Die Produktion eines Elektroautos ist durch die geringere Zahl an Bauteilen weniger komplex und damit weniger beschäftigungsintensiv als die eines konventionellen Pkw mit Benzin- oder Dieselmotor. Dadurch werden laut einer im Auftrag des Verbands der Automobilindustrie (VDA) erstellten Studie in der hiesigen Autobranche mehr Arbeitsplätze wegfallen als Beschäftigte in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen. VDA-Präsidentin Hildegard Müller äußerte sich dazu in einem von dem Verband veröffentlichten Interview.
Bis zum Jahr 2025 seien mindestens 178.000 Beschäftigte betroffen, bis 2030 mindestens 215.000 Arbeitsplätze. Und die altersbedingte Fluktuation könne hier leider nur zu einem gewissen Teil entlasten, es bleibe eine noch immer erhebliche Schere. „Wichtig ist: Betroffen heißt nicht zwingend, dass Arbeitsplätze wegfallen, aber sie werden sich verändern müssen“, erklärte Müller. Die Studie zeige, wie tiefgreifend der laufende Transformationsprozess in den kommenden Jahren sein wird und welche Anstrengungen, etwa durch Weiterbildung und Umschulungsmaßnahmen, notwendig sein werden, um auch diesen Transformationsprozess zu meistern, und gleichzeitig die negativen Auswirkungen abzufedern.
Der Weg der Transformation hin zur E-Mobilität sei für die Branche mit immensen Herausforderungen und dem Betreten von reichlich Neuland verbunden, betonte die VDA-Präsidentin. Die Transformation erfordere von der Industrie Investitionen in noch nie da gewesener Höhe: in Forschung und Entwicklung, in die Umstellung von Produktionsverfahren und den Ausbau von Produktionskapazitäten für eine neue Produktionsstrecke wie Batteriezellen, Wasserstoff oder E-Fuels und in die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter und den Aufbau einer flächendeckenden Infrastruktur zum Laden und Tanken. „Aber unsere Unternehmen sind gut unterwegs. Das zeigen die neuen und hohen Zulassungszahlen für Elektrofahrzeuge“, unterstrich Müller.
VDA fordert sichere Rahmenbedingungen
Bei allen Anstrengungen der Industrie sei auch die Politik gefordert, entsprechende Rahmenbedingungen für die Branche zu schaffen. Auch das sei ein Ergebnis der vom Münchner Ifo Institut erstellten Studie. Ifo-Präsident Clemens Fuest kritisierte vor diesem Hintergrund den permanenten Überbietungswettbewerb bei Klimazielen seitens der Politik.
„Es ist relativ leicht für die Politik zu sagen: Ach nein, wir machen jetzt schon 2045 Klimaneutralität oder sogar ab 2040 streben wir das an. Nur die schwierige Frage ist ja: Wie setzen wir das eigentlich um?“, so Fuest. „Wir sehen jetzt hier an einer zentralen Industrie im Land, was das Ganze bedeutet. Aber wenn wir jetzt eben um fünf oder zehn Jahre Klimaneutralitätsziele vorziehen, dann muss man sich ja fragen, wie das alles funktionieren soll. Das müsste man eben mitliefern. Was wir derzeit sehen, ist Verunsicherung. Das ist keine Schaffung sicherer Rahmenbedingungen. Wer weiß, ob nicht demnächst jemand kommt, der sagt: Wir machen das schon ab 2035. Das ist nicht gut.“
Ungeachtet dessen treibt die deutsche Automobilindustrie mittlerweile den Weg zur Klimaneutralität voran. Viele Hersteller setzen dabei neben den Investitionen in den Hochlauf der E-Mobilität auf Technologie-Offenheit, also auch auf klassische Verbrenner sowie alternative Antriebe wie wasserstoffbetriebene Brennstoffzellen-Elektrofahrzeuge und synthetische Krafstoffe („E-Fuels“). Hier sieht die VDA-Präsidentin große Potenziale für Innovationen und Beschäftigung, mahnt aber vor noch ehrgeizigeren staatlichen Vorgaben für die Industrie.
„Ich möchte auch noch einmal ausdrücklich betonen, dass wir uns zum Ziel der Klimaneutralität bis 2050 bekennen. Wir reden von rund 10,5 Millionen Elektrofahrzeugen auf Deutschlands Straßen im Jahre 2030. Mir ist es, ehrlich gesagt, unverständlich, dass quasi über Nacht die Ziele für den Klimaschutz verändert werden sollen. Es gibt dafür keine Folgenabschätzung und die Wirkung auf das Thema Beschäftigung“, so Müller. Und weiter: „Unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit wird leiden und kurz bevor die EU überlegt, wie sie mit dem Projekt ‚Fit for 55‘ ebenfalls ihre engagierten Vorstellungen umsetzt, gibt es einen nationalen Alleingang. Gesetzesvorhaben dieser Dimension, ohne echte Beteiligung Betroffener durchzuführen, schädigt Vertrauen. Für diese gemeinsame Aufgabe der Branche, der Unternehmen, der Sozialpartner und der Politik brauchen wir die richtigen Rahmenbedingungen in Deutschland, aber auch eingebettet in der EU.“
Bender meint
Ich versteh die ganze Argumentation mit den Rahmenbedingungen nicht? Was wollen die denn, der Rahmen ist doch gesteckt.
Bis dann und dann macht ihr das und das weniger. Wie ihr das macht, ist uns egal.
Ich wünschte ich dürfte mal so arbeiten: „Hier ist IhrProjektvorschlag, bis dann und dann ist das fertig, wie ist mir vollkommen egal. Ich werde jede Ihrer Ideen mit nem haufen Geld unterstützen.“
Perfekte Bedingungen.
Wer hindert denn die Hersteller daran, Ihre blöden e-Fuels auf den Markt zu werfen? Also ich nicht und die Politik auch nicht.
Oder Wasserstoff? Kann man doch kaufen – kauft aber bloss keiner…oder sagen wir, verschwindend Keiner.
Einem jeden steht es frei, herzustellen und zu verkaufen/kaufen was er/sie will. Ich finde der Markt regelt es derzeit ganz gut.
Auch wenn es aus meiner Sicht noch viel schneller mit den E-Autos gehen könnte, aber man kann ja nicht alles haben.
Andreas meint
Das die deutschen Zulieferer hier sehr bewußt die Augen und die Portemonnaies dicht gehalten haben, ist ja schon historisch. Daneben haben sie so gut wie möglich im Dieselbetrug unterstützt, denn von ihnen kommt ja letztlich die Technik.
Das sie jetzt hinterher laufen, wie z.B. bei der 800V-Technik, ist mehr als verdient.
Leider ist die deutsche Industrie und Industriepolitik fett, bequem und ideenfrei. Und so macht man sich natürlich sorgen um den Standort Deutschland. Nicht, weil BEV so böse ist, sondern weil unsere Wirtschaft zu dämlich war und ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat.
Man kann Toyota jetzt begründet für ihren Kurs kritisieren, aber die haben ab den 90igern angefangen, was Neues zu starten. Bei uns: Fehlanzeige.
Andreas meint
Sinnloses Mantra alter und falscher Zahlen (Wegfall von Arbeitsplätzen), der Ruf nach möglichst viel Staatsgeld, um die eigene Kasse zu schätzen und natürlich am besten eine Dauersubventionierung durch staatliche Infrastrukturmaßnahmen.
Null Innovation, Null Unternehmergeist, eine reine Staatslobbyistin. Völlig falsch.
Alexander meint
Naja, einer vom VDA in Auftrag gegebene, vom ifo-Institut durchgeführten Studie, veraltete Zahlen vorzuwerfen, ist schon unverschämt, insbesondere, wenn man bedenkt, dass dies eine aktuelle Studie ist.
Gerd meint
Der VDA, innerlich zerrissen (VW und demnächst Tesla gegen den Süden Deutschlands) ist die derzeit unterhaltsamste Quelle für (Stand heute) lustig-absurde Ansichten einer vergangenen Zeit. Und sie merken es nicht einmal – das finde ich am witzigsten.
Wenn es nicht so ernst wäre.
Diesen ganzen Dobrindt/Scheuer/KBA-Lobbyisten-Verein sollte man aber (ernst gemeint!) wirklich weiter gewähren lassen.
Dann erledigt sich viel Überzeugungsarbeit pro Mobilitäts- und Energiewende von selbst.
Ich downloade mir inzwischen viele Artikel des VDA bzw. der Automobilwoche.
Die werden in wenigen Jahren enormen Unterhaltungswert haben ;-) !
Jensen meint
@Gerd: Präzise skizziert und filetiert! Vielleicht haben wir es mit einem neuen Satireformat (industrial comedy) zu tun und kennen es noch gar nicht. Gerade auch die Automobilwoche hat da regelmäßig skurrile Textangebote.
MaxMe meint
Ich wollte einen Beitrag mit Argumenten schreiben, aber die sind schon tausendfach geschrieben worden. Nur ein Punkt noch zu einem Absatz im Artikel:
„Ungeachtet dessen treibt die deutsche Automobilindustrie mittlerweile den Weg zur Klimaneutralität voran. Viele Hersteller setzen […] auf Technologie-Offenheit, […] klassische Verbrenner […] wasserstoffbetriebene Brennstoffzellen-Elektrofahrzeuge […] „E-Fuels“. Hier sieht die VDA-Präsidentin große Potenziale für Innovationen und Beschäftigung [..blah blah..]“
@ecomento: Ich kann irgendwie nicht unterscheiden, welche Aussage woher stammt.
Es werden zwar Anführungsstriche verwendet für Zitate (sind doch Zitate, oder?), aber es gibt keinen Link dafür, woher das kommt. Unterhalb des Artikels steht nur „Via: VDA“, ohne link. Na, danke schön.
AK swiss meint
Nein, wirklich, der Verband der Arbeitgeber macht sich ernsthaft Sorgen um die Mitarbeiter! Da sind sogar die Gewerkschaften sprachlos.
Verlogen und bigott!
BEV meint
HAHA! Ja, echt der Hammer.
Langfristige Planung: 0,0
Hauptsache jetzt noch schnell die Taschen voll machen, dann bin ich alter Sack sowieso in meiner wohl verdienen Pension.
So in etwa.
ShullBit meint
Hätte man auf die Verlautbahrungen des Verein der Antiquierten (VDA) gehört (E-Fuels statt E-Autos), so wäre nicht einige sondern alle Arbeitsplätze in der deutschen Automobilindustrie bedroht.
Es ist ja auch nicht so, das bei E-Autos die Wertschöpfung sinkt. Ganz im Gegenteil. Die Wertschöpfung steigt. Nur verschieben sich die Bereiche, in denen die Wertschöpfung stattfindet. Die größte Wertschöpfung beim E-Auto findet bei der Batterie statt. Das weiß man seit 10 Jahren. All die großen deutschen Zulieferer wie Bosch, Continental, Mahle, ZF, .. wollten in dem Bereich nicht investieren. Sie vertrauten darauf, noch 2, 3 Jahrzehnte primär Verbrenner verkaufen zu können. Und nun finden große Teile der Wertschöpfung eben bei LG Chem, CATL, Panasonic, SK statt. Die freuen sich über jährliche Umsatzzuwächse von teils 50%, während bei Mahle und Co. die Umsätze zusammen brechen. All die genannten deutschen Zulieferen sind übrigens auch Mitglied im VDA.
Flo meint
Mimimi, Der ist ein Schenkelklopfer: „Mir ist es, ehrlich gesagt, unverständlich, dass quasi über Nacht die Ziele für den Klimaschutz verändert werden sollen“. Jetzt heisst es LIEFERN lieber VDA.
MichaelEV meint
Je früher die Politik dieses Ziel gesetzt hätte, desto weniger wäre es heute ein Problem. Danke CDU für die nachhaltige Schädigung der deutschen Industrie!
BEV meint
Die Lobby arbeitet stark dagegen und es wird ständig Rumgeheult, man fährt mit Vollgas gegen die Wand. Ganz ehrlich viele Politiker haben einfach keine Ahnung und lassen sich von ihren vermeintlichen „Experten“ beraten und vielleicht auch noch die Taschen voll machen. Wer schaut am Ende in die Röhre? Natürlich der „kleine Mann“. Und da muss man sich dann noch anhören lassen, wenn man gut verdient kann man das schon zahlen. Klar nur die Millionen und Milliarden fließen in die falsche Richtung.
Olli meint
Ich kann dieses VDA Gewäsch nicht mehr hören…. Die gute Frau ist eine absolute Fehlbesetzung.
Mäx meint
Trotzdem ist es richtig, dass die Industrie stabile Rahmenbedingungen braucht.
Hätte man vor 10 Jahren all das auf die Wege gebracht, was nun über das Knie gebrochen wird, hätten wir heute schon 20% oder 30% E-Auto Anteil an Neuzulassungen.
Warum sollte ich als Hersteller ein Produkt anbieten, welches sich am Markt nicht durchsetzen kann, weil andere Hersteller die aktuellen Marktbedingungen ausnutzt.
Kann man auf alles anwenden, nicht nur Fahrzeugproduktion.
Kohleausstieg, Atomausstieg, Klima-Neutralität usw. usw.
Wenn man früher politische Rahmenbedingungen geschaffen hätte, wäre mehr Zeit gewesen.
Sebastian meint
Mäx
was bedeutet „übers Knie“ gebrochen? Das kommt uns, Zuschauer, nur so vor. Der aktuelle EQS ist seit 2014 in der Planung…. man kann also nicht gerade sagen, das alles overnight gemacht wird. Konzepte werden geplant und dann im Rahmen der technischen Möglichkeiten ausgerollt.
Stefan Mall meint
Mir war der Vorgänger Herr Mattes auch wesentlich lieber. Er trieb auch nicht jeden Tag eine neue Sau durch den Ort, aber genau das wurde ihm wohl angekreidet als zu bescheidenes und zu wenig sichtbares Auftreten :(
Interessant bleibt, wie sich der Spaltpilz im VDA weiterentwickeln wird, denn da gibt es mittlerweile ja Gräben zwischen etwa VW und auch Mercedes auf der einen Seite und mehr Beharrern wie BMW und anderen auf der anderen Seite.