BMW hat Anfang August seinen Halbjahresbericht vorgestellt. Bei Absatz, Ergebnis und Überschuss konnte der Premium-Anbieter in den letzten sechs Monaten neue Bestwerte erzielen. Für die Zukunft sehen einige die Bayern schlecht aufgestellt, da andere Hersteller stärker und schneller auf Elektroautos setzen. BMW vertraut vorerst auf flexible Architekturen und Produktionssysteme für mehrere Antriebsarten. Bei einer Telefonkonferenz zum Halbjahresbericht verteidigte Konzernchef Oliver Zipse die Strategie.
„Die drei großen Weltregionen, viele weitere Länder und sogar Städte – alle wollen CO2-neutral werden. Das ist auch unsere Mission und Verantwortung bei der BMW Group“, betonte Zipse. Der Atmosphäre, sprich dem Klima, sei es vollkommen egal, ob ein Hersteller nur auf Elektroautos, einen Elektroauto-Fokus oder eine technologieoffene Strategie setzt. Relevant für den Klimaschutz sei ausschließlich das tatsächlich emittierte CO2 – von den eingesetzten Rohstoffen und Materialien über den industriellen Fertigungsprozess, die aktive Nutzung eines Fahrzeugs bis hin zur Wiederverwertung der Rohstoffe.
„Unser Eindruck ist: Je vollmundiger derzeit angekündigt wird, desto umfassender ist oftmals das Kleingedruckte“, so Zipse. „Nicht bei uns! Wir haben schon im Sommer 2020 konkrete Nachhaltigkeitsziele für das Jahr 2030 vorgelegt. Unsere Fortschritte dokumentieren wir nachweisbar und für jeden transparent.“ BMW konzentriere sich sowohl auf die Lieferkette und Produktion als auch die Nutzungsphase. Das Ziel sei eine immer emissionsärmere Wertschöpfungskette, die in eine Kreislaufwirtschaft mündet.
Zum Erreichen vom Klimaneutralität gebe es verschiedene Wege. „Folglich dient es nicht der Sache, sich einzelnen Wegen zu verschließen. Keiner ist falsch, solange der Klimaschutz profitiert“, sagte Zipse. Der Konzern bediene die jeweiligen Märkte mit den passenden Technologien. „Wir sehen darin einen Wettbewerbsvorteil für BMW, mit dem wir Marktanteile gewinnen. Denn: Regulierung und Kundenwünsche unterscheiden sich auch künftig von Region zu Region und von Land zu Land.“
Ladeinfrastruktur muss wachsen
In Europa dominierten bei den Neuzulassungen in Norwegen und den Niederlanden schon heute batterieelektrische Antriebe, während in anderen EU-Staaten nicht einmal ansatzweise eine Ladeinfrastruktur existiere, erklärte Zipse. In den USA bleibe Kalifornien Vorreiter für Elektromobilität, während in anderen Bundesstaaten weiterhin der Verbrenner gefragt sei. Und in Asien sähen etwa Japan und Südkorea Potenzial im Brennstoffzellen-Antrieb, China forciere die E-Mobilität.
Auch synthetische Kraftstoffe könnten in bestimmten Regionen eine Option sein, glaubt Zipse. Neben dem Elektroantrieb werde perspektivisch die Wasserstoff-Technologie an Bedeutung gewinnen, nicht nur bei Nutzfahrzeugen. Das BMW-Management werde immer wieder auf ein Datum für den vollständigen Umstieg auf rein elektrische Antriebe angesprochen. „Um es klar und präzise auf den Punkt zu bringen: Wo der Einsatz von batterie-elektrischen Antrieben sinnvoll und möglich ist, eben weil die Rahmenbedingungen stimmen, dort setzen wir zu 100 Prozent auf BEVs (Battery Electric Vehicles/Batterie-Elektrofahrzeuge)“, so Zipse. Er verwies auf den Beschluss, dass die britische Tochter MINI ab Anfang der 2030er-Jahre eine reine Elektroauto-Marke sein soll.
Eine Durchdringung der Märkte mit E-Mobilität sei kein Thema mehr vonseiten des Fahrzeug-Angebots. Sie hänge vielmehr davon ab, wie schnell die Ladeinfrastruktur ausgebaut wird, sagte Zipse. BMW engagiere sich mit ersten Projekten selbst in diesem Bereich, die Infrastruktur müsse aber in allen 27 EU-Staaten schneller vorankommen.
Neue E-Generation in Arbeit
2023 werde BMW in fast jedem seiner Fahrzeugsegmente mindestens ein Elektroauto haben. Insgesamt wolle der Konzern in den nächsten rund zehn Jahren etwa zehn Millionen vollelektrische Fahrzeuge auf den Markt bringen, unterstrich Zipse. „2025 – das sind nur noch vier Jahre – starten wir mit der Neuen Klasse. Mit diesem völlig neuen Produktangebot antworten wir auf die hoch komplexen Anforderungen der nächsten Jahrzehnte.“ Die entwickelte neue Fahrzeugarchitektur sei „kompromisslos elektrisch“, egal ob mit Batterie oder Wasserstoff“. Hinzu komme eine neue IT- und Software-Architektur sowie eine neu entwickelte elektrische Antriebs- und Batteriegeneration.
„Für mich ist all das Ausdruck einer klaren Zukunftsorientierung und damit das Gegenteil von fossil oder etabliert. Diese kleine Replik zur Meinung einiger Auto-Experten muss erlaubt sein“, so Zipse.
BMW hat mit dem Kleinwagen i3 früh ein Elektroauto auf den Markt gebracht, sich dann aber auf teilelektrische Versionen bestehender Modellreihen konzentriert. Ab diesem Jahr kommen weitere reine Stromer der Kernmarke zu den Händlern, auch MINI arbeitet an neuen E-Pkw neben dem Voll-Stromer Cooper SE und einem Plug-in-Hybridmodell. „Wie erwartet, kaufen unsere Kunden gerade jetzt deutlich mehr elektrifizierte Fahrzeuge. Im ersten Halbjahr stieg unser Absatz um nahezu 150 Prozent. In unserem Heimatmarkt Deutschland liefern wir bereits fast jeden vierten BMW und rund 30 Prozent aller MINIs mit einem elektrischen Antrieb aus“, berichtete Zipse.
Bis Ende dieses Jahres wolle der Konzern insgesamt eine Million vollelektrische und Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge auf der Straße haben, 2025 dann zwei Millionen reine E-Fahrzeuge. Bis dahin solle der Elektroauto-Absatz im Vergleich zu 2020 verzehnfacht werden. Auf die neue Batterie-Version des Kompakt-SUV X3, den iX3, folgen in diesem Jahr das als Technologieträger konzipierte SUV iX und das Gran Coupé i4. Bei beiden übertreffe der hohe Auftragsbestand die Erwartungen, freute sich der BMW-Chef. Das geplante Jahresvolumen vom iX sei in Europa schon größtenteils ausverkauft. In den nächsten zwei Jahren folgten vollelektrische Versionen von BMW 7er, X1 und 5er.
alupo meint
Sehr viele Worte von Zipse.
Das einzige was zählt ist aber, ab wann der letzte Auspuff-BMW das Werk verläßt.
Und auch ein Pluginhybrid geht eben nur mit Auspuff und da kommt auch nicht nur CO2 heraus, sondern ein vielfältiger Giftcocktail (das wird in letzter Zeit gerne vergessen). Plus jede Menge Lärm, insbesondere durch die Sportauspuff-Assis.
Matthes meint
Beim Kleingedruckten hat er recht. Solange es Märkte auf der Welt gibt, in denen man profitabel Verbrenner verkaufen kann, werden auch Daimler und VW dort aktiv bleiben. Da braucht man sich nichts vormachen. Der einzige Unterschied ist, dass BMW sich aufgrund von Klatten/Quandt nicht ständig so krass am Finanzmarkt einschleimen muss, um irgendwelche Kurse zu befeuern.
Hacky meint
BMW betreibt reine Gewinnmaximierung. Am Ende wird BMW an irgend einen Hedgefond oder Wettbewerber verkauft, der Fertigungkapazität benötigt oder das Unternehmen ausschlachtet.
Ich habe das gleiche vor 30 Jahren in der Computerindustrie bei diversen Herstellern erlebt. Eine Überlebensstrategie war nicht mehr realistisch. Die Transformation von einer Lokomotivenfabrik zu einem Müsli-Hersteller ist halt ein weiter Weg.
Längsdenker meint
Die Petrol-Head-Gemeinde ist riesig und wird zu einer BMW-Fangruppe mutieren, denn diese Fans sehen BMW als ihre einzig verlässliche Ikone. Deshalb führt diese BMW-Politik voraussichtlich zu einer Gewinnmaximierung durch Verbrenner.
Wie es mit E richtig geht, das weiß BMW und wenn Verbrenner nicht mehr zulässig sind kann man mit Markentreue rechnen und das parallel entwickelte E-Programm liefern.
Flo meint
Leider richtig, BMW spielt auf Zeit. Allerdings könnte die Entwicklung schneller gehen als BMW hofft bzw. lobbyiert.
Stdwanze meint
Wenn ein Technologie Konzern (das sind Automobilhersteller nun Mal) seine Zukunftsorientiertheit bezeugen muss ist richtig was im argen. Peinlich.
Shullbit meint
Naja ganz viel Geschwurbel und eben keine konkreten Zeile, auch wenn Zipse das für BMW in Anspruch nimmt. Zumindest bisher hieß es, dass auch die neue Plattform ab 2025 auch weiter Verbrenner/Hybride unterstützen wird und eben gerade nicht kompromisslos elektrisch ist. Aber die Marketingabteilungen sind ja kreativ. Am besten ist immer, wenn davon die Rede ist, das ab Zeitpunkt X nur noch 100% elektrifizierte Fahrzeuge verkauft werden sollen. Kling ganz toll. Das schließt aber Voll- und Pluginhybride ein, erstere gern mit elektrischen Reichweiten von 1-5 km. Im Endefekkt bedeutet es, das ab Zeitpunkt X immer noch die Mehrheit der Fahrzeuge einen Verbrennungsmotor haben soll.
BMW ist leider ein totaler Bremser. Mit dem i3 war man einst vorn, um dann weit zurück zu fallen. Im Prinzip das gleiche Schema wie bei Toyota. Die waren Vorreiter bei Hybriden, was damals im Vergleich zu reinen Verbrennern eine gute Technik war. Nur ist sie das heute im Vergleich zu E-Autos nicht mehr. Die New York Times hatte auch gerade einen ausführlichen Artikel, was für ein dreckiges Spiel Toyota betreibt. Offiziell ist man natürlich total für Umweltschutz und hat nichts gegen E-Autos. Tatsächlich hat Toyota gemeinsame Sache mit Trump gemacht und lobbyiert überall mit riesigem Aufwand gegen schärfere Abgasnormen. Dabei werden auch viele der reaktionärsten Republikaner unterstützt. Toyota ist der größte Unternehmensspender an republikanische Kongressabgeordnete, die Bidens Wahlsieg nicht anerkennen – darunter auch zig Klimawandelleugner. Als Toyota um Stellungnahme gebeten wurde, warum sie an Klimawandelleugner spenden: „Andere machen das auch“. Glaubwürdigkeit: null.
Und BMW ist leider auch auf dem Weg dahin, wenn sie auch den Unsinn erzählen, dass wir nicht genug Ladesäulen haben.
Matthes meint
„Zumindest bisher hieß es, dass auch die neue Plattform ab 2025 auch weiter Verbrenner/Hybride unterstützen wird und eben gerade nicht kompromisslos elektrisch ist.“
Es ist aber ein großer Unterschied, ob ich das Auto bei der Konstruktion als BEV denke oder als Verbrenner. Der i3 wurde als BEV entwickelt und nutzt sämtliche Konstrunktionsvorteile. Platz für einen 3 oder 4 Zylinder kann man nachträglich immer schaffen (siehe Range Extender), indem man den Innenraum etwas beschneidet. Am Ende hat nur der eine Einschränkung, der einen kleinen Verbrennungsmotor mit sich rumfahren möchte, weil er zB auf einen Frunk verzichten muss. Sehe in dieser Strategie keinen nennenswerten Nachteil. Einen kleinen 4 Zylinder kann man auch in jeden Tesla einbauen, wenn man den Frunk wegspart.
Mit dem i4 und iX3 kann man das nicht vergleichen. Die haben eben Platz für längs eingebaute 6 Zylinder Motoren und Antriebswellen, um die Hinterräder anzutreiben. Nichts davon wird es bei der neuen Platform geben. Die Hinterachse ist standardmäßig elektrisch, wenn ich das richtig verstanden habe.
Yogi meint
Was hat denn nun BMW konkret unternommen/investiert bei solch blumigen Worten?
Bei synthetischen Kraftstoffvernichtungsmaschinen verdiene ich ja gerade als BMW 99% meines Geldes: wieviel 100 Millionen sind da investiert in Sunfire o.ä.? Wieviel Milliarden Liter denkt BMW 2030 produzieren zu können? Oder welche Partner bieten das in 10 Jahren an? Wie wird die Verteilung organisiert?
Peter W meint
Ich kann Herrn Zipse durchaus verstehen. Aus Sicht eines Premium-Herstellers ist der Verbrenner noch lange nicht tot, vor allem auch weil man mit dem Plug-In die ganze Sache schön sauber rechnen kann. Derzeit sind die allermeisten Kunden immer noch auf den Verbrenner fixiert, weil er so schön röhrt wenn man aufs Pedal tritt.
Das Argument, dass die Herstellung CO2 neutral werden soll, ist aber auch ein Teil dieser Schönrechnerei. Man könnte auch ein Kohlekraftwerk CO2-neutral bauen, und man könnte es auch mit afrikanischem Buschholz befeuern. Es bleibt eine Dreck- und CO2-Schleuder. Ein 6-Zylinder-SUV-Plug-In ist und bleibt ein Umweltverschmutzer da kann man rechnen wie man will. Der Traum vom CO2-neutralen Sprit und vom Wasserstoff für den Individualverkehr wird ein Traum bleiben weil zu teuer und zu energieintensiv.
Ohne konkrete politische Vorgaben werden wir nichts erreichen.
David meint
Ich kann ihn nicht verstehen. Es muss ihm doch langsam der Hut brennen, wenn er sieht, was bei VW und Mercedes für Vorbereitungen laufen. So eine effiziente Produktion mit echten Skaleneffekten muss Jahre vorher designed, getestet und vorbereitet werden.
Was macht BMW? Baut jede Modellreihe als Verbrenner, als Hybrid und als Elektroauto auf derselben Basis. Das bedeutet, wenig Skaleneffekte bei hohen Stückzahlen der Elektroversion. Jetzt und nächstes Jahr ist das kein Problem. Aber 2025, wenn die Firmenwagen langsam elektrisch werden.
Dann ist es wie beim e-up, wo man ohne CO2-Bonus 5k Miese pro Auto macht. Aber der e-up ist jetzt auf dem Markt und da gibt es einen doppelt so hohen CO2-Bonus. Jetzt rechnet sich das also unterm Strich. 2025 ist so eine Produktion der Anfang vom Ende.
Das war ja sogar Tesla irgendwann aufgefallen, dass das Produktionsdesign die Kosten bestimmt. Haben nachträglich in irre große Gussmaschinen investiert, weil 70 Teile zusammenzuschweißen dauert. Auch wenn es ein Roboter macht. Das hatte Musk lange nicht kapiert. Aber Zipse müsste das wissen.
BMW225XE Fahrer meint
Ich vermute (bzw. hoffe als Aktionär), dass man abseits der offiziellen Ankündigungen einen Plan B in der Hinterhand hat, um den Rollout der Eletromodell beschleunigen zu können bzw bei der „Neuen Klasse“ sich die Option auf die Modifikation zu einer reinen BEV offen zu halten (auch wenn durch die Entwicklungszeit ein paar negative Relikte bleiben könnten).
Ich sehe zumindest die Chance, dass BMW schnell aufholen kann, da sie im Gegensatz zu den meisten Herstellern eine recht lange Erfahrung mit der grundsätzlichen Technik haben.
alupo meint
Kein anderer Hersteller kann so rießige Gussmaschinen verwenden. Sie müssen, ob sie wollen oder nicht, alle ihre Modelle aus Dutzenden Kleinteilen zusammentackern. Aber es fehlen nicht nur an diese Maschinen deren Produktion bei IDRA und dessen Eigentümer in China durch Tesla bis auf weiteres ausgebucht ist.
Es gibt offensichtlich Patentschutz auf diese Legierung, was mich zwar etwas überraschte, aber…. Ich hatte kürzlich das dazugehörige Patent für die Legierung gesehen ohne diese ein Gigacasting gar nicht möglich ist, zumindest nicht wirtschaftlich möglich ist.