Die großen deutschen Autozulieferer Bosch, Continental, ZF, BASF und Mahle meiden trotz E-Mobilitäts-Boom weiter die Serienfertigung von Batteriezellen für Elektroautos. Der Chef des schwäbischen Batterieherstellers Varta schätzt die Chancen in dem Markt anders ein und bereitet die Produktion von neuen Zellen vor, die auch für elektrische Pkw geeignet sind. Herbert Schein hat dabei spezielle Anwendungsfälle im Visier.
Varta sehe großen Bedarf für seine neu entwickelte Batteriezelle im von Tesla populär gemachten Format 21700 und baue dafür am Standort Ellwangen eine Pilotlinie auf. „Ich gehe davon aus, dass wir in diesem Jahr noch die ersten Kunden präsentieren können“, sagte Schein der WirtschaftsWoche. Für den Einsatz des neuen Akkus befinde sich das Unternehmen in Gesprächen mit mehreren Autoherstellern, die hier ansässigen Firmen hätten dabei „oberste Priorität“.
Die deutschen und auch die meisten internationalen Autobauer beziehen die in ihren Elektroauto-Batteriepaketen gebündelten einzelnen Akkus von Lieferanten aus Asien. Um die Abhängigkeit von ausländischen Firmen zu mindern, forciert die Politik in Deutschland zusammen mit Frankreich und der EU den Aufbau einer europäischen Batteriezell-Produktion. Zwei groß angelegte Förderprojekte wurden bereits genehmigt, auch Varta profitiert von den staatlichen Zuschüssen.
Varta arbeitet laut dem Firmenchef an einer „Powerzelle“. Diese sei am besten für Sportwagen und den Premiumbereich geeignet, da in kürzester Zeit viel Kraft abgeben werden könne, etwa für die Beschleunigung. Die Varta-Zelle 21700 lasse sich zudem innerhalb von sechs Minuten vollladen. „Diese Eigenschaft bietet noch keine andere Batterie in dieser Kategorie auf dem Markt“, betonte Schein. Als alleinige Energieversorgung für Elektroautos ist die Technologie zunächst offenbar aber nicht vorgesehen.
„Unsere neue Zelle kann als Hochvoltbatterie für den Antrieb von Elektroautos zur Anwendung kommen. Idealerweise mit einem optimierten Reichweitenverlängerer oder mit einer optimierten Brennstoffzelle“, erklärte Schein. Die Batterie könne auch als kurzzeitiger Beschleuniger für Elektroautos eingesetzt werden. Die neue Zelle messe 2,1 Zentimeter im Durchmesser und 7 Zentimeter in der Höhe, was „Vorteile bei der effizienten Ausnutzung des Raumes im Auto“ biete: „Wenn man kleinere Batterien braucht, die auch schnell während der Fahrt nachgeladen werden können, wird das Auto leichter und braucht dadurch weniger Energie“, sagte der Varta-Boss der WirtschaftsWoche.
Bislang produziert der börsennotierte Varta-Konzern vor allem kleine wiederaufladbare Lithium-Ionen-Zellen für Unterhaltungselektronik wie kabellose Kopfhörer sowie Haushaltsbatterien für Fernbedienungen, Uhren oder Taschenlampen. „Mittelfristig“, so Schein, könne mit der neuen 21700er-Zelle ein weiteres Geschäftssegment hinzukommen. Im Jahr 2024 will das Unternehmen zwischen 100 und 200 Millionen 21700er-Batteriezellen pro Jahr herstellen können.
Jörg2 meint
Ich hatte ein zeitlang vermutet, das wir in den Autos Batteriepacks mit einem Mix an unterschiedlichen Zellen sehen werden (so als Zwischenlösung, bis die üblichen Zellen alle in einem hohem Leistungsbereich sind). Also eine Lösung, die sowohl super schnelles Laden von vielleicht 30% der Gesamtkapazität zulässt (egal welche Temperatur der Akku hat) und die restlichen 70% dann mit der üblichen Kurve.
Scheint so keiner zu machen. Auch nicht im Hochpreisbereich.
hu.ms meint
Überall wird von hohen ladeleistungen geschrieben.
Dass die akkus aber dadurch auch viel schneller degenergieren ist kaum zu lesen.
Mein ID.3 hängt gerade an der PV-anlage – einphasig mit 16A – mein akku wird mir viel länger freude machen.
Heureka meint
Wenn durch eine solche neue Power-Zelle ein BEV auch nur mit 200 kW von 0 bis 100% durchgehend geladen werden könnte, wäre ein 100 kWh-Akku in 30 Minuten voll, ohne dass die Batterie übermäßig gestresst würde. Das wäre doch ein echter Fortschritt und würde BEVs einmal mehr massentauglicher machen. Andererseits wären dann auch keine allzugroßen Akku-Packs mehr nötig: 50 kWh für 200 km Autobahn, dann 15 Min. HPC – davon träumen wir doch heute alle.
Selbst die, die keine eigene Lademöglichkeit haben, könnten schnell Strom tanken.
So stelle ich mir das endgültige Aus für Verbrenner – durch vollständigen Ersatz mit fortschrittlicher Technik – vor.
Sebastian meint
Nio verspricht für Ende 2022 Feststoffakkus mit bis zu 150 kWh. Ob Varta da nicht ein paar Jahre zu spät kommt, Taschenlampen Akkus für Autos anzubieten?
badsoden meint
Ankündigungen sind immer schön. Bei Tesla weiß man, dass die Termine nie stimmen, die Inhalte meistens zu ca. 90% stimmen. Bei den anderen stimmen meistens die Inhalte überhaupt nicht, manchmal die Termine doch noch.
100 KWH in 6 min, wäre nett aber über 1 MW an der Ladesäule? Pro auto? Wir bekommen noch nicht mal die vorhandenen Windräder angeschlossen.
Trotzdem, auf der Battery Days wurde es klar gesagt: die Herausforderung ist die wirtschaftliche Großmengenproduktion. Varta: sage doch mal wieviel MW/TW ihr in welchem Jahr plant zu produzieren und mache die Ankündigung auch noch plausibel bitte.
Der Detail mit dem (H2) Rangeextender ist schon lustig. Varta will es einfach nicht aufgeben. Man will noch einige Subventionen abholen vermute ich.
Sebastian meint
Der IONIQ5 hat gezeigt was Sache ist. 3x ums Auto laufen und schon hat der Wagen 80% im Akku.
AlBundy meint
Mag mir als nicht Batteriefachmann mal jemand helfen, bitte?
Setzen viele hiesige OEMs nicht auf prismatische Zellen,
wie sie z.B. auf dem PowerDay von VW vorgestellt wurden?
Welche hiesigen Hersteller verbauen denn nun zylindrische Zellen im Format 2170.0 zu Batterispacks ?
Danke im Voraus
AlBundy meint
Hintergrund meiner Frage ist
“ „Ich gehe davon aus, dass wir in diesem Jahr noch die ersten Kunden präsentieren können“, sagte Schein der WirtschaftsWoche. Für den Einsatz des neuen Akkus befinde sich das Unternehmen in Gesprächen mit mehreren Autoherstellern, die hier ansässigen Firmen hätten dabei „oberste Priorität“.
Von welchen „hier ansässigen Firmen“ redet Varta, wenn zumindest VW und BMW nach meinem Kenntnisstand auf prismatische bzw. Pouch-Zellen setzen, wie am VW-PowerDay vorgestellt (inkl. Produktionsausblick Geldscheintacks).
Und Varta meint ja mehrere Firmen, die als potenzielle Kunden in Gesprächen sind.
badsoden meint
Pisma oder Rund ist ganz alte Diskussion. Rund ist einfacher zu produzieren und rubuster bei Temparaturschankungen (wenige Deformation) und damit wenige Selbstentzündung (ist generell schon sehr minimal aber trotzdem).
Prisma nimmt weniger Platz ein.
Ich meine es gibt nicht so sehr ein Platzproblem im Auto und deswegen setzt Tesla gerne Rundzelle ein.
Ausnahme ist der LifoZelle in China im M3 SR+. Der Lieferant bietet die halt nur als Prisma an. Er ist trotzdem billiger weil niedrige Materialkosten. Er ist sogar größer udn schwerer als der Rundzelle und deswegen passt er nur im SR+. Nei, ist kein Widerspruch mit oben. Als Rundzelle würde der Lifo noch mehr Platz einnehmen.
AlBundy meint
Danke dafür.
Vor dem Hintergrund – und es geht jetzt nicht darum, ob besser oder anders.
Varta setzt nun auf die Rundzelle/ zylindrische Zellen im Format 2170.0.
Dann sehen sie wohl einen Markt dafür, und zwar potenziell Kunden aus dem Bereich Automotive.
Wenn sich die deutschen Hersteller VW (als Konzen inkl. aller Marken) und BMW jedoch auf prismatische Zellen festgelegt haben (PowerDay VW mit Visionen / Plänen bis 2030) frage ich mich, wer die hiesigen Kunden ( siehe Zitat oben) sein sollen? Ford in Köln setzt auf den MEB von VW = prisma
Daimler? aber das wäre nur ein hiesiger Kunde.
Wo soll da der Markt sein?
Ebi meint
Spannende Frage, die gesicherte Antwort werden wir aber wohl nicht bekommen.
AK swiss meint
Klingt eher nach Booster, damit der 911er endlich um 0,1s schneller auf 100 kommt als Tesla.
Nichts wirklich ernst gemeintes fürs Volumengeschäft.
LiPo meint
Porsche arbeitet nicht mit Varta zusammen.
MiguelS NL meint
Varta Daumen hoch ????????
three e's meint
Ich finde es toll, dass wir in Deutschland Batteriezellenforschung betreiben.
Nur die 21700-Zelle ist nichts mehr besonders und auch nicht neu.
Dass sie in 6 min voll geladen werden kann, kann schon sein:
Beispiel und „fachsimpel on“:
die momentan kapazitätsstärkste 21700er hat eine Kapazität von 5Ah (Samsung oder Murata), somit müsste sie mit 50A geladen werden, um in 6 min vollständig geladen zu sein.
Erstmal ok, wird dabei nur sehr warm und die Lebensdauer leidet beträchtlich.
Aber:
würde man damit bspw. eine Tesla Batterie bestücken, die bei 100kWh Energieinhalt 86 parallele Zellen verbaut hat (16 Module á 6s86p), wären das 86x50A, also 4300A!!!
Folglich eine Ladeleistung von knapp 1,5 Mega Watt.
Da kommt bisher kein SC oder HPC Lader mit.
Und wie soll diese Leistung für EIN Fahrzeug bereits gestellt werden.
Meiner Meinung nach muss ein Autoakku so schnell nicht voll sein. Das braucht kein Mensch!
Also lieber nicht in eine solche Richtung entwickeln, liebe Varta Jungs!
Peter W meint
Vollkommen richtig, aber der Mob, sprich das ungebildete Volk, glaubt den Unsinn vom „Auto laden in 5 Minuten“ nur all zu gerne. Varta spielt mit Emotionen um Fördergelder zu bekommen. Vor kurzem haben noch alle Batteriehersteller eine Akkuproduktion für die Autoindustrie abgelehnt. Da waren aber noch nicht so viele Altmeiermilliarden im Umlauf.
VestersNico meint
PeterW: schöne Erklärung das mit den AltmeierMilliarden. Aber Varta scheint denn doch ein innovatives börsennotiertes Unternehmen zu sein. Siehe Aktien-Entwicklung in 2019, das ging besser durch die Decke als bacanora-Lithium penny-Fonds…
Andreas meint
Die Gier auf schnell und leicht verdiente Subventionsmillionen treibt die Mäuse aus den Löchern. Für eine Überschrift reicht es zumindest. Passt aber auch zum ganzen „Altmaierschen batteriekonzept“.
Alupo meint
Ich dachte, Tesla hat die Baugröße 2170 „erfunden“ und nicht die 21700.
Eines weiß ich aber sicher: Elon Musk hat sich immer schon über die „0“ am Ende der 18650-Zelle lustig gemacht. Aus nachvollziehbaren Gründen wie ich meine…
Yogi meint
Es ist doch schon mal schön, dass deutsche Manager das zumindest verstehen ;-)
McGybrush meint
Ja ist das gleiche.
18650 heisst 18mm breit 65,0mm hoch
21700 heisst 21mm breit 70,0mm hoch
2170. heisst 21mm breit 70mm hoch
Man spart bei Tesla die Nachkommastelle.
Tesla-Fan meint
Die Angaben mit der Höhe in 1/10mm kommen von Knopfzellen.
Eine CR2025 hat 20mm Durchmesser und 2,5mm Höhe.
In dieser Logik wäre 21700 die korrekte Bezeichnung.
Allstar meint
Die 21700 wurde nicht von Tesla erfunden, die Größe gibt es schon seit Jahren von verschiedenen Herstellern, zb. in meiner E Zigarette seit 2019
NIKB meint
Übrigens ein Jahr, in dem Tesla schon 100.000e davon verbaut hat.