Die Marktforscher von Prognos und der Umweltverband Transport & Environment (T&E) haben zum Start der Koalitionsverhandlungen in Deutschland eine Studie zur Dekarbonisierung des Verkehrs veröffentlicht. Das Land kann sein Klimaschutzziel demnach nur mit einem ambitionierten Instrumentenmix sozial gerecht erreichen.
Mit dem vorgeschlagenen Maßnahmenbündel werde sichergestellt, dass bereits vor 2025 der Großteil der Pkw-Neuzulassungen und 2030 über 90 Prozent elektrisch sind, so die Autoren. Dies sei besser, als sich nur auf den CO2-Preis zu stützen, der Autofahrer mit geringem Einkommen sehr belasten würde, oder auf Lösungen wie E-Fuels zu vertrauen, die nicht rechtzeitig und im erforderlichen Umfang eingesetzt werden können.
„Bis jetzt lassen die Koalitionsgespräche keine Dringlichkeit und konkrete Vorschläge für die Dekarbonisierung des Verkehrs erkennen. Es besteht ein reales Risiko, dass Deutschland in einer Regierungskoalition mit den Grünen seine Klimaziele verfehlt“, so Jekaterina Boening, Bereichsleiterin Energie, Klima, Kraftstoffe bei T&E Deutschland. „Wenn die richtigen Maßnahmen jetzt nicht umgesetzt werden, muss sich die Regierung auf einen hohen CO2-Preis verlassen, der einkommensschwache Familien sehr belasten würde.“
Der Studie zufolge müssen Elektroautos bis 2025 über 60 Prozent der Neuzulassungen ausmachen und 92 Prozent im Jahr 2030, wenn die Regierung ihr Klimaziel erreichen soll. Um dies sozial gerecht zu realisieren, müssen Elektrofahrzeuge erschwinglich und Verbrenner teurer werden. Die zwei besten Instrumente hierfür laut der Studie: Ehrgeizige Flottengrenzwerte für Neuwagen auf europäischer Ebene, die dafür sorgen, dass die Hersteller Elektrofahrzeuge im großen Stil produzieren. Zweitens sollte Deutschland Elektrofahrzeuge als Firmenwagen priorisieren, die heute 63 Prozent der Neuzulassungen ausmachen. Die Elektrifizierung der Dienstwagen soll den Hochlauf von Elektrofahrzeugen beschleunigen, da Firmen ihre Fahrzeuge regelmäßig austauschen und so Millionen von bezahlbaren Elektro-Gebrauchtwagen auf den Markt gelangen.
„Die Ampel-Verhandlungen sollten sich auf jene Maßnahmen konzentrieren, die am meisten CO2-Einsparungen bringen und gleichzeitig sozial gerecht sind. Eine dringend notwendige Reform der Dienstwagensteuer und strengere EU-Flottengrenzwerte würden die Produktion von E-Autos ankurbeln, die Preise senken und einen Markt für erschwingliche Elektro-Gebrauchtwagen schaffen“, sagt Stef Cornelis, Direktor T&E Deutschland.
Günstige E-Fahrzeuge reichen nicht
Günstige Elektrofahrzeuge allein reichen den Analysten zufolge nicht, um Deutschlands Verkehrssektor rechtzeitig zu dekarbonisieren. Die neue Regierung werde auch eine neue Zulassungssteuer und emissionsfreie Zonen in Städten einführen, die Kfz-Steuer reformieren und umfangreich in den Schienenverkehr und öffentlichen Nahverkehr investieren müssen, um einerseits die Nachfrage nach Verbrennern und andererseits generell den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren.
Einige Politiker haben angeregt, die Dekarbonisierung des Straßenverkehrs allein über den CO2-Preis zu realisieren. Doch dazu wäre ein Preis von 450 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2030 nötig, der für einkommensschwache Bürger in Deutschland unbezahlbar wäre, so Prognos und T&E. Wenn jemand heute ein Auto besitze, es sich aber nicht leisten könne, in den nächsten zehn Jahren ein neues Fahrzeug anzuschaffen, müsste er schnell steigende Benzinpreise von 2,05 Euro im Jahr 2025 und 2,50 Euro im Jahr 2030 verkraften.
Das kürzlich veröffentlichte Ampel-Sondierungspapier suggeriere, dass Autos mithilfe von synthetischen Kraftstoffen („E-Fuels“) dekarbonisiert werden können, heißt es weiter. Die Studie zeige jedoch, dass sogar im Fall einer extrem ambitionierten Skalierung der E-Fuel-Produktion die Kapazität der E-Fuels nur ausreichen würde, um maximal vier Prozent der heutigen Fahrzeugflotte anzutreiben. E-Fuels seien viermal weniger effizient als batterieelektrische Autos. Mit derselben Menge erneuerbarer Energie könnten entweder zwei Millionen E-Fuel-Autos oder 8,4 Millionen Elektroautos betrieben werden.
„Die Koalitionsverhandler dürfen die Realität nicht ignorieren. Die Automobilindustrie investiert Milliarden in E-Mobilität, nicht in E-Fuels. Sie haben längst begriffen, dass E-Fuels keine ernstzunehmende Option für den Straßenverkehr sind“, sagt Cornelis. „Die nächste Bundesregierung muss Investitionssicherheit schaffen und sich deshalb klar zur Elektromobilität bekennen.“ E-Fuels und auch Wasserstoff sollen laut T&E nur da gefördert werden, wo es keine Alternativen gibt: im Luft- und Seeverkehr sowie in der Schwerindustrie.
South meint
… E Fuels und Wasserstoff sind für Autos schlicht eine Verschwendung. E Fuels und H haben unbestritten einen viel höheren insgesamten Energieverbrauch als bei Direktverbrauch des Stroms. Es gibt also nur Sinn wenn wir übermäßig viel nachhaltigen Strom überschüssig hätten und selbst dann wäre der Überschuss in anderen Bereichen wo ein Direktstromverbrauch kaum oder ineffizient möglich ist VIEL sinnvoller. Schiffe, Flugzeuge, Schwerindustrie… . Da sind wir bestimmt nicht auf mittlere Sicht. Ein Import aus anderen Länder ist nicht trivial. Deshalb ist ja auch Desert Tec gescheitert… Aber klar. Wenn wir mal einen totalen Überschuss an unschlagbar günstige Energie kriegen sollten…aber da stehen wir noch laaannggeee nicht…
NiLa meint
Und noch mal: für e-fuel-Großprojekte errichten die Verantwortlichen üblicherweise eigene Wind- und/oder Solarparks. Damit stellt sich die Frage nach Überschussstrom oder Effizienz nicht. Wenn Investoren Geld in die Hand nehmen, um mit eigenem Strom einen klimaschonenden Kraftstoff zu produzieren, müssen sie sich nicht dafür rechtfertigen, dass der Strom an anderer Stelle effizienter eingesetzt werden könnte.
NiLa meint
Wenn wir also saubere Energie für 8,4 Millionen BEV (warum genau diese Anzahl?) bereitstellen und noch mal die gleiche Menge in e-fuels importieren, fahren 10,4 Millionen Autos klimaneutral, statt 8,4.
Immerhin räumt die Studie mit der alten Erzählung auf, e-fuels würden 8, 10, 15x so viel Energie benötigen wie ein vergleichbares BEV. EINE Erkenntnis hat sie also doch geliefert.
Was genau die Autoren bezwecken wollen bleibt ungeklärt. Sie sprechen zwar von Neuzulassungen, e-fuels richten sich aber v.a. an den Bestand. Die Handvoll neuer Sportwagen, die damit betrieben werden sollen, fallen nicht ins Gewicht. Naja, halt wieder nur ein Propagandapamphlet, wie man es von T&E zu Genüge kennt.
Mäx meint
Also entweder verstehe ich dich nicht, oder du hast da was nicht ganz verstanden.
Die Ausgangsbasis war doch 2 Mio. Verbrenner mit e-fuels verbrauchen so viel Energie wie 8,4 Mio. BEV. Der Faktor von BEV zu e-fuels von ca. 4 hat T&E wohl ausgerechnet (hab mir die Studie selber noch nicht durchgelesen).
Woher kommt nun die Frage warum genau diese Anzahl?
Was du mit deinem nächsten Einwand sagen willst erschließt sich mir auch gar nicht.
Ja wenn wir Energie in e-fuels importieren, dann fahren mehr Autos klimaneutral…soweit so trivial.
Wenn wir aber die gleiche Menge in Strom importieren fahren eben 4x mehr Autos klimaneutral…wo ist dein Punkt hier?
E-fuels richten sich vielleicht an den Bestand….aber auch der wird ja immer mehr ausgetauscht…und dann optimalerweise mit BEVs.
Oder fahren ab jetzt alle Ihre für immer? Das Durchschnittsalter des Fahrzeugbestand beträgt <10 Jahre. Also wenn jetzt Verbrenner dann durchschnittlich 10 Jahre bei uns im Betrieb.
Wenn denn e-fuels endlich Preisparität mit fossilen Brennstoffen erreicht haben, könnte man vermutlich bereits den allergrößten Teil des Bestands auf BEV umgestellt haben…warum dann wieder mehr Energie aufwenden.
Alles in allem stellst du es als Propagandapamphlet dar, aber bei der einen Erkenntnis zu den e-fuels ist die Studie dann wieder gut…naja immer wie man es braucht.
NiLa meint
OK, die 2 Millionen beziehen sich auf die angeblich nur 4%, die 2030 mit e-fuels betrieben werden könnten. War mir zuerst nicht klar.
Woher möchten Sie denn die gleiche Menge Strom importieren? Chile, Grönland, der Nahe Osten sind halt prädestiniert, um Strom möglichst effizient zu produzieren.
Das Durchschnittsalter ist ziemlich egal, solange gut ein Viertel des Bestandes 15+ Jahre alt ist. Wenn wir dieses Viertel mit e-fuels und/oder Biokraftstoffen aus Reststoffen betreiben würden, wäre doch schon viel gewonnen, oder?
Es geht nicht darum, die Elektromobilität zu ersetzen, sondern sie zu ergänzen. Das würde auch etwas den Druck beim Ausbau der Ladeinfrastruktur verringern.
Und ja, es geht auch um unternehmerische Freiheit, ebenso wie um die Bedürfnisse von Old- und Youngtimerfahrern. Das mögen Sie als Verschwendung ansehen, aber ich bin sicher, auch unter Ihren Vorlieben findet sich etwas, das Objektiv betrachtet Verschwendung ist. Bei aller Notwendigkeit, Klimaschutz voranzutreiben, sollten wir nicht alles über Bord werfen, was Millionen Menschen Freude bereitet.
Mäx meint
Nach meiner Recherche sind es nur 20%, die 15+ Jahre sind.
Macht aber am Ende nicht so viel aus. Oder du hast den Bestand schon etwas hochgerechnet.
Am Ende muss dies ja mit genau solchen Stoffen betrieben werden…da bin ich ja bei dir.
Genau da liegt ja auch das Problem mit den e-fuels.
Auf dem Papier ist das ne super Sache, wenn man eben die gebrauchte Energiemenge ausblendet.
Landläufig wird eben häufig gedacht, dass e-fuels die beste Lösung darstellt und ich somit mein eigenes Verhalten nicht ändern muss.
Ist ja auch schön bequem. Und man wartet einfach auf e-fuels und bis dahin weitermachen wie gewohnt, schön weiter Verbrenner kaufen. Dann muss ich auf einmal feststellen, dass e-fuels sehr teuer sind und BEV deutlich günstiger und steige dann doch in z.B. 10 Jahren um.
Allerdings hätte diese Person schon deutlich länger klimafreundlicher unterwegs sein können.
Ich bin bisher immer noch der Meinung, dass man vermutlich alle Lösungen benötigt, von Batterie über Wasserstoff und e-fuels.
Der Einsatzzweck lautet dabei aber nicht überall PKW, sondern es sollte da eingesetzt werden, wo es sinnvoll substituiert werden kann.
Bisher ist das:
Individualverkehr PKW -> BEV
Verteilerverkehr LKW -> BEV
LKW Langstrecke -> Wasserstoff/e-fuels/BEV abhängig von Einsatzzweck, und zukünftiger Entwicklung, da bin ich recht unsicher
Saisonale Speicher, Industrie -> Wasserstoff
Wärmesektor -> Wasserstoff (direkt oder Synthese-Gas), Strom (WP usw.)
Flugverkehr -> Hybrid aus BEV und Wasserstoff für Kurzstrecke (falls nicht sowieso eingestellt) und e-fuels für Langstrecke
Schiene -> Hybrid aus BEV und Wasserstoff sowie Stromabnehmer
Schiffe -> Hybrid aus BEV und Wasserstoff für Kurzstrecken, e-fuels für die Langstrecken
Kann sich natürlich alles verschieben anhand von Entwicklungen, aber glaube da wird deutlich wie viel Wasserstoff benötigt wird und wie viel Strom dabei drauf geht.
Kasch meint
Och, Scholz sagte ja, er haut ein unüberlegtes Gesetz nach dem Anderen raus. Damit sind wir industriell in 4 Jahren ohnehin so schach matt, dass wir alle auf Baumwuzeln rumkauen. Klima gerettet und Alle gleichberechtigt. ????
Allstar meint
Troll Troll guter, wünsch Dir nen Bruder.