Der Verband der Automobilindustrie VDA hat zum Jahresende seine Forderung nach einem schnelleren Ausbau der Ladeinfrastruktur wiederholt. Deutschland hänge bei der Verfügbarkeit von Strom-Tankstellen „extrem hinterher“, der VDA sieht dadurch den Hochlauf der E-Mobilität gefährdet. Der Dachverband der Energiewirtschaft (BDEW) widerspricht der Autobauerlobby.
„Vom Stadium der Ladeinfrastruktur als einer Vorleistung für die Elektromobilität kommen wir gerade sehr schnell in einen intensiven Wettbewerb um Kunden und Marktanteile“, sagte BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Dank der „klaren Aussage“ der neuen Bundesregierung wüssten alle Unternehmen, dass die E-Mobilität kommt. Entsprechend würden sie auch investieren wollen.
Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat das Ziel, dass bis 2030 mindestens 15 Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen unterwegs sind. Anfang des Jahres waren es laut Kraftfahrt-Bundesamt erst 309.000. Die Neuzulassungen von reinen Stromern sowie Plug-in-Hybridfahrzeugen sind 2021 weiter deutlich gestiegen, auch wegen erhöhter staatlicher Kaufprämien.
Der VDA warnte im Dezember, dass für die erwartete Elektroauto-Nachfrage nicht genügend Ladeinfrastruktur zur Verfügung stehen wird. Um die Menge der E-Autos, die die Bundesregierung vorsieht, auch wirklich erreichen zu können, müssten pro Woche etwa 2000 neue öffentliche Ladepunkte installiert werden – tatsächlich seien es gerade mal 300. Das Tempo müsse sich also versiebenfachen. Außerdem sollte das Förderprogramm für den Einbau eines privaten Ladepunkts verlängert werden. Die Mittel für die Unterstützung sind erschöpft, bei der staatlichen Förderbank KfW können seit Oktober keine Anträge mehr gestellt werden.
Die neue Regierung hat angekündigt, den Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur „massiv“ zu beschleunigen. Im Koalitionsvertrag steht: „Der Ausbau der Ladeinfrastruktur muss dem Bedarf vorausgehen. Wir werden deshalb den vorauslaufenden Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur mit dem Ziel von einer Million öffentlich und diskriminierungsfrei zugänglichen Ladepunkten bis 2030 mit Schwerpunkt auf Schnellladeinfrastruktur ressortübergreifend beschleunigen.“
BDEW warnt vor Ladesäulen-Überangebot
Beim BDEW sieht man das Thema E-Auto-Laden anders als Politik und Autoindustrie. Laut Verbandschefin Andreae besteht beim Umsetzen der starren Zielvorgabe die Gefahr, „dass wir ein Überangebot erzeugen und viele Ladesäulen schlicht nicht genutzt werden“. Für die Kunden bedeute dies, dass die Anbieter nicht um sie konkurrieren und die besten Preise und den besten Service anstreben. Auch wisse heute niemand genau, wie die Automobilität im Jahr 2030 überhaupt aussehen werde. Davon hänge aber ab, welche Ladeinfrastruktur gebraucht werde. Deshalb könne das Ausbauziel für Ladeinfrastruktur „nur ein dynamisches Ziel sein“. Es sei wichtig, dass die verschiedenen Lösungsvorschläge im Markt erprobt werden.
Die richtige Strategie ist zwar noch strittig, die Ladeinfrastruktur in Deutschland wächst aber bereits kräftig. Die Bundesnetzagentur meldete kürzlich, dass die Zahl der bei der Behörde gemeldeten öffentlich zugänglichen Ladepunkte für E-Autos zum Stichtag 1. Dezember innerhalb eines Jahres um etwa 11.600 auf 50.901 gestiegen ist. Im Dezember 2019 seien es noch 28.671 gewesen. Nicht alle Ladestationen werden der Bundesnetzagentur gemeldet, tatsächlich gibt es hier daher schon mehr Strom-Tankstellen.
Die Sorge vor einer unzulänglichen Infrastruktur zur Versorgung mit Fahrstrom hält Andreae für unbegründet. Das liegt auch daran, dass der BDEW weniger Bedarf an öffentlichen Lademöglichkeiten als andere Marktakteure sieht. Wenn die Menschen ohnehin meist in der eigenen Garage oder am Arbeitsplatz laden möchten, müsse man Deutschland nicht mit einer Million öffentlichen Ladepunkten „zupflastern“. Und genau dieser Trend sei absehbar, das Förderprogramm der KfW unterstütze den Aufbau von mehr als 800.000 privater Wallboxen.
Wichtiger als starre Zielvorgaben sei für die Unternehmen Handlungsspielraum, um den Markt im Wettbewerb weiterzuentwickeln, so der BDEW. Sie bräuchten einen verlässlichen Rahmen, Unterstützung bei der Flächenbeschaffung und schlankere Genehmigungsverfahren statt engere Vorgaben. „Nur so schaffen wir einen effizienten Ausbau von Ladeinfrastruktur, der sich an den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden orientiert“, glaubt Andreae.
Peter W meint
Zitat: Für die Kunden bedeute dies, dass die Anbieter nicht um sie konkurrieren und die besten Preise und den besten Service anstreben.
Hier wird doch die Logik, dass ein Überangebot für mehr Konkurenz und sinkende Preise sorgt ab absurdum geführt. Es ist doch eher so, dass zu wenig Ladesäulen die Preise hoch treiben, weil der Kunde keine andere Wahl hat.
Meiner Meinung nach sind einfache Ladepunkte mit 3,5 kW auf öffentlichen Stellflächen in der Stadt am wichtigsten. Stadtbewohner ohne einenen Stellplatz sollten die Möglichkeit haben Nachts ohne Strafgebühr laden zu können. Ein „Laternenladepunkt“ kostet nicht viel, würde aber viele davon überzeugen, dass man jederzeit und im häuslichen Umfeld nachladen kann.