Herbert Diess ist seit 2018 Vorstandsvorsitzender bei Volkswagen. Er treibt seitdem die ehrgeizigste und kostspieligste E-Mobilitäts-Offensive der Branche voran. Das Vorhaben stößt auf viel Zustimmung, mit seinem konsequent-forschen Führungsstil eckt Diess aber auch immer wieder an. Aktuell befindet er sich laut Medienberichten in einem Machtkampf mit Arbeitnehmervertretern, es soll dabei um eine vorzeitige Vertragsverlängerung gehen. In einem Beitrag auf dem Online-Karrierenetzwerk LinkedIn wirbt der 62-Jährige für seine weiteren Pläne.
“Der größte Autobauer der Welt befindet sich inmitten der größten Transformation der Wirtschaftsgeschichte. Ich sehe es als meine Aufgabe bei VW, diesen Tanker erfolgreich in die Zukunft zu bringen. Die größte Herausforderung meiner Karriere!“, schreibt Diess. Er weist auf die Verhältnisse bei Volkswagen hin: Über 50 Prozent im Familienbesitz, 20 Prozent gehören dem Land Niedersachsen, hoher Einfluss der Gewerkschaft, teilweise unterschiedliche Interessenslagen der Anteilseigner. Das Management sei konditioniert auf internen Wettbewerb, geprägt von Ferdinand Piëch. „Die Größe, die Historie, der heutige Wert der Marken und auch die einzigartigen Fähigkeiten beim klassischen Automobilbau schützen nicht, können in einer Zeit dramatischen Wandels eher eine Bürde sein“, warnt der Manager.
Volkswagen sei mit seinem Pkw-Geschäft heute für rund ein Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Schon allein deshalb trage das Unternehmen eine besondere Verantwortung, vor allem bei der Bekämpfung der Klimakrise. Das Ziel sei klar, der Konzern müsse in eine nachhaltige und erfolgreiche Zukunft geführt werden. „Wir sprechen von einem Zeitraum von ca. zehn Jahren, in dem sich der Wandel vollziehen wird. Mit oder ohne Volkswagen. Der Klimawandel erfordert eine Elektrifizierung unserer Antriebsstränge“, ist Diess überzeugt. Der Fortschritt bei der künstlichen Intelligenz ermögliche es zudem bald, den menschlichen Fahrer zu ersetzen. Individuelle Mobilität werde dadurch nachhaltig, „unglaublich sicher“ und komfortabel.
Diess will VW „vollständig wandeln“
Um weiter Erfolg zu haben und den Wohlstand vieler Menschen – auch über die Konzerngrenzen hinaus, bei den Handelspartnern und Zulieferern – zu erhalten, muss sich Volkswagen laut Diess vollständig wandeln: „Von einer Sammlung wertvoller Marken und von einem Hersteller faszinierender verbrennungsmotorisch angetriebener Produkte, die mit höchster Ingenieurkunst Kunden begeistern hin zu einem Digitalunternehmen, das Millionen Mobilitätsdevices weltweit zuverlässig betreibt, mit Kunden immer in Kontakt bleibt und Dienste, Komfort der Fahrzeuge und deren Sicherheit im Wochenrythmus, besser täglich verbessert.“
Die entscheidende Frage für die Führungskräfte sei: „Wie bringen wir diesen riesigen Konzern mit all seinen Stakeholdern trotz der heutigen Erfolge dazu, jetzt umzudenken, radikal umzupriorisieren und neue Fähigkeiten anzustreben.“ Volkswagen sei kein Startup, habe über Jahrzehnte gewachsene Strukturen und Prozesse – „viele verkrustet und kompliziert“, erklärt Diess. „Und vor allem unterschiedlichste Interessen und politische Agenden im Konzern. Die machen das ohnehin schon große Projekt noch aufwendiger und komplexer. Aber Widerstände sollten uns anspornen und zusätzlich motivieren.“
Volkswagen hätte die Elektrifizierung schon vor Jahren stärker angehen müssen, das gelte insbesondere auch für die Digitalisierung. „Daher haben wir vor 5 Jahren schnell begonnen, die Strategie radikal neu zu denken, die Weichen neu zu stellen. Breit implementieren kann man eine neue Strategie nur, wenn sie von allen Führungskräften und Stakeholdern getragen wird“, unterstreicht Diess.
„Mission T“, um Tesla einzuholen
Volkswagen müsse seine Strategie auch an neue, aufstrebende Wettbewerber anpassen. Speziell mit Blick auf US-Elektroautobauer Tesla habe es Mitte des Jahres für Top-Manager von Volkswagen, Audi und Porsche einen Workshop mit dem Titel „Mission T“ gegeben. Dabei sei es um die Frage gegangen, wie man Tesla einholen kann – ein Unternehmen, das sich ohne traditionelles Pkw-Geschäft ausschließlich auf die Zukunft konzentriere und geprägt sei durch Software-Fähigkeiten, Technologiefokus und Risikokultur. Die Ergebnisse des Arbeitstreffens seien gewesen: nochmals forcierter Ausbau der Software-Kompetenz, Bündelung der Kräfte bei Audi für Software und Hardware unter der Führung des Neuzugangs Markus Duesmann und das Projekt Artemis.
Das Volkswagen-Management habe bei der Einführung des E-Auto-Baukastens MEB, der Baureihen und der Software-Organisation erkannt, „dass wir innerhalb der Konzernstrukturen das Tempo und die Durchschlagskraft nicht erreichen können, um mit einem finanzstarken und unbürokratischem Startup wie Tesla beim Entwicklungstempo mithalten zu können, das viel höhere Risiken eingeht“, so Diess. Mit Artemis und der neuen Software-Organisation lege man ein Fundament, von dem aus die Technik – insbesondere die Digitaltechnik für den gesamten Konzern – erarbeitet wird. Die Autos würden so „zu einem Digital-Device, das dem Mobilitätskunden ungeahnte neue Möglichkeiten, Sicherheit, Komfort und Nachhaltigkeit bieten wird“.
Der Volkswagen-Chef betont in seinem LinkedIn-Beitrag, dass er seinen Führungsstil mit einer „gelegentlich konfrontativen Art“ für Wolfsburg angepasst habe. Erfahrene und „mit dem System Wolfsburg“ vertraute Führungskräfte würden nun mehr Verantwortung erhalten. Sie wüssten, wie es in Wolfsburg geht – „weniger konfrontativ, mit mehr Empathie“ – und würden damit sehr gute Ergebnisse erzielen. Die Autobranche stehe vor großen Veränderungen, mahnt Diess abschließend. Er sei „aber der festen Überzeugung, dass es sich lohnt, beim Wandel voranzugehen – und dass wir es schaffen werden“. Mann sollte die Transformation als Chance sehen, denn das wertvollste Unternehmen der Welt werde in zehn Jahren wieder ein Mobilitätsunternehmen sein.
Duesendaniel meint
Ich hoffe, sein Mut wird belohnt! Ohne Herbert Diess verliert VW und damit die deutsche Autoindustrie das einzige Zugpferd, das sie derzeit hat.
simon meint
Eigentlich das einzige Zugpferd in Europa und bis auf Musk auch in der westlichen Welt. (Vielleicht zählt man die GM CEO auch noch dazu)
hu.ms meint
Wenn das mit dem MEB-hochlauf in Zwickau und 2 x China bis mitte nächsten jahres nicht klappt bzw. diese huntertausende autos nicht verkauft werden können wird er gehen müssen.
Jörg2 meint
Ich befürchte, da Diess den Konflikt dermaßen öffentlich macht, dass diese Veröffentlichung die letzte Verteidigungslinie für ihn ist. Will sagen, es passiert hoffentlich ein Wunder und 1. Diess bleibt und 2. sein Vertrag wird verlängert.
Ich befürchte, mit der Entscheidung von VW, sich kein eigenes Ladenetz zuzulegen (min. für Europa und die USA) wurde sich viel Schnelligkeit beim notwendigen Markthochlauf vergeben.
Was wäre das für ein schönes Verkaufsgespräch im VW-Autohaus (und Porsche, Seat&Co) wenn gesagt werden könnte:
Mit der Staatsförderung kostet Dich das BEV genausoviel wie Dein letzter Verbrenner.
Wir haben ein eigenes Ladenetz an den Fernverbindungen. Dein Auto plant die Route und navigiert Dich und der Strom ist nur minmal teurer als Zuhause.
Und hier in der Stadt hast Du entweder eine Steckdose am Stellplatz oder kommst mal schnell bei mir vorbei und hängst Dich an die VW-24/7-Schnellladesäule auf meinem Parkplatz. In einer anderen Stadt/Land fährst Du einfach zu einem Kollegen von mir oder einem anderen VW-Marken-Autohaus.
Ladesäulenverfügbarkeit kennt Dein Navi.
Abrechnung erfolgt über Dein hinterlegtes Zahlungsmittel.
In Deiner App und in Deinem Auto kannst Du alle Daten sehen.
Und, außer zum Laden und Kauf des nächsten BEV werden wir uns wohl nicht mehr sehen. Verabschieden Sie sich vom Werkstattmeister.
jo meint
+1
Genaus sollte es sein und VW hätte am ehesten die Möglichkeit das unmzusetzen/anzustoßen.
Das Erschreckende ist, dass es gar kein Utopie sein muss und machbar wäre, wie eine andere und nichtmal deutsche/europäische Firma seit Jahren zeigt… :-(
NiLa meint
Vertragsverlängerungen verhandelt VW üblicherweise etwa ein Jahr vor Ende des bestehenden Vertrags. Herr Diess stellt die „Vertrauensfrage“, weil er seinen Willen bei der Besetzung wichtiger Posten nicht durchkriegt. Das ist einfach nur schlechter Stil.
hu.ms meint
Hallo Jörg,
meine weCharge-karte hat bisher bestens bei Ionity funktioniert, das navi dorthin ebenfalls. Zwar 53ct/kwh aber bei 10 mal im jahr für mich akzeptabel.
Sehe keine ladeprobleme.
Am So stand ein M3 LR neben mir, weil er dort schneller laden ikann (?).
Hat sich meinen ID.3 angesehen. Fand ihn praktischer aber die reichweite war ihm als zu gering, da er mtl. einmal am WE rd. 600 km hin- und zurückfahen muss.
Generell muss ich zum ID.3 feststellen, dass mein Pro Life – gebaut 08.10. – wesentlich weniger problempunkte zeigt als die ganzen 1st. (von der halde?), die in den videos zu sehen sind. Ausser dass ACC ab und an nicht aktivierbar ist und noch nicht per app klimatisert werden kann habe ich keine beanstandungen, für die ich ja einen satz WR bekommen und die 3% mwst in 2020 mitgenommen habe.
Jörg2 meint
@hu.ms
Du hast Dein Verkaufsgespräch ja schon durch.
Mir ging es um die nächsten vielen 100.000 Neukunden, die VW braucht.
TwizyundZoefahrer meint
@hu.ms, ach, sie haben Gespräche an der Ladestation. Manche hier behaupteten das sind Märchen die man sich ausdenkt. Mir wurde das ja schon vorgeworfen. Und ihr Gesprächspartner wollte nicht sofort auch einen ID3 kaufen obwohl er doch so praktisch ist.
Duesendaniel meint
Wir bekommen unseren Pro Life Mitte März und ich hoffe, dass die restlichen Bugs bis dahin ausgemerzt sind. Hast Du denn schon die neue Software?
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
@hu.ms: Dein Zitat: „Generell muss ich zum ID.3 feststellen, dass mein Pro Life – gebaut 08.10. – wesentlich weniger problempunkte zeigt als die ganzen 1st. (von der halde?), die in den videos zu sehen sind.“
Wenn ich so etwas lese, bin ich so froh, dass ich mich auch ein 3-Mal für eine Zoe entschieden habe; die funktioniert einfach perfekt, so wie man es früher den deutschen Fahrzeugen zugesprochen hat.
hu.ms meint
@Düsendaniel:
meinen wurde am tag vor übergabe am 03.11. eine zwischenversion eingespielt. Dadurch wurde ich von den krasseren in den videos/foren berichteten problemen verschont.
Aber wie schon geschrieben, weiss jeder der dieses jahr noch einen bekommt, dass er beta-tester ist. Man musste ja eine zusatzvereinbarung unterschreiben und bekam für die umstände einen satz WR.
Alle ab nächste woche ausgelieferten ID.3 haben dann die neue software und die rd. 25K, die schon in europa unterwegs sind, werden die nächsten wochen bei den agenten upgedatet. Mir eilt es nicht, da meine fehler für mich unwesentlich sind. Update über das heimische w-lan ist auch mit dabei. Ist mir angenehmer, da das auto während des update nicht fährt.
Allerdings muss ich noch ein lan-kabel und einen access-point in die garage legen. Aber dadurch wird meine go-e auch per app erreichbar.
hu.ms meint
@ alle lästerer:
ihr habt immer noch nicht kapiert, dass der ID.3 das erste fahrzeug einer völlig neu konzipierten plattform ist. U.a. sind anstelle von -zig steuergeräten nur noch 3 rechner an bord, was ja für OTA-updates voraussetzung ist.
Die „kinderkrandheiten“ werden die nächsten wochen behandelt und dann kommten hunderttausende VW-MEB-BEV in europa und china auf die strassen. So wie millionen „stinker“ von VW dort unterwegs sind.
Die autos aus dem VW-konzern sind nicht die „besten“ oder die „billigsten“ aber sie werden offensichtlich gekauft!
Alle neukonstruktionen haben zu beginn probleme die korrigiert werden müssen. War bei der zoe bei deren ersterscheinen oder dem M3 2017 in USA auch so.
Freddy K meint
Wieso soll denn jeder Hersteller sein eigenes Ladenetz aufbauen? Schon mal überlegt wo die ganzen Flächen herkommen sollen?
So ein Rastplatz mit 1000 Ladesäulen von 50 Autoherstellern. Kommt man an und kann net laden obwohl 500 frei wären. Ist halt von anderen. Ne düm mmere Umweltverschmutzung gäbs wohl nicht…..
Jörg2 meint
@Freddy
Weder „soll“ noch „jeder“.
Für den, der schnell viele BEV verkaufen möchte, wäre eine funktionierende Ladeinfrastruktur sinnvoll.
Ust diese nicht da und baut die niemand auf, bleibt nur noch: selber machen.
Und: Fläche hat VW an jedem Autohaus. Mit citynahen Ladern wäre VW ganz weit vorn. Das bischen Softwaredach müsste doch machbar sein.
150kW meint
Sie haben sie schon mit Ionity selber aufgebaut.
Duesendaniel meint
Natürlich wäre es schön, wenn alle Hersteller sich auf ein attraktives Ladenetz nach Vorbild von Tesla einigen könnten. Tun sie aber nicht, siehe Ionity mit 0,53€/kWh, das anscheinend nur Steuergelder abgreifen und als Profit-Center Gewinne erwirtschaften soll, statt die E-Mobilität ingesamt zu pushen. Dann ist klug, einen eigenen Weg zu gehen.
Jörg2 meint
150kW
Überspitzt gesagt:
Wenn der VW-Händler auf IONITY verweisen muss, dann ist das ähnlich einem Verweis „Wir haben keine eigene Werkstatt, aber ATU macht das auch sicherlich ganz doll. Und für Dich haben wir sogar eine ATU-Rabattkarte.“
In der Kundenakquise nicht so doll, wie: „Wir haben europaweit ein eigrnes Ladenetz. An den Ferntrassen und auf allen Betriebshöfen alker VW-Marken-Händler. 24/7. Alles im Navi, inkl. Belegung und Routing. Einfach anstöpseln….“
Der Unterschied ist: Ist das Auto das Produkt oder die einfache Mobilität.
Hier hat sich VW, trotz voller Kassen, unnötig selbst beschränkt.
Ich vermute aber, soetwas war eigentlich angedacht. Es ist nicht lange her (2 Jahre?), da machte Porsche PR mit: europaweit an jedem Porschestandort Schnelllader, über das Auto-Navi kann vorreserviert werden….
simon meint
Der Hochlauf in Zwickau ist schon bei der Hälfte und in China sind beide Fabriken (eine reine MEB Fabrik und eine Verbrenner und Elektro geteilt) jetzt auch schon angelaufen.
Christian meint
Bei Volkswagen regiert der BR. Die werden Diess bestimmt absägen, obwohl er das Beste für den Konzern ist. Dann erstmal wieder zwei Gänge runterschalten.
Andreas meint
Respekt!
Alles zu tun, was irgendwie machbar ist, ist der richtige Weg. Die Zauderer, Bestandsdenker und WünschDirWas und ihre willigen Rechtfertiger in der Politik werden der Aufgabe nicht gerecht.
simon meint
Das die Politik mal bremst und VW die Zukunft vorantreibt ist auch mal was anderes, wann hat es das bei Großkonzernen schon mal gegeben.
Lewellyn meint
Während der Fahrt aus einem Öltanker eine schnittige Yacht bauen. Viel Glück und viel Durchsetzungsvermögen Herr Diess.
OpaTesla meint
Denke er hatte die besten CEOs als Inspiration konsultiert. :-)
Und trotz massig Gegenwind ist er der einzige deutsche CEO,
dem ich den Willen zum Wandel ernsthaft abnehme. Danke Herbert Diess!
Hoffe der Druck auf die anderen Marken ist so stark, dass Ihr Kraftakt sich langfristig nicht nur für die Marke VW auszahlt.
Axel P. meint
Diess ist Österreicher. ????
simon meint
Deutsch-Österreicher, laut Wikipedia. Aber ob ein Manager aus DE oder AT kommt, ändert an der Einstellung meist nicht viel. Da denkt keiner digitaler, Diess ist da eine Ausnahme.
Jörg2 meint
Da scheint viel Druck im Kessel zu sein und man scheint viel Energie intern zu verheizen, die besser für die anstehenden Aufgaben verwendet werden sollten.
Es wäre nicht verwunderlich, wenn intern die „Frontlinie“ ähnlich verlaufen, wie in den diversen Foren.
Tim Leiser meint
Ich finde den Mann krass