Die von immer mehr geforderten umfassenden Maßnahmen und Investitionen für mehr Klimaschutz gefährden nach Meinung von Kritikern die Wirtschaft und damit den Wohlstand Deutschlands. Eine Analyse der Beratungsfirma McKinsey zur angestrebten Klimaneutralität der Europäischen Union zeigt nun allerdings: Klimaschutz kann sich für die Gesamtwirtschaft rechnen und Millionen neue Arbeitsplätze schaffen. Für den deutschen Standort werden die Chancen der CO2-freien Mobilität hervorgehoben.
Die Europäische Union könne das erklärte Ziel der Klimaneutralität bis 2050 ohne gesamtwirtschaftliche Mehrkosten erreichen. Es müssten jährlich zusätzliche 180 Milliarden Euro investiert werden, die jedoch durch Einsparungen an anderer Stelle kompensiert würden, so McKinsey. Der grüne Umbau der europäischen Wirtschaft könnte unter dem Strich fünf Millionen zusätzliche Arbeitsplätze schaffen: Während zwar sechs Millionen Jobs verloren gingen, entstünden in Zukunftsbranchen elf Millionen neue Arbeitsplätze. Die Hälfte der insgesamt nötigen Emissions-Einsparungen könnten mit bereits ausgereiften Technologien erreicht werden.
Für die Studie „Net-Zero Europe“ haben die Berater über alle 27 EU-Länder und Industrien hinweg 600 mögliche CO2-Einsparhebel auf ihre Kosten und ihren Nutzen bei der CO2-Vermeidung hin untersucht. „Der Umbau der europäischen Wirtschaft ist ein Generationenprojekt und erfordert eine Kraftanstrengung in allen Industrien und Regionen des Kontinents. Unsere Analyseergebnisse sind ermutigend: Sie zeigen, dass ein klimaneutrales Europa auch wirtschaftlich profitieren kann“, sagt McKinsey-Partner und Co-Autor der Studie Hauke Engel.
Um die Klimaziele der EU zu erreichen, müssen der Untersuchung nach jährlich knapp 1000 Milliarden Euro investiert werden. 800 Milliarden Euro entfallen auf Investitionen, die heute bereits getätigt werden – allerdings noch in kohlenstoffintensive Technologien wie Gas-Heizungen oder Dieselzugmaschinen – und zukünftig in CO2-arme Anwendungen umgelenkt werden müssten. Die jährlich zusätzlich nötigen Investitionen von 180 Milliarden Euro würden durch Einsparungen an anderer Stelle – z.B. durch geringere Rohölimporte – überkompensiert.
„Unsere Analyse beschreibt einen für ganz Europa kostenoptimalen Weg in die Klimaneutralität. Die Belastungen und Vorteile betreffen alle Länder, Regionen und Branchen, aber nicht gleich verteilt“, erklärt Engel. Die Klimaziele seien auf EU-Ebene gemeinsam einfacher zu erreichen als auf nationaler Ebene: Spaniens Emissionen beispielsweise seien aufgrund des starken Wirtschaftswachstums seit 1990 stärker gewachsen als die von Deutschland. Ein Ziel von minus 55 Prozent im Vergleich zu 1990 wäre daher für Spanien schwieriger zu erreichen als für Deutschland. Andererseits könnte Spanien um 2050 verbleibende Emissionen aus der deutschen Industrie durch günstige Erneuerbare oder negative Emissionen ausgleichen.
Es gelte, so McKinsey, politisch und gesellschaftlich Anreize und Ausgleichsmaßnahmen zu finden. Dies reiche von direkten Subventionen und Anreize über CO2-Preise und Emissionshandelssysteme bis hin zu effektiver Unterstützung für Regionen und Industrien mit Beschäftigungsverschiebungen. Für die Bürger Europas würden sich die Kosten insgesamt nicht erhöhen: Heizen und Kühlen sowie Mobilität würden günstiger, während die Preise für Lebensmittel und Ferienflüge zunehmen könnten. „Haushalte mit geringerem und mittlerem Einkommen würden sogar etwas entlastet, wohlhabende Haushalte etwas stärker belastet“, sagt Engel.
Potenziale des Energiesektors & der Mobilität
Der Energiesektor könnte McKinsey zufolge Mitte 2040 als erster auf Netto-Nullemissionen kommen. Dafür müssten vor allem Wind- und Solarenergie „massiv“ ausgebaut werden, um die zu erwartende verdoppelte Stromnachfrage zu decken. Die Ausbaurate von Solarkapazität müsste von heute 15 GW pro Jahr auf 44 GW ab 2030 steigen, die von Windenergie sich verdoppeln von heute 10 GW pro Jahr auf 24 GW pro Jahr ab 2030.
Der Transportsektor könnte das Ziel 2045 erreichen – hierzu müssten in den kommenden zehn Jahren die Wertschöpfungsketten für Elektromobilität in Europa „rapide“ aufgebaut werden, sodass eine Verkaufsquote von 100 Prozent E-Fahrzeugen perspektivisch machbar ist. Transportmittel wie Schiffe und Flugzeuge müssten in der Folge auf Alternativen wie Bio- oder synthetische Kraftstoffe umgestellt werden. „Gerade für Deutschland als starken Automobilstandort ist der Übergang in die CO2-freie Mobilität ein Kraftakt – aber kann langfristig ein großer Wettbewerbsvorteil sein“, unterstreicht Engel.
Der Gebäudesektor könnte laut McKinsey bis Ende 2040 klimaneutral werden. Dafür müsse bereits vorhandene Technologie wie z.B. Wärmepumpen flächendeckend eingesetzt werden. Engel: „Viele Maßnahmen wie Dämmung, Isolierung und neue Wärmekonzepte lohnen sich eher langfristig.“ Daher sollten stärkere Anreize auch für Vermieter geschaffen werden, den Bestand zu modernisieren.
Die Industrie ist der Studie nach der Sektor, in dem die Kosten für die Dekarbonisierung am höchsten sind. Hier sei die Neutralität auch erst 2050 zu erwarten. Nicht vermeidbare Emissionen z.B. in der Schwerindustrie müssten durch natürliche CO2-Senken wie Wälder und Moore ausgeglichen werden. Das Gleiche gelte in noch größerem Maße für die Landwirtschaft. Die Analyse zeige: Ohne einen Wandel in der Ernährung – z.B. durch geringeren Fleischkonsum – seien Nullemissionen nicht machbar. Daher müssten auch hier entsprechende Ausgleichsmaßnahmen aus anderen Sektoren einbezogen werden.
„Die gute Nachricht ist: Drei Viertel der Maßnahmen, die wir bis 2030 umsetzen müssen, sind mit heute marktreifen Technologien machbar“, erläutert Engel. Die Umstellung auf erneuerbar hergestellten Strom als Energieträger sowie Energieeffizienz seien die wesentlichen Hebel. Langfristig kämen pilotierte, aber noch nicht in der Breite eingesetzte Anwendungen wie Kohlenstoffabscheidung und -speicherung und Niedrigtemperaturheizungen auf Wasserstoffbasis hinzu. Dabei würden in der Studie keinerlei Verhaltensänderungen der Konsumenten unterstellt. „Wenn europäische Bürger Veränderungen z.B. an ihren Ernährungs- oder Heizgewohnheiten vornehmen, könnte dies das Ziel der EU-Klimaneutralität sogar vereinfachen“, so Engel.
Hans Meier meint
Studien die so weit in die Zukunft schauen sind zum vorhinein Unglaubwürdig & nicht Seriös. Wir verbrauchen heute in den Industriestaaten 3 – 6 Erden Ressourcen, das lässt sich nicht alleine mit Technologie bis 2050 lösen und wiederspricht dazu dem Industrie/Kapitalmantra „Ewiges Wachstum“. Wohlfühlartikel ohne Nutzwert und VWAG Werbebildchen…
leotronik meint
Es sollte mal berechnet werden wie die ersparten Milliarden für nicht erfolgte Rohölimporte und damit Umlenkung in die Erzeugung heimischer Energie die heimische Wirtschaft beschleunigen. Wenn mit dem Ölgeld Wolkenkratzer und Skipisten in der Wüste möglich sind sollte das gleiche Geld in Europa das gleiche ermöglichen. Darüber wird kaum geredet.
bensch meint
Eigentlich ein alter Hut. Unfassbar wie zögerlich gehandelt wird. Trotzdem wichtig, das auch durch die großen Player nochmal zu betonen, denen man keine linksgrüne Ideologie unterstellen kann. Es ist doch so: Wer heute noch in Fossile investiert, egal ob Mobilität, Energiebereitstellung, Produktion, etc., gefährdet seinen Wirtschaftsstandort.
Nils P. meint
Mein persönliches Ziel ist die CO2 Neutralität schon 2021 zu erreichen. Also 29 Jahre vorher. Die Erdwärmepumpe und die Elektroautos sind schon da. Im Januar kommt hoffentlich die 10 kW Photovoltaikanlage die bilanziell den gesamten Bedarf eines 2 Personen Haushaltes abdeckt. Einzig mit dem eingeschränkten Fleischkonsum laß ich mir noch bis 2050 ein bißchen Zeit. Na gut, ich esse auch ab und zu mal einen Salat.
Georg meint
@Nils P.
Gratulation zu diesen Schritten.
Aber ok, dann halt Kompensation des Fleischkonsums durch eine 20kWp PV-Anlage. Das machen derzeit auch Hersteller von zukünftig CO2 neutralen Fahrzeugen so. Wenn es in einem Bereich (noch)nicht funktioniert, wird in einem Anderen kompensiert.
Sepp meint
Die Mär mit dem einschränken des Fleischkonsums kommt daher, dass noch nicht verstanden wird, dass der Methanausstoß von Wiederkäuermägen aus co2 – neutraler Biomasse entsteht und einem Kreislauf unterliegt
Sonst hätte der Ausstoß von Abermilliarden Wiederkäuern über Abermillionen Jahren die Erde schon längst gekillt!
bensch meint
Kompletter Blödsinn. Die Zahl der Nutztiere ist seit der Industrialisierung explosionsartig angestiegen. Außerdem wird hier Mal eben unterschlagen, dass für deren Ernährung massenhaft Wald gerodet und Boden mit Monokultur erodiert wird, beides ebenso der CO2 Konzentration in der Atmosphäre nicht zuträglich. Vom Tierwohl mal ganz abgesehen.
Andi meint
@Sepp
Bensch hat Recht.
Es ist richtig, dass der Verbrauch von fossilen Energien ebenfalls einem Kreislauf unterliegt. Dieser Kreislauf hat vor Millionen von Jahren begonnen und wird in ein paar 100 Jahren mit dem größtmöglichen Verbrauch zurück zum Anfang geführt. Das wird die Menschheit nicht überleben.
Peter W meint
Was sehr viele nicht verstehen:
Der eingelagerte Kohlenstoff im Öl und der Kohle wurde von Millionen Jahren der Atmosphäre entzogen. Zu Zeiten der Dinosaurier war die Sonneneinstrahlung schwächer, und der CO2-Gehalt höher als Heute. Nachlassende Vulkanaktivität und starkes Pflanzenwachstunh haben den CO2-Gehalt der Luft immer weiter reduziert, und vor 34 Millionen Jahren entstand so die erste Eiszeit. Vorher war unser Planet ein Treibhaus. Die Pflanzen die zu dieser Zeit gewachsen sind, könnten heute bei 200 bis 300 ppm CO2 nicht überleben. Der sinkende CO2-Gehalt hat neue Pflanzen entstehen lassen. Der sinkende CO2-Gehalt hatte dann zum ersten mal eine Eiszeit verursacht. Durch die Eiszeit steigt der CO2-Gehalt wieder an, weil es weniger Pflanzen gibt. Jetzt taut das Eis, und die Pflanzen wachsen wieder und reduzieren den CO2-Gehalt bis die nächste Eiszeit folgt. Das ist der Rhythmus, in dem die Säugetiere und wir Menschen die Welt bevölkert haben. Seit rund 3 Millionen Jahren bewegt sich der CO2-Gehalt in einem Rhythmus zwischen 180 und 300 ppm. Da wir jetzt den CO2-Gehalt auf weit über 400 ppm angehoben haben, und gleichzeitig das Pflanzenwachstum stören indem wir Wälder roden und abbrennen, ist die Katastrophe kaum mehr aufzuhalten. Wenn jetzt noch die Sonnenaktivität steigt, ist das das endgültige Todesurteil für das Leben auf unserem Planeten wie wir es kennen. Im Moment haben wir noch das Glück, dass die Sonne sehr ruhig vor sich hin brodelt.
Das war jetzt die Lage aus der Sicht eines interessierten Laien. Natürlich ist das alles viel komplizierter.
Ich glaube nicht, dass sich daran noch was ändern wird.
Flo meint
Sehr gut – ich arbeite ebenfalls daran. Es ist aber nicht leicht. Als Orientierung gibt es gute Carbon footprint Rechner.
z.B. https://www.wwf.de/themen-projekte/klima-energie/wwf-klimarechner
Yogi meint
Selbst dann haben sie etwa 4-5t CO2 pro Kopf durch Produktion ihres Konsums und Transport ihres Konsums. (Siehe Rechner Umweltbundesamtes) D.h. höchste Zeit die Fabriken grün zu bekommen und die Paprika aus Almeria mit grünem Lkw rauf fahren.