–Bewertung über Innovationsstärke in den Zukunftsfeldern batterieelektrische Fahrzeuge sowie Konnektivität, mit denen die hohe Marktkapitalisierung zum Teil erklärt werden könne. Dagegen sei etwa die Innovationsstärke von Daimler und BMW bei der reinen Elektromobilität niedriger einzustufen.
Big Data
Die Autohersteller stehen künftig auch mit neuen Akteuren aus dem Big-Data-Umfeld im Wettbewerb, die ihre Ökosysteme von digitalen Services auf den Automobil- und Mobilitätsbereich ausdehnen. Ein Vergleich der Marktkapitalisierung dieser Unternehmen zeigt laut dem CAM, dass sie viel größer sind als die Automobilhersteller und in den letzten Jahren massiv an Börsenwert gewonnen haben. Beispielhaft dafür seien Apple mit einer Marktkapitalisierung von nunmehr 1,2 Billionen Euro (+169 %) oder die Google-Muttergesellschaft Alphabet mit 921 Milliarden Euro (+268 %). Mit ähnlicher Ausrichtung kämen Alibaba und Tencent aus China mittlerweile auf einen Börsenwert von 550 und 439 Milliarden Euro.
Als neue Wettbewerber für die Autohersteller gelten auch Mobilitätsdienstleister wie Uber. Der 2009 gegründete „Ride-Hailing“-Anbieter wird derzeit auf einen Börsenwert von 54 Milliarden Euro taxiert und landet damit vor Daimler, BMW oder Honda, so das CAM. Bei einer ähnlich hohen Marktkapitalisierung liege etwa auch das chinesische Uber-Pendant Didi Chuxing, auf dessen Mobilitätsplattform täglich rund 30 Millionen Fahrten vermittelt werden.
„Die derzeit relativ niedrige Marktkapitalisierung der meisten etablierten Automobilhersteller liegt wesentlich an der Unsicherheit, ob bzw. wie gut sie die Transformation in die Zukunftsfelder in den nächsten fünf bis zehn Jahren bewältigen“, sagt Studienleiter Stefan Bratzel. „Sicher ist, dass einige etablierte Hersteller den Wandel nicht als unabhängige Player überleben werden. Vielen etablierten Herstellern fehlt sowohl die kritische Größe für den investitionsintensiven Wandel als auch die notwendigen Technologien und Kompetenzen für die Mobilität der Zukunft.“
Die unter anderem von Volkswagen oder Ford angestrebte Erhöhung des Börsenwertes kann Bratzel zufolge nur gelingen, wenn diese Unternehmen ihre Innovationsstärke in den relevanten Zukunftsfeldern „erkennbar erhöhen“. Dazu seien Kooperationen innerhalb und außerhalb der Branche notwendig sowie eine Fokussierung der Aktivitäten auf die Kernthemen der Transformation der Automobilbranche.
Alter_eg.o meint
Mit ihrer Größe zogen die, die mit Silizium und Software arbeiten schon vor über 10 Jahren an den Blechbiegern vorbei. Noch wichtiger zum Überleben ist die Entwicklungs-Tendenz und da wird es spannend. Autos werden auch in Zukunft verkauft und Geld ist da im Überfluss. Damit Gewinn zu machen wird schwierig bleiben. Deswegen werden Google und Co keine Autos bauen. Sie sind eher am autonomen Fahren interessiert, damit die Fahrer noch mehr googeln können.
Jörg2 meint
Vielleicht kaufen GOGGLE & Co solche Hardware (Auto) dann einfach zu um ihr Produkt (Softwarelösungen) auf den Markt zu bringen. So wie Telefongesellschaften Smartphone, Reiseunternehmen Flugzeuge/Busse?
Ich bin jedenfalls gespannt, ob VW&Co aus ihrer Blechbieger-Ecke es rausschaffen in eine weitere Technologiebereiche.
Und, schon öfter von mir geschrieben, TESLA als „Autobauer“ zu sehen, halte ich für zu kurz gegriffen.
Peter meint
Ich denke nicht, dass sich ein Kauf eines Autoproduzenten für die Geschäftsbereiche der Internetbranche lohnt/rentiert. Nen Hardware-OEM für autonome Fahrdienste muss man nicht kaufen, da kommt man auch anders deutlich einfacher und risikofreier ran.
Peter meint
Ich denke, da werden Äpfel mit Birnen verglichen. Dennoch müssen die Autobauer aufpassen, dass sie nicht geschluckt werden. Vorausgesetzt, die großen Internetkonzerne glauben überhaupt an eine Zukunft des Pkw in Individualbesitz.