Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat vor kurzem Gutachten zur sozialverträglichen Einführung einer CO2-Bepreisung vorgestellt. Sie spricht sich für eine Abgabe auf CO2 aus, um klimafreundliches Verhalten beim Autofahren und Heizen zukünftig zu belohnen. Nun meldete sich der Verband der Automobilindustrie (VDA) zu dem Thema zu Wort.
Der VDA legte ein Positionspapier zur CO2-Bepreisung vor. Der Klimaschutz sei eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit, heißt es darin. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft stünden in der Verantwortung, ihren Beitrag zu leisten, um die Emissionen spürbar zu senken. Die Automobilindustrie nehme diese Herausforderung an.
„Wir unterstreichen, dass die Klimaschutzziele, die in Paris vereinbart wurden, auch für uns handlungsleitend sind. Unser Ziel ist treibhausgasneutrale Mobilität bis 2050“, erklärte der VDA in einer Mitteilung zu dem Positionspapier. Hersteller und Zulieferer der deutschen Automobilindustrie seien überzeugt davon, dass es keine Alternative zu sauberer und klimaschonender Mobilität gibt.
Klimaschutz koste Geld, betonte der VDA. „Diese Investitionen sind jedoch notwendig und zur Erreichung der Klimaschutzziele zwingend erforderlich. Es wäre nicht ehrlich, den Eindruck zu erwecken, als sei eine solch grundlegende Transformation wie die Abkehr der Wirtschaft von fossilen Energieträgern zum Nulltarif zu haben.“ Die aktuelle Debatte zeige, dass es an der Zeit ist, die Klimaschutzpolitik auch im Verkehr einer kritischen Bewertung zu unterziehen. Die Erreichung der ehrgeizigen Klimaschutzziele sei nur möglich, wenn die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen schnell geschaffen werden.
Der VDA forderte: „Wir brauchen konsistente, ganzheitlich wirkende Maßnahmen und Instrumente, die zum einen die notwendige Infrastruktur und die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen und zum anderen für die notwendigen Anreize sorgen, um allen relevanten Technologien am Markt zu Startchancen zu verhelfen.“
„Breiter Mix an Technologien“ nötig
„Kurzfristig werden vor allem Elektrofahrzeuge (BEV und PHEV) zur Verfügung stehen“, so der VDA. Die zugehörige Infrastruktur und ein europaweit konsistentes Anreizsystem seien Voraussetzung dafür, dass der Markthochlauf gelingt und die Klimaziele erreicht werden. Mittel- und langfristig brauche es auf dem Weg zur CO2-Neutralität „einen breiteren Mix an Technologien“, wie etwa die Brennstoffzelle für wasserstoffbetriebene Autos und alternative CO2-reduzierte Kraftstoffe „mit den dafür nötigen Anreizen“.
Die Automobilindustrie sei durch die CO2-Flottenregulierung der EU bereits heute eine der am strengsten regulierten Branchen weltweit, unterstrich der VDA. Nur allein auf den Verkehrssektor bezogene Maßnahmen zur Senkung von Emissionen je gefahrenem Kilometer würden jedoch zu kurz greifen, um die Klimaziele zu erreichen. Weitere Maßnahmen mit Lenkungswirkung müssten daher „abgewogen sowie klug und ganzheitlich umgesetzt werden“.
Konkret bedeutet dies laut dem Autoverband: „fördern statt beschränken. Den Versuch, Vermeidung von CO2 durch eine erzwungene Einschränkung der Mobilität, etwa durch ordnungsrechtliche Steuerung oder eine einseitige Verteuerung des Individualverkehrs oder Straßengüterverkehrs, zu erreichen, lehnen wir ab“. Statt „eines sektorspezifisch-ordnungsrechtlichen Planungsansatzes mit Verboten und Einschränkungen“ sollte der Schwerpunkt einer zielorientierten Klimapolitik auf Maßnahmen liegen, „die Innovationen vorantreiben und marktwirtschaftliche Anreize für neue, innovative technische Lösungen schaffen“.
Eines werde in der CO2-Debatte oft vergessen, merkte der VDA an: „Der Erfolg CO2-armer Technologien, alternativer Antriebe und neuer Mobilitätskonzepte entscheidet sich am Markt – und zwar am Weltmarkt. Nur wenn die Menschen sich für neue Technologien, neue Antriebe, andere Fahrzeuge und neue Formen der Mobilität und des Wirtschaftens begeistern – und diese bezahlbar bleiben –, werden wir gesamtwirtschaftlich erfolgreich sein und als Gesellschaft die ambitionierten Klimaziele erreichen können.“
„Ein klug ausgestaltetes System zur CO2-Bepreisung“ könne unter den genannten Voraussetzungen die Basis zur Erreichung der Klimaziele sein, so der VDA. Zugleich bestehe darin die Chance, die erforderlichen Investitionen für alle Beteiligten möglichst kostengünstig und effizient umzusetzen und damit einen wichtigen Beitrag zur Akzeptanz des Klimaschutzes in Bevölkerung und Unternehmen zu leisten.
Das Positionspapier des VDA zur CO2-Bepreisung kann hier eingesehen werden.
kritGeist meint
„Weitere Maßnahmen mit Lenkungswirkung müssten daher „abgewogen sowie klug und ganzheitlich umgesetzt werden“.“ – Klingt für mich eher wieder nach weiterem Einfluß des VDA & deren Lobbyisten auf die aktuelle & zukünftige Politik. Genau dieses Verhalten hat zu diesen Fehlentwicklungen & den EU – Vorgaben geführt, die DE lange Zeit blockiert hat!
Wo war der VDA die Jahre vorher, um von sich aus etwas zu bewirken? Bisher lautete eher das Motto: „Das kann noch laufen wie bisher, nach Möglichkeit ohne polit. Regelung & Steuerung“ – Und so hat Merkel & die restlichen CDUler, auch SPD die Politik geführt – Mit Pinguinen tanzen, zeitgleich Öko-Förderung abbauen & Altindustrie durch Steuergelder (z.B. Diesel & Dienstwagen-Bonis) künstlichen am Leben erhalten oder aus Vorgaben (EEG) & somit Stromkosten viele Schwerstverursacher rausgenommen , dazu noch die schwarze Null mit mangelnder Infrastruktur.
Der Mittelstand ist in der Hinsicht schon viel weiter, wird aber kaum darüber berichtet.
Gerade eine klare Wirtsch. UND Öko-Strategie (s. Kalifornien, Nachbar-EU, ja auch China) für mind. 10 J., ohne halbherzigen Umsetzungen würde die Menschen überzeugen sich aktiv & finanziell dabei zu beteiligen. Dann hätten wir besseren Schienenverkehr anstatt massiven LKWs – Staus & Dauerbaustellen, keine Prestige-Projekte ala BER, S21, HH Oper. Und Leute würden sparsame, auch über Sharing, Autos, Fahrräder nutzen, anstatt dicke SUV-Protze im Stadtverkehr. Alle anderen Ländern sind aktiv gewillt, DE eiert seit J. in allen Bereichen herum.
Stefan meint
Wir merken nur langsam, dass es immer billiger ist sich etwas einfach zu nehmen (Öl aus dem Boden), es zu verwenden (z.B. verbrennen) und den Abfall irgendwohin zu packen (verklappen, Abluft, Abwasser). Beim Wasser wurden deswegen früher Kämpfen von flussabwärtsgelegenen Stämmen gegen die Verschmutzer am Oberlauf geführt. „Nehmen und Verdrecken“ ist also IMMER billiger, bis die Geschädigten sich wehren. Dieses Zeitalter geht nun bei Öl und Gas zu Ende, CO2-Freisetzung wird von selbst teuer, sehr teuer. Dazu braucht es kein Positionspapier, sondern konkrete, schnell umsetzbare Lösungsvorschläge.
randomhuman meint
Es braucht wirkungsvollen Emissionshandel. Dieses basiert auf Marktwirtschaftlichen Prinzipien. Damit werden CO2 arme Technologien bevorzugt und CO2 hohe Technologien werden teurer. Gibt es in der EU ja heute schon. Nur gilt dieser nicht für jeden Sektor und der Preis ist zu gering. Natürlich darf nichts doppelt gerechnet werden wenn man in anderen Ländern Klimaschutzmaßnahmen fördert.
Ebi meint
Es braucht keine Ausweitung des Emissionshandels sondern eine konkrete CO2-Bepreisung – siehe auch die Ausführungen dazu von Prof. Pehnt vom IFEU-Institut.
Zitat: „Befürworter des Emissionshandels-Ansatzes argumentieren, durch den Handel mit Verschmutzungsrechten würde CO2 dort eingespart, wo es am günstigsten sei. Ein sektoraler Emissionshandel im Wärme- und Verkehrsbereich setzt jedoch bei den falschen Akteuren an. 18 Millionen deutsche Heizkesselbesitzer oder 47 Millionen Pkw-Besitzer können nicht mit CO2-Zertifikaten handeln. Der Emissionshandel verpflichtet daher die Öl-, Gas- oder Kraftstoffhändler. ‚Upstream-Emissionshandel‘ heißt das im Wissenschafts-Slang. Diese haben aber deutlich weniger Handlungsmöglichkeiten, schließlich wollen sie Gas, Öl und Kraftstoffe verkaufen. Sie werden also vor allem Zertifikate am Markt kaufen und von den noch vorhandenen Schlupflöchern im Emissionshandel profitieren. Im besten Fall wirkt ein solcher Emissionshandel daher wie eine wenig ehrgeizig ausgestaltete CO2-Steuer.“
„Hinzu kommt: Ein europaweit ausgestalteter und auf Gebäude und Verkehr ausgeweiteter Emissionshandel ohne diese Schlupflöcher ist ein Langzeitprojekt. Vor der Mitte des nächsten Jahrzehnts ist ein solches Instrument auf Grund der langwierigen europäischen Abstimmungsprozesse kaum vorstellbar. Das ist aber viel zu spät für den Klimaschutz. Eine CO2-Abgabe kann hingegen äußerst kurzfristig umgesetzt werden.“
randomhuman meint
Stimme dir in vielen Punkten zu. Das mit den langwierigen Prozessen dürfte allerdings auch bei einer CO2 Steuer auf uns zu kommen. Alles nicht so einfach. Am besten ist natürlich nicht nur ein System, sondern ein Zusammenspiel verschiedener.
kritGeist meint
1+ genau so ist es & sogar die Leitmedien haben darüber berichtet. Der Emissionshandel war v.a. ein dickes & einfaches Geschäft Geld zu produzieren, der Umwelt hat es kaum geholfen.
Ernesto 2 meint
Es ist wirklich jämmerlich was für ein Haufen dieser VDA ist , furchtbar ! Kein Wunder daß sich unsere Kinder von dieser Art Inkompetenz zu verbreiten abwenden. Purer Lobbyismus zum Eigennutz der „Shareholder“ der Autoaktien. Zukunftsorientiert? Sowas gibt’s nicht, kann ja gar nicht sein……
NL meint
Vor allem müssen wir die Anzahl von 50 Millionen Pkw drastisch reduzieren und unsere Mobilität anders gestalten. Klar, dass das dem VDA nicht passt, aber das Zeitalter der autogerechten Städte ist nunmal vorbei.
EdgarW meint
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Sledge Hammer meint
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randomhuman meint
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Stefan meint
+1 Die Erkenntnis ist da, jetzt bitte machen!
Peter W meint
In dem Papier gibt es keinen einzigen konkreten Vorschlag und keine Zahlen.
Aus dem Papier kann man nur eines klar erkennen: Man muss darüber reden, man muss internationale Verträge schließen und man hat noch Zeit bis 2050. Der VDA will, was sollte man auch anderes erwarten, bis 2050 um den heißen Brei herumreden, und es nachfolgenden Generationen überlassen Entscheidungen zu treffen.
Das Problem ist aber, dass man 2050 keine Entscheidungen mehr braucht, denn dann ist es zu spät.
Weiter so Deutschland.
EdgarW meint
… und „technologieoffen“ natürlich ;-/
Soll heißen: Wartet man noch ein paar Jahre, Jahrzehnte, wir haben dann was für Euch. Und 2050 ist blanker Hohn.
Nachtigall (aka BMW und Mercedes) ick hör Dir trapsen
EV1 meint
… aber bitte keine Subventionen für E-Fuels und Wasserstoff. Strom ist in Deutschland schon teuer genug.
EdgarW meint
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Der Spaß ist, dass die Herstellung von strombasierten E-Fuels und H2 (bei Letzterem, falls e aus Strom gewonnen wird und nicht aus Erdgas, wie das heute noch zu 98%++ der Fall ist) großtechnisch geschieht und man es auch so einordnen kann, dass die Produktion im internationelen Wettbewerb besteht, weshalb 1. (wegen der Größenordnung) die dafür zugrundeliegenden Strommpreise natürlich stark rabattiert sind und 2., schlimmer: Die EE-Umlage dafür wahrscheinlich nicht erhoben werden wird.
Was heißt das? Genau: Subventionierung, und das bereits, ohne dass irgendwelche Gesetzte oder Verordnungen extra für E-Fuels und H2 „angepasst“ worden sind.
Und jetzt rate mal, wer das bezahlt …
kritGeist meint
1+