Geely hat mehr Details zu der im letzten Jahr vorgestellten neuen Elektroauto-Plattform SEA (Sustainable Experience Architecture) verraten. Die Architektur wird zukünftig unter anderem von den zu dem chinesischen Konzern gehörenden Marken Volvo, Polestar und Lynk & Co sowie dem Kooperationspartner Daimler genutzt. Als Open-Source-Plattform können auch andere Firmen die Technik für ihre Fahrzeuge einsetzen.
Der früher bei Volvo tätige SEA-Chefingenieur Kent Bovellan sagte bei einem Medientermin in Asien, dass die neue Plattform aus verschiedenen Versionen für eine breite Marktabdeckung bestehe. Das erlaube Kleinst- und Kleinwagen, mittelgroße und große sowie Luxus- und auch besonders sportliche Modelle. Darüber hinaus gebe es eine Ausführung für elektrische Nutzfahrzeuge zwischen 3,5 bis 5,5 Tonnen, inklusive Busse für bis zu 12 Passagiere und Pickup-Trucks. Kleinere Nutzfahrzeuge könnten die anderen Versionen nutzen. Um die Entwicklungskosten zu senken, würden einheitliche Komponenten eingesetzt.
Das erste Elektroauto auf der SEA wird der im April präsentierte Shooting Brake Zeekr 001 für das Premiumsegment. Diverse weitere Modelle sollen bald folgen – darunter ein kompaktes SUV von Smart, Daimler richtet die Marke ab 2022 in einem Joint Venture mit Geely und Produktion sowie Entwicklung in China neu aus. Anderen Unternehmen, die die neue Open-Source-Plattform nutzen wollen, bietet Geely zusammen mit dem taiwanesischen Elektronikkonzern Foxconn Dienstleistungen wie die Fahrzeugproduktion oder intelligente Antriebssysteme an.
Die SEA-Plattform ist laut Bovellan sehr vielseitig und unterstützt Front-, Heck- sowie Allradantrieb durch einen oder mehrere Elektromotoren. Zusätzlich könne im Heck ein kompakter Range Extender verbaut werden, also ein als Generator für den E-Motor dienendes Benzinaggregat. Alle Modelle sollen mit mindestens zwei Batteriegrößen angeboten werden, die Kapazitäten werden laut dem malaysischen Portal Paultan von 58 bis 100 kWh reichen. Das soll dank einem niedrigen Verbrauch selbst mit dem kleinsten Akkupaket für um die 460 Kilometer pro Ladung reichen. Für den Zeekr 001 wurden 700 Kilometer gemäß der hierzulande ausgelaufenen NEFZ-Norm in Aussicht gestellt. Mit Range Extender und 40-kWh-Batterie sollen mit der SEA 1000 Kilometer möglich sein.
Mit 400-Volt-System sollen sich SEA-Elektroautos in etwa 30 Minuten von 10 bis 80 Prozent aufladen lassen. Modellen mit 800-Volt-Technik soll das in nur knapp 20 Minuten gelingen. Obwohl das Batteriesystem wie bei modernen Elektroauto-Plattformen im Fahrzeugboden untergebracht ist, können auf der SEA auch niedrige Modelle realisiert werden. Dazu werden zugunsten des Fußraums einige Batteriezellen in den Mitteltunnel umgeschichtet sowie dünnere Teppiche und Sitze und ein festes Glas- statt Schiebedach verwendet.
Die Batteriezellen für die SEA werden vom chinesischen Akkufertiger CATL geliefert. Sie sollen bis zu 200.000 Kilometer ohne Leistungs- und damit Reichweitenverlust auskommen und bis zu zwei Millionen Kilometer über 80 Prozent der ursprünglichen Speicherkapazität bieten. Dabei helfe ein „hocheffizientes“ Kühlsystem, erklärte Bovellan. Er glaubt, dass die SEA der Technik von Branchenprimus Tesla in zentralen Bereichen überlegen ist: bei der Kosteneffizienz, der Vermeidung von unerwünschten Geräuschen im Innenraum, dem Fahrverhalten, dem Platzangebot im Innenraum und den Unterhaltskosten. Die Architektur soll dazu unter anderem leichter als die des amerikanischen Wettbewerbers sein, obwohl neben Aluminium auch Stahl verbaut wird.
Anton Gsandtner meint
Vielleicht überlassen wenigstens die, wie viele Akkus man mitkauft („Reichweite nach Bedarf“). Dann ist es zum Nachrüsten und zum Wechsel-Akku auch nicht mehr weit. Und der Akku-Bedarf würde etwa halbiert.
Florian meint
Hört sich interessant an, mal sehen was davon in der Realität übrig bleibt. Wie weit ist Ford eigentlich mit der eigenen E-Plattform? Sonst könnte ja ein neuer Fiesta auf der Plattform entstehen. Ist sicherlich günstiger als die MEB Plattform.
ShullBit meint
Eine dermaßen hohe Vielseitigkeit hat normalerweise ihren Preis. Geeignet für Kleinstwagen, Kleinwagen, Mittelklasse, Luxuslimousinen, Sportwagen, Pickups und Busse. Mit 400V oder 800V. Mit hohen oder flachen Batterien. Mit Range-Extender oder ohne. Mit Front-, Heck- oder Allradantrieb. Allein diese Aufzählung ergibt 168 verschiedene Kombinationsmöglichkeiten bei der Plattform. Und wenn sich eine Plattform so kleinteilig zerfasert, ist am Ende fraglich, was hinsichtlich Gleichteilestrategie übrig bleibt, was also an Skaleneffekten erzielbar ist, denn darum geht es bei solchen Plattformen primär.
Mein Zwischenfazit ist: China hat jahrelang versucht, mit (Verbrenner-)Autos auf den westlichen Märkten Fuß zu fassen. Brilliance und wie sie alle hießen sind damit krachend gescheitert. Durch den Wechsel auf Elektroautos wollte China nun endlich den Westen auch mit Autos erobern, denn der Vorsprung der westlichen Hersteller bei Verbrennungsmotoren ist damit hinfällig und weltweit fangen alle in der Branche quasi bei null an. Auch ich habe lange eine immense Gefahr gesehen, dass die westlichen Hersteller in dem Zuge unter der Räder kommen. Stand jetzt scheint sich aber eher das Fiasko wie bei den Verbrennern zu wiederholen. Aiways, Xpeng, Byton usw. sind bislang eher Rohrkrepierer.
Natürlich ist das kein Grund für die deutschen Hersteller, nun die Beine hoch zu legen. Schon gar nicht für Mercedes und noch mehr BMW, die deutlich hinterher hinken. Aber die erste Schlacht ist geschlagen und China hat sie nicht gewonnen.
Anton Gsandtner meint
Es geht derzeit darum, herauszufinden, welche der Variante(n) Handel und Kunde bestellt.
Florian meint
Das ganze ist nicht eine Plattform auf der du Smart und 12 Sitzer draufsetzen kannst. Vielmehr ist es ein Konzept das in verschiedenen Größen (Varianten) gebaut wird. Und wenn die Plattform richtig geplant wird ist es bei E-Autos völlig egal, ob der Motor nun an der vorderen, hinteren oder an beiden Achsen sitzt. Der Rangeextender ist einfach nur ein weiteres Bauteil welches Platz braucht, aber auch keine all zu großen Auswirkungen auf die Struktur der Plattform an sich haben muss.
So hat man immer noch etliche Ansatzpunkte für Skaleneffekte.
Anton Gsandtner meint
Der PC hat sich erst durchgesetzt, als es EINEN EINZIGEN INDUSTRIESTANDARD gab (IBM). Und das muss, wie man sah, nicht einmal der beste sein.