Öffentliche Ladesäulen sollen transparent und einheitlich Strom nach Kilowattstunden (kWh) an Elektroautos abgeben. Sicherstellen soll das das deutsche Mess- und Eichgesetz (MessEG). Dessen Vorgaben sollten Strom-Tankstellen schon länger gerecht werden, viele öffentliche Schnellladesäulen sind aber weiter illegal in Betrieb. Das wird wohl noch eine Weile so bleiben.
„Derzeit überwiegt nach unserer Auffassung das Interesse der Allgemeinheit an vorhandener Ladeinfrastruktur gegenüber der Gefahr, dass es aufgrund nicht eichrechtskonformer Messungen zu Vertrauensverlusten bezüglich der Abrechnung kommen könnte“, teilte die Arbeitsgemeinschaft Mess- und Eichwesen (AGME) auf Anfrage des Portals Golem.de mit. Die AGME ist das Koordinierungsorgan der Eichaufsichtsbehörden der 16 Bundesländer.
Dass die Eichbehörden den Betrieb nicht eichrechtskonformer Ladesäulen in Deutschland weiterhin für vertretbar halten, wird mit der eingeschränkten Verfügbarkeit von geeigneter Gleichstrommesstechnik begründet. Daran sei auch die Corona-Krise und der weltweite Halbleitermangel schuld. Allerdings ist schon seit Jahren bekannt, dass die hiesigen Ladesäulen eichrechtskomform arbeiten sollen. So hatte die AGME im November 2017 ein Infoblatt veröffentlicht, wonach die nicht eichrechtskonforme Abrechnung bei Schnellladern nur noch bis März 2019 toleriert wird. Dazu erklärte die Behörde nun, dass damals die E-Mobilität noch ein kleiner, in der Entwicklung befindlicher Markt gewesen sei. Dies habe sich jedoch um 2019 herum geändert. Deshalb hätten die Eichbehörden mit Ablauf der Regelungen aus dem Infoblatt „die Vorgehensweise dahingehend geändert, die Fälle individuell zu behandeln und von pauschalen Regelungen abzusehen“.
Eine Frage der Verhältnismäßigkeit
Es sei davon auszugehen, dass weiterhin viele Gleichstromsäulen noch nicht eichrechtskonform betrieben werden, da nach wie vor „nur sehr wenige“ eichrechtskonforme Gleichstromschnellladesäulen auf dem Markt verfügbar seien, so die AGME. Bei der Frage, ob eine nicht konforme Ladesäule stillgelegt wird, seien die Behörden an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. „Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich die allermeisten noch nicht eichrechtskonformen Ladesäulen von eichrechtskonformen Ladesäulen eher dadurch unterscheiden, dass zusätzliche Funktionen, die über die Messrichtigkeit hinausgehen, noch nicht konformitätsbewertet werden konnten“, so die AGME.
Eine sofortige Untersagung sei „nach unserer Auffassung zurzeit nicht angemessen und würde somit den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht erfüllen“, erklärte die AGME. Die Eichbehörden gehen davon aus, „dass diese Abwägung mit zunehmender Marktverfügbarkeit von eichrechtskonformen Ladesäulen anders ausfällt“. Eine konkrete Frist für die Umrüstung wurde den Ladenetzbetreibern jedoch nicht gesetzt. Den Firmen bleiben damit hohe Bußgelder oder gar die Stilllegung von Ladesäulen erspart.
Vor allem bei Schnellladesäulen war die Technik anders als bei Normalladesäulen in den letzten Jahren noch nicht so weit. Einem Bericht des Handelsblatts vom September 2021 zufolge haben erst vier Anbieter eichrechtskonforme Schnelllader im Angebot. Die Kosten für die Umrüstung auf die mittlerweile verfügbaren Lösungen gehen für die Betreiber in die Millionen. Je nach Hersteller entstehen laut Berichten Kosten von bis zu 6000 Euro pro besonders schnellem DC-Gerät, bei langsameren AC-Ladesäulen sind es etwa 500 Euro. Teilweise müssen Ladesäulen auch komplett ausgewechselt werden.
C-Zero meint
Das deutsche Eichrecht ist völlig antiquiert und muss dringend reformiert werden! Ich sehe das z.B. auch in einem ganz anderen Bereich: Alle 6 Jahre müsste ich die Wärmemengenzähler meiner Heizung „nacheichen“ lassen. „Nacheichen“ heißt aber de facto: Austausch! Macht knapp 200 € pro Zähler. So geht’s nicht!
Mir kann niemand erzählen, dass es im 21. Jahrhundert technisch nicht möglich sein sollte, den Energiebezug an einer Ladesäule korrekt zu erfassen.
Vielleicht sollte Deutschland einfach mal schauen, wie es der Rest der Welt macht.
ze4you meint
Der Franke würde sagen: Allmächd na, habts ihr ka andre Sorgn. Mir geht die Eichrechtskonformität aber sowas am Sitzfleisch vorbei, solange die Geräte das tun, was von ihnen getan werden muss. Wir brauchen die 99,9prozentige Sicherheit, dass die HPC’s einwandfrei funktionieren. Außerdem muss entlang der Autobahnen endlich an jedem Rasthof mindestens ein Quartett an HPC’s installiert werden. Die immer noch vorhandenen Singles, wie z. B. Höhenrain Richtung GAP, werden in Kürze zum Problem bzw. spürbaren Engpaß werden. Das Eichrecht scheint mir im Falle von zu wenigen oder nicht funktionierenden HPC’s nicht das allerwichtigste Problem zu sein.
stdwanze meint
Der Weltmartk für Lader ist riesig, welches Gewicht haben da um die par tsd die man in Dt. Eichrechtskonform ausrüsten soll.
Meine Prognose: Wird nie durchgesetzt.
Matze meint
Der Standard eines Landes muss sich ja nicht weltweit Standard werden.
UK hat ja auch eigene Stecker.
alupo meint
Das ist richtig.
Es soll sich aber nachher niemand beschweren wenn bei uns die kWh dann eben etwas teurer sein muss als anderswo.
Mich würde einmal interessieren, um wieviel eigentlich eine nicht konforme DC Ladesäule durchschnittlich falsch liegt. Mir fehlen die zur Einordnung des Problems wichtigsten Daten. Insofern erscheint mur das eher als eine deutsche Prinzipienreiterei.
Mein Multimeter zeigt auf jeden Fall die Watt (also Ampere mal Volt bei DC) auch bei 400 V noch im Milivoltbereich genau an. Ok, war damals eines der teuereren von Gossen, das auch vom Hersteller kalibriert und mit Messkurven verkauft wurde (ich brauchte so ein genaues Messgerät um beim RIAA-MovingCoil Vorverstärker die Frequenzgangskorrektur richtig hinzubekommen, denn ich verwende beide Spulenanschlüsse des Tonabnehmers und gebe sie direkt an den Differenzverstärkereingang. Und daher werden, weil es dann keine Masse mehr geben kann, auch unterschiedliche Frequenzgänge aus unterschiedlichen Werten für Widerstände und vor allem Kondensatoren im Entzerrglied mitverstärkt).
bensch meint
Unabhängig vom Inhalt – „Darum xyz“ als Überschrift ist BILD-Clickbait-Niveau.
Günter meint
Entfernt. Bitte bleiben Sie sachlich. Danke, die Redaktion.
Horst Krug meint
Das erinnert mich an einen Vermieter, der sein Haus, Mietshaus, mit Holz Pellets beheizt, und er hat gesagt, die normale Abrechnungsfirma für die Abrechnung würde mehr kosten als die ganze Heizung für das ganze Haus, ich jedenfalls habe es verstanden. Für den Elektrofahrer wird es mit Abstand das beste sein, Solarflächen auf das eigene Dach, und trinke nicht den teuren Café unterwegs
Leotronik meint
Die Messung der kWh dürfte da nicht das Problem sein. Was schwierig zu eichen ist ist die zertifizierte Verarbeitung der Daten bis zur Abrechnung und Bezahlung. Alle Schritte müssen manipulationssicher gespeichert werden. Der Rest der Erdkugel verlangt sowas nicht.
David meint
Ich finde es jedenfalls gut, dass man hier die Verhältnismäßigkeit ins Spiel bringt. Das kennt man in Deutschland gerne anders. Ich erinnere nur die Ertüchtigung von Küchen, wenn man Speisen anbieten will.
McGybrush meint
6000Eur die Eichtechtsko form umgelegt werden.
Ganz Ehrlich. Ich werd lieber mit einem Betrag von 15Eur beschissen der Real 14Eur kostet anstatt Eichrechtskonform 20Eur zu zahlen nur weil dort auch höhere kosten entstehen.
Am Ende sind die Abweichungen untereinander Aufaddiert eh da.
Und für das Vetrauen brauche ich kein Verein. Ich sehe doch was ich bezahle für wieviel Prozent Ladung.
Wenn ich 10Eur für 10%-90% Ladung zahle und woanders 11Eur dann brauche ich kein Geeichtes Gerät um
mich im Wettbewerb mit dem günstigsten Anbieter zurecht zu finden.
150kW meint
Die HPC Säulen kosten wohl um die 100.000€, da sind 6000€ zwar nicht nichts, aber wesentlich wird sich das nicht auswirken.
MichaelEV meint
Wie viel kosten denn HPC-Säulen wirklich, auf Kosteneffizienz getrimmt und in hohen Stückzahlen produziert? Da wird man sich wahrscheinlich sehr weit von 100.000 € wegbewegen.
Für einen Hersteller kursieren Zahlen, wo 6000€ Mehrkosten relativ glatt mal 30-50% ausmachen würden. Und das für eine manipulationssichere Speicherung, die zu 99,99999% sowieso nicht benötigt wird. Der „Betrug“ am Kunden ist durch diese Regulierung dann per se sehr viel größer als er durch den Betreiber je sein könnte. Tolle Sache!
DerMond meint
Die 6000 sind Umrüstkosten, wenn man das beim Neugerät einbaut ist es natürlich merklich weniger.
Aus jahrhundertelange Erfahrung wissen wir dass man den ehrenwerten Kaufleuten nicht ohne weiteres vertrauen kann und es klare und nachvollziehbare Regeln bei Mengenmessungen und Abrechnung geben muss.
MichaelEV meint
Und wie viel kostet es beim Neubau pro Ladepunkt?
Würde Betreiber X seine Kunden systematisch um 10% betrügen, was glauben sie, wie lange es dauern würde, bis das nachvollzogen und öffentlich wird.
Vielleicht ist das Problem ein ganz anderes: Bei uns ist der „Betrug“ am Kunden für große Unternehmen anscheinend nur eine Nichtigkeit und wird nicht wirksam bestrafft. Andersherum könnte man sich den Aufwand sparen, mit allen Mitteln vor dem Betrug schützen zu müssen.
Jeder mit gesundem Menschenverstand muss doch bestätigen können, dass wenn der Schutz vor einem möglichen Betrug dem Kunden mehr Schaden zufügt als ein möglicher Betrug selbst, dann ist dieser Schutz einfach nur purer Schwachsinn.
andi_nün meint
„Die HPC Säulen kosten wohl um die 100.000€, da sind 6000€ zwar nicht nichts, aber wesentlich wird sich das nicht auswirken.“
Wer HPC Säulen um 100k netto kauft, hat sich von einem Lieferanten ziemlich abzocken lassen. Nicht mal die Hälfte davon kostet das und ein Hersteller mit eigenem Netz zahlt nicht mal ein zehntel davon.
Egon Meier meint
das lammst du belegen oder ist das Deine Meinung?
David meint
Man kann das im Internet nachschauen, denn ABB HPC Lader sind online zu kaufen. Eine Terra HPC Schnellladestation kostet 22.500€. Leider braucht man zum Betrieb zusätzlich das ABB HC Power Cabinet 175 kW kostet 49k, für 350 kW brauchst du zwei, also 98k. Macht dann 120.500k für die Hardware eines 350 kW Laders. Aber nur die Säule muss ertüchtigt werden. Und das sind Endkundenpreise mit MwSt. als Einzelpreis. Da ist sicher guter Rabatt drin.
MichaelEV meint
Was macht der HPC Ladepunkt ohne Power Cabinet denn für einen Sinn? Stellt man sich den als Einrichtungsgegenstand ins Wohnzimmer? Zum Laden von Elektroautos taugt der auf jeden Fall nicht.
Ladepunkt und Power Cabinet gehören zusammen, so wie sie bei Alpitronic zum Beispiel auch per se eine Einheit darstellen.
Egon Meier meint
Das würde sich blitzartig ändern, wenn es zum umfangreichen Betrügereien an Ladesäulen zu Ungunsten der Kunden käme.
Da das ganze aber relativ transparent ist und wenige bekannte Player unterwegs sind ist die Gefahr wohl momentan gering.Also lässt man einfach mal ..
Es ist ein einfaches Beispiel dafür, dass der GEsetzgeber auch mal gerne über das Ziel hinausschießt und Dinge vorschreibt die einfach nicht oder nicht kurzfristig machbar sind.
Das sollte all denjenigen zu denken geben, die einfach vorschreiben wollen, morgen die Kohlekraftwerke abzustellen und übermorgen nur noch BEV zuzulassen.
Das ist so wie per Gesetz Krebs und Covit abzuschaffen.