Die Unternehmensberatung Berylls beleuchtet mit der „Top 100 Zuliefererstudie 2023“ die zentralen Entwicklungen und Herausforderungen der weltweit 100 größten Automobilzulieferer.
Eine der positiven Nachrichten sei, dass die Industrie die Folgen der Corona-Pandemie überwunden habe. Und die Annäherung an die Vor-Corona-Normalität schlage sich erneut in einem starken Umsatzwachstum, gemessen am Vorjahr, nieder. Grund zur Freude gebe es aber nur eingeschränkt, denn gestiegene Erzeugerpreise ließen die Margen schrumpfen, die Zuliefererindustrie stehe weiterhin unter Druck. Allerdings sei dieser Druck weltweit nicht gleichmäßig verteilt.
Während Europa unter den hohen Energiekosten gelitten habe, seien chinesische Unternehmen davon kaum beeinträchtigt. Besonders stark zeigte sich dieser Effekt in Deutschland, wo die Erzeugerpreise um 32,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zulegten, vor allem getrieben durch die Energiepreise, die um 86,2 Prozent gestiegen seien.
Knapp die Hälfte der Top-100-Zulieferer konnte laut der Analyse ihre Marge verbessern, auch weil sie weniger von höheren Erzeugerpreisen abhängig waren als in Deutschland beheimatete Unternehmen und die Preissteigerungen an die Hersteller weitergeben konnten. Höhere Materialkosten, Lieferkettenprobleme und höhere Energiekosten werden voraussichtlich auch noch bis in das nächste Jahr spürbar sein.
Rekorde im Jahr 2022
Der Rückblick auf die Zahlen des Jahres 2022 zeigt einen Rekordwert: Die Top-100-Zulieferer konnten dank Preissteigerungen und höherer Automobilproduktion ihre Umsätze gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 um 16 Prozent steigern. Der kumulierte Umsatz aller betrachteten Unternehmen lag mit 1.064 Milliarden Euro zum ersten Mal oberhalb von einer Billion Euro.
Dennoch bricht die Profitabilität der Zulieferer mit durchschnittlich 5,6 Prozent deutlich ein (6,3 % im Vorjahr), noch geringer war sie nur zur Hochzeit der Pandemie. Ganz anders stellt sich die Situation für die Autohersteller dar, deren Höhenflug weiter anhält. Die Top-10-Hersteller konnten ihre durchschnittliche Marge auf acht Prozent steigern und übertreffen damit den hohen Vorjahreswert von 7,4 Prozent.
Der Blick auf die Profitabilität zeigt, dass sich vor allem chinesische Zulieferer in einer günstigeren Situation befinden als die Wettbewerber. Zwischen 2012 und 2022 lag die durchschnittliche Profitabilität chinesischer Unternehmen bei 7,8 Prozent und damit deutlich über dem Branchendurchschnitt von 6,8 Prozent. Lediglich amerikanische Zulieferer können mit durchschnittlichen Margen von acht Prozent ein ähnliches Glanzlicht setzen. Firmen aus Japan, Korea und Deutschland, mit vergleichsweise niedrigen Margen von jeweils 6,3, 5,7 und 5,8 Prozent, liegen hier deutlich zurück.
Verschiebungen zugunsten chinesischer Zulieferer
„Auch in den nächsten Jahren erwarten wir, dass sich die Umsatz- und Margenverschiebungen der großen Zulieferermärkte zugunsten chinesischer Zulieferer weiter fortsetzen werden“, sagt Alexander Timmer, Partner bei Berylls Strategy Advisors. „Maßgebliche Treiber dafür sind die fortschreitende Elektrifizierung und Digitalisierung der Fahrzeuge.“
Dass daran nicht alle chinesischen Zulieferer Anteil haben werden, zeigt sich beispielhaft an Weichai Power. 2020 war das Unternehmen der erste chinesische Zulieferer überhaupt, der in die Top 10 der Berylls Topp 100 vordringen konnte. Weichai Power, entstanden aus einem Hersteller für Dieselmotoren, kann sich allerdings nicht im Spitzensegement halten, rutscht im Jahr 2021 auf Platz 12 ab und findet sich in diesem Jahr auf Rang 25. Kein anderes Unternehmen muss bei der Auswertung einen ähnlich großen Umsatzrückgang verkraften (-30,1 %).
Batteriehersteller CATL, seit 2018 im Ranking vertreten, stellt das andere Extrem dar. Der Konzern verbessert seine Position im Ranking um drei Plätze auf Rang sieben und legt beim Umsatz um 84,5 Prozent zu. Innerhalb der Top 100 kommt kein zweiter Zulieferer auch nur in die Nähe dieses Erfolgs.
CATL war 2022 der größte Nutznießer eines Trends, der Batterien und Halbleiter zu den zentralen Wachstumstreibern und Profitabilitätsgaranten der Zuliefererindustrie gemacht hat. Halbleiterhersteller verzeichnen laut Berylls seit 2015 ein jährliches Wachstum von 44,3 Prozent, Batteriehersteller seit 2017 sogar von 84,1 Prozent. CATL trägt dazu einen erheblichen Teil bei, flankiert von Batterieherstellern wie SK on, Samsung SDI und LG Energy Solution. Allein im Jahr 2022 konnten die Batteriehersteller eine durchschnittliche Profitabilität von 10,6 Prozent erzielen, währen der Branchendurchschnitt mit 5,6 Prozent nur wenig mehr als halb so hoch war.
Dynamik in einer technologiegetriebenen Branche
Die steigende Bedeutung von Batterien und Halbleitern in den aktuellen und zukünftigen Fahrzeugarchitekturen zeigt sich in der sich stetig wandelnden Zusammensetzung der Berylls Top 100. Gegenüber 2012 sind allein zwölf neue Zulieferer durch die technologische Transformation hin zu elektrischen, Software-definierten Fahrzeugen in die Rangliste vorgerückt. Diese machten im Jahr 2022 einen Umsatzanteil von neun Prozent unter den hundert größten Zulieferern aus. Im Jahr 2017 lag der Anteil noch bei rund einem Prozent.
Gleichwohl sind die Hersteller von „Legacy“-Komponenten nicht abgeschrieben. Denn zusätzlich konnten sich in den vergangenen zehn Jahren zwölf weitere Lieferanten aus traditionellen Warengruppen wie Glas, Bremsen und Lampen in die Rangliste der Top 100 vorarbeiten. Hierzu gehören unter anderem Zulieferer wie CIE-Automotive, Fuyao Glass oder SL Corporation. Weitere neun Neuzugänge wurden durch Transaktionen verursacht, Beispiele hierfür sind die Neugründungen von Aptiv, Adient und Vitesco Technologies.
In der Folge hat sich die Zusammensetzung der Top 100 in der jüngsten Vergangenheit maßgeblich verändert. „Vor dem Hintergrund des fortschreitenden technologischen Wandels ist zu erwarten, dass die Dynamik in der Zuliefererindustrie weiter zunehmen wird“, so Berylls. Davon profitierten aber nicht alle Autonationen gleichermaßen. Der Marktanteil der größten Zuliefererländer Japan und Deutschland sei weiterhin rückläufig und liege 2022 insgesamt bei 42 Prozent. Koreanische und chinesische Zulieferer würden dagegen „signifikant“ wachsen und gewännen Marktanteile dazu. In den USA sorge der Inflation Reduction Act für ein ganz eigenes Marktgeschehen. „Es wird also bei viel Bewegung in der Zuliefererbranche bleiben. Sogar mehr Bewegung, als einigen Unternehmen lieb sein dürfte“, prognostizieren die Berater.
ShullBit meint
CATL dürfte noch dieses Jahr u.a. Continental und ZF überholen und auf Platz 2 kommen. In 2 Jahren wird man dann wohl Bosch überholen. Aber die Manager-Genies bei den deustchen Zulieferern waren halt alle sicher, dass Investitionen in Batterien nicht lohnen. Lieber weiter Benzinpumpen, Ölfilter, Pleuel und Kolbenringe bauen, wie z.B. Mahle. Die bauen jetzt halt tausende Arbeitsplätze ab.
Ich kann mich da nur immer wiederholen: Die deutsche Autoindustrie kann nicht mehr führend sein, wenn sie bei Batterien nicht führend ist. Das ist nun mal die mit Abstand werthaltigste Komponente an einem BEV, die aus Kundensicht die wesentlichen Parameter wie Reichweite und Ladegeschwindigkeit definiert und aus Anbietersicht der mit Abstand größte Kostenblock und somit von größter Bedeutung für die Profitabilität ist. Die deutschen Hersteller sollten nicht nur in Produktionskapazitäten investieren, sondern vor allem in die Entwicklung. Deutschland ist heute sehr gut in der Grundlagenforschung, aber alle Produktinnovationen bei Batterien kommen aus China: LFP, Blade, Qilin, Sodium, … Das darf nicht so bleiben, wenn wir führend im Automobilbau bleiben wollen.
korkDerDeckel meint
Gute Zusammenfassung. Gleichzeitig verschiebt sich die Wertschöpfung immer mehr von der HW hin zur Software bzw. hin zu digitalen Business Modellen und das ist bei uns mindestens ein ebenso großes Trauerspiel wie das Thema Batterie. Die Herren Manager glauben vielerorts noch immer die Emobilität setze sich nicht durch. Der Benziner ist ja in Deutschland auch wieder auf dem Vormarsch, das is ja außerdem alles Quatsch mit den E-Fahrzeugen.
Die Disruption wird viele traditionell etablierte Firmen hart abrasieren das ist unausweichlich bei soviel vorsätzlicher Innovations- und Transformationsverweigerung, Hybris und Arroganz. Das gibt in den nächsten 10 Jahren ordentlich neues Material für zukünftige Wirtschafts- und MBA Lehrbücher.
Wie man eine führende Schlüsselindustrie in letztlich so kurzer Zeit derart abverwalten kann, ist schon mehr als erstaunlich. Die großen deutschen Automobil-Innovatoren von vor 120 Jahren rotieren mittlerweile in Ihren Gräbern.
Karneval meint
Am Beispeil AESC zeigt sich, dass auch ein Joint-Venture von verschiedenen erfahreren Unternehmen im Elektronikbereich kein Allheilmittel sein muss. Nissan wollte trotz ihres Anteil letzlich externe Lieferanten haben, weil diese kostengünstiger und verkaufte ja dann schlussendlich den Großteil an Envision. Und das war ein JV, welches bereits 2007 gegründet wurde von Unternehmen, die bereits in der Akkufertigungkenntnisse hatte.
Man kann sich jetzt viele Szenarien natürlich ausdenken, aber anzunehmen, dass ein deutsche (bzw. notwendigerweise ein europäisches JV) besser ergangen wäre?
Hier hätte es wohl eher EU-Importregeln u. Ä. gebraucht um die Preisnachteile auszugleichen.
Ob man unbedingt auch Mahle als Beispiel nehmen muss, naja, über die Hälfte des Umsatzes und der Neuaufträge sind bereits außerhalb vom Verbrenner. Und es werden schlussendlich auch noch über die nächsten Jahre dutzende Millionen bzw. eher hunderte Millionen von Verbrennungsmotoren produziert werden. Das Zeug wird eben so schnell auch nicht verschwinden.
Sandro meint
Pro Jahr werden ca. 100 Millionen Verbrennungsmotoren gebaut