Der Verband der Europäischen Automobilhersteller (ACEA) fordert alle EU-Mitgliedstaaten auf, „dringend“ in die Infrastruktur für elektrisch aufladbare Autos, Lieferwagen, Lastwagen und Busse zu investieren.
Die Automobilindustrie bringe bereits Hunderte von Modellen emissionsarmer und lokal emissionsfreier Fahrzeuge auf den Markt, sei jedoch „sehr besorgt über den langsamen Aufbau der für das Aufladen dieser Fahrzeuge erforderlichen Infrastruktur. Der Absatz von elektrisch aufladbaren Fahrzeugen habe sich in den letzten fünf Jahren verzehnfacht und im vergangenen Jahr 1,7 Millionen Einheiten erreicht (18 % des Gesamtmarktes). Die Zahl der öffentlichen Ladestationen in der EU sei im gleichen Zeitraum um das Zweieinhalbfache gewachsen.
Der ACEA verweist auf eine Analyse der Unternehmensberatung McKinsey, nach der bis 2030 EU-weit bis zu 6,8 Millionen öffentliche Ladepunkte erforderlich sind, um die vorgeschlagene CO2-Reduzierung für Pkw um 55 Prozent zu erreichen. Diese Zahl sei fast doppelt so hoch wie die von der Europäischen Kommission in ihrem Vorschlag für eine Verordnung über die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (Alternative Fuels Infrastructure Regulation, AFIR) genannte Zahl, die derzeit verhandelt wird.
„Das bedeutet, dass EU-weit bis zu 14.000 öffentliche Ladepunkte für alle Fahrzeugsegmente pro Woche installiert werden müssten – im Vergleich zu weniger als 2000 pro Woche derzeit“, so der ACEA. „Die größte Herausforderung besteht nun darin, alle Mitgliedstaaten davon zu überzeugen, das Tempo beim Aufbau der erforderlichen Infrastruktur zu erhöhen. Wir brauchen unbedingt einen ehrgeizigen Abschluss des AFIR-Vorschlags, sowohl in Bezug auf den Zeitplan als auch auf die Zielvorgaben für die einzelnen EU-Länder“, sagte ACEA-Präsident und BMW-Chef Oliver Zipse.
„Enorme Umweltvorteile“
Anfänglich seien zwar erhebliche Investitionen erforderlich, diese machten aber nur einen Bruchteil der Gesamtinvestitionen in vergleichbare Infrastrukturprojekte aus – „und würden enorme Umweltvorteile bringen“, so der ACEA. Die von dem Verband herangezogene Analyse schätzt die jährlichen Kosten für die öffentliche Ladeinfrastruktur auf acht Milliarden Euro – das seien etwa 16 Prozent der Investitionen in 5G- und Hochgeschwindigkeits-Internetnetze, erklärte der ACEA.
Die für die Ladeinfrastruktur von Schwerlastfahrzeugen benötigten Standorte, Flächen und Leistungsstärken unterscheiden sich von denen für Pkw. Der Analyse zufolge werden Lkw bis 2030 279.000 Ladepunkte benötigen, von denen 84 Prozent zu Flottenzentren gehören. Bei den übrigen Ladepunkten werde es sich überwiegend um öffentliche Schnellladepunkte entlang der Autobahn (36.000) und langsamere öffentliche Ladepunkte (9000) handeln.
Auch der deutsche Autoindustrieverband VDA warnt vor zu wenig Tempo beim Ausbau der Ladeinfrastruktur. Deshalb müsse das Ziel der Bundesregierung von einer Million Ladepunkte bis 2030 konsequent vorangetrieben werden. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sieht die Lage weniger kritisch: Es sei nur ein Bedarf zwischen 100.000 und 250.000 öffentlichen Ladepunkten im Jahr 2030 realistisch. Der BDEW begründet dies damit, dass davon auszugehen sei, dass auch zukünftig der Großteil der Ladevorgänge privat oder beim Arbeitgeber erfolgen und der Anteil der Schnellladepunkte im öffentlichen Bereich zunehmen wird.