Das schon länger angespannte Verhältnis von Konzernchef Herbert Diess und dem Betriebsrat von Volkswagen hat sich zuletzt wieder deutlich verschlechtert. Zentraler Grund sind Andeutungen von Diess, dass die Belegschaft angesichts leichter zu bauender Elektroautos und neuer schlagkräftiger Konkurrenz zu groß ist und reduziert werden sollte. Bei einer Mitarbeiterversammlung kritisierte Betriebsratschefin Daniela Cavallo Diess nun scharf.
Der Volkswagen-Boss hatte zuvor ins Spiel gebracht, im Konzern bis zu 30.000 Jobs zu streichen. Nur so könne das Unternehmen wettbewerbsfähiger werden und bei der Produktivität zu aufstrebenden Konkurrenten wie insbesondere Tesla aufschließen. Die Arbeitnehmervertretung ist sich den Herausforderungen der Branche bewusst und trägt die von Diess vorangetriebene Offensive mit Fokus auf Elektroautos und modernere Fabriken. Das Problem für Cavallo und ihre Mitstreiter ist die lange, durch die Pandemie und den weltweiten Chipmangel ausgelöste Kurzarbeitsphase am Stammsitz Wolfsburg.
Cavallo forderte ein weiteres Elektro-Modell für Wolfsburg, damit der Standort und die dortigen Mitarbeiter zuversichtlich in die Zukunft gehen können. Die Auftragslage sei gut. Nicht das Werk oder die Beschäftigten seien ineffizient, es „fehlen schlicht die Teile, mit denen wir unsere Autos bauen können“, so die Betriebsratschefin. Der Mangel an Halbleitern sei „ein Armutszeugnis für einen Weltkonzern“. Es sei die Verantwortung des Konzernvorstands, das besser hinzubekommen. Es gebe ja auch andere Automobilhersteller, die besser durch die Krise kommen.
Fast zwei Tage habe Diess gebraucht, um seine „leichtfertigen Spekulationen“ über den Abbau von 30.000 Arbeitsplätzen zurückzuziehen, kritisierte Cavallo. Das sei „völlig absurd“. Dabei sei Volkswagen gut durch die Krise gekommen. Es gebe eine Beschäftigungssicherung bis 2029. Diess vergleicht die Leistung von Volkswagen gerne mit der von Tesla, das seiner Ansicht nach derzeit die Richtung im Zukunftsmarkt der E-Mobilität vorgibt. Auch Cavallo stellte bei der Mitarbeiterversammlung einen Vergleich mit Tesla an: In dem neuen Werk des US-Herstellers nahe Berlin sollen zwischen 8000 und 10.000 Leute rund 500.000 Autos bauen. Im Volkswagen-Stammwerk in Wolfsburg sind rund 13.000 Menschen direkt mit dem Autobau befasst. „Wenn wir mal die festgelegten 820.000 Autos nehmen, die für Wolfsburg angepeilt waren, würden wir im Vergleich noch immer ziemlich gut abschneiden“, so die oberste Arbeitnehmervertreterin. „Nicht eine Stelle können Sie zusätzlich mit uns verhandeln. Wir haben hier schon unsere Hausaufgaben gemacht“.
Cavallo forderte Diess auf, „mit Spekulation über Stellenabbau“ aufzuhören und gemeinsam Lösungen zu suchen. Den Mitarbeitern sei bewusst, dass sich durch die E-Mobilität und Digitalisierung sehr viel verändern werde und müsse. „Der Betriebsrat will den Wandel, die Belegschaft will den Wandel, Wolfsburg will den Wandel“, versicherte Cavallo. Man brauche den Wandel, um Arbeitsplätze zu sichern. Doch „den Wandel gibt es nur mit VW-Kultur. Und dazu gehört, dass sich der Betriebsrat einmischt“.
Stammsitz Wolfsburg im Fokus
Das Werk Wolfsburg sei Konzernzentrale, Stammwerk und Herz der technischen Entwicklung. Dafür müsse es dort die modernste Produktion geben, „in der Effizienz und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen“ – und wo am Ende die größten Stückzahlen des Konzerns stünden. Das sei möglich, doch dafür brauche das Werk schon vor 2026 ein weiteres E-Modell – und zwar eines, das auf der nächsten Elektro-Plattform-Generation „Trinity“ aufbaut. „Wir wollen die Veränderung und wir können Veränderung“, betonte Cavallo.
Zumindest bei der Bedeutung des Standorts Wolfsburg sind sich der Betriebsrat und Diess einig: „Gerade Wolfsburg ist wichtig für den Konzern, muss die Speerspitze sein“, sagte der Vorstandschef dem Redetext für die Mitarbeiterversammlung zufolge. Er verwies aber auch darauf, dass die Konkurrenz genau im Blick behalten werden müsse: „Der nächste Golf darf kein Tesla sein! Der nächste Golf darf nicht aus China kommen!“ Der Belegschaft versicherte Diess, dass er wolle, „dass Ihre Kinder und Enkelkinder auch 2030 noch einen sicheren Job hier bei uns in Wolfsburg haben können“. Er sagte aber auch: „Die heute bestehenden Jobs werden innerhalb der nächsten 10 bis 15 Jahren sicher weniger – vor allem in der Verwaltung auf Konzernebene, aber auch in der Produktion und in der Entwicklung.“ Gleichzeitig komme neue und andere Arbeit hinzu.
„Nur gemeinsam machen wir Volkswagen zukunftssicher“, erklärte Diess. Dafür müsse man den Konzern „rechtzeitig zum Umsteuern bewegen“. Mit Blick auf den Konkurrenten Tesla, der kurz vor dem Start seines Deutschland-Werks in Brandenburg steht, heiße das: „Wir dürfen uns unseren Standort, unsere Konzernzentrale, nicht von Tesla kaputt machen lassen!“ Aus Sicht von Diess hat die Volkswagen-Zentrale gute Chancen, wieder zum „Aushängeschild für Autoproduktion“ zu werden. Doch dazu müsse das Projekt Trinity unbedingt ein Erfolg werden, das neben Elektroauto-Technologie auch optimierte Fertigungsmethoden zum Ziel hat. Diess: „Wir planen schnellere Produktionszeiten und effizientere Formen der Zusammenarbeit.“
Wie es nun bei Volkswagen weitergeht, wird hinter verschlossenen Türen beraten. Bereits kurz vor der jüngsten Mitarbeiterversammlung hatten die Vertreter der Arbeitnehmerseite dem Vorstandschef das Misstrauen ausgesprochen. Berichten zufolge wird sich nun der Vermittlungsausschuss im Aufsichtsrat mit der Vorstandsbesetzung befassen. Ob Herbert Diess wie erst im Juli vereinbart noch bis Ende 2025 an der Spitze von Europas größtem Autohersteller stehen wird, ist demnach offen.
Jürgen Baumann meint
Herbert rüttelt am Selbstverständnis der VW Belegschaft. Besser er tut es jetzt als das noch mehr Kunden zu Tesla und der Koreanern abwandern. Und nächstes Jahr beginnt die Chinesische Welle. Mal sehen was bis 2025 übrig bleibt von der Automobilindustrie in DE.
nilsbär meint
Größere Konkurrenz als bei Verbrennern, einfachere Autos, weniger Wertschöpfung ,weniger Aftersale-Umsatz – der Wind wird rauer.
Herr Diess ist in einer Zwickmühle: Der Aufsichtsrat erwartet sich gleichbleibende Gewinne, der Betriebsrat gleichbleibende Beschäftigung.
Roma meint
Die Frau Cavallo widerspricht sich selbst. Zum einen sagt sie, die niedrige Auftragslage wäre wegen den fehlenden Chips, auf der anderen Seite soll dem mit weiteren E-Modellen entgegengewirkt werden.
Oder hat sie verraten, dass es gar nicht nur an den Chips liegt?!
Envision meint
Bin schon im ID3 gefahren, 10 cm mehr für den Kofferraum und der würde vermutlich die Bedürfnisse einer – relativ großen – Schnittmenge voll abdecken, Platz auf der Rückbank ja üppig,
aber da sie sich nicht verschieben läßt bringt es nicht viel, Kofferraum über 400l ist für viele die magische Schwelle, da beschränkt man sich in der Klasse wohl absichtlich um deutlich größere Fahrzeuge/SUV an den Käufer zu bringen.
Robert meint
Mussten wir als Familie auch leider feststellen. Deswegen ist es dann auch ein Koreaner mit Kofferraum Tieferlegung geworden. Schade hätte gerne was kompaktes von der VAG gekauft.
Kona64 meint
Dito, zudem war der Koreanaer damals sofort verfügbar. Beim id3 kommt dazu, dass er auch keine Dachlast hat. Der Kona hat auch keinen großen Kofferraum, mit einer preiswerten Dachbox lässt sich das Volumen aber bei Bedarf, quasi verdoppeln. Gleichwohl ist der id3 ein tolles Auto und in vielen Punkten besser als der Kona.
Shullbit meint
Tja, wie man ja auch hier bei ecomento anhand älterer Artikel nachvollziehen kann, war es der bei VW enorm mächtige Betriebsrat, der bei Elektroautos massiv auf der Bremse stand, der ausdrücklich nicht in die Batteriezellenfertigung investieren wollte. Obwohl längst bekannt war, dass die Batterie bei einem Elektroauto das werthaltigste Teil ist, hat Konzernbetriebsratschef Osterloh noch im zweiten Halbjahr 2018 den Einstieg in die Batterieproduktion abgelehnt: „Jetzt zu sagen, wir fassen eine Milliardensumme an für eine Batteriefabrik, das halte ich für ein bisschen früh“. Er wollte noch 5-10 Jahre länger auf Verbrenner setzen als die Konzernstrategen. Und jetzt produziert Volkswagen die Batteriezellen eben nicht in eigenen werken, sondern muss den part mit der höchsten Wertschöpfung beim Elektroauto extern einkaufen. Bei koreanischen und chinesischen Firmen mit Fertigungen in Polen und China. Und die Arbeitsplätze dafür sind nun eben auch in Korea, Polen und China und nicht in Wolfsburg.
Die Unfähigkeit des Betriebsrates und nicht des Managements unter Diess kostet VW Tausende Arbeitsplätze. Der Betrübsrat ist mit Vorwürfen gegen andere immer schnell dabei. Er sollte sich selbst mal die größten Vorwürfe machen.
Randy meint
@Shullbit
Klarer Fall von Falschinformation! VW Betriebsrat Osterloh forderte schon 2016 massiv den Bau von Batteriefabriken um für die kommende Elektromobilität gerüstet zu sein und die wegfallendem Arbeitsplätze zu kompensieren. Leider wurde er vom Management nicht ernst genommen. Kann man alles mit relativ wenig Aufwand in der FAZ und Zeit nachlesen.
Christian Hohenwarter meint
Entfernt. Bitte verfassen Sie konstruktive Kommentare. Danke, die Redaktion.
Frank meint
VW-Chef: „Der nächste Golf darf kein Tesla sein!“
Das war wohl unverständlich ausgedrückt:
Gemeint war mit Golf: das meistverkaufte Massenauto darf kein TESLA oder China Car sein – es soll weiter von VW kommen.
BEV meint
Ist er aber heute schon. Die Zahlen fürs Model 3 werden vielleicht langsamer steigen, sobald das Model Y in großer Stückzahl verfügbar ist und unterhalb noch ein „25k“-Tesla, das dürfte dann der neu Golf werden, sofern es VW nicht auf die Reihe bringt.
Andi EE meint
@Frank
Ja, genau so wie du es sagst.
Das war aber auch ein starker Spruch „darf kein Tesla sein“ der auf die Anschuldigung antwortet, dass er latent Tesla / Musk den VW-Angestellten als Vorbild vorhält. Diess musste sich ja jetzt wieder ins VW-Lager verorten, sonst hätten sie ihn noch gelyncht.
Und nicht ganz zu Unrecht, weil er es wirklich manchmal übertrieben hat. Vor allem, dass das alles in der Presse landet, ist erniedrigend für die Belegschaft. Das kam ja auch mit der Frau Cavallo ziemlich gut rüber. ????
Aber die Probleme sind selbstverständlich nicht gelöst und meiner Meinung nach von Cavallo/Betriebsrat nicht wirklich verstanden. Die wissen gar nicht, wie schnell es bergab gehen kann. Und das droht nun weil eben die ersten Elektromodelle nicht der erhoffte Befreiungsschlag waren.
Aber eigentlich liegt das Problem viel mehr in den Ingenieursabteilungen die keine Chance gegen die Leute von Tesla haben. Dieses Loblied von den besten DE-Ingenieure sollte man nicht immer singen, weil das verschleiert das Hauptproblem des Konzerns. Diese Entwicklung ist nicht konkurrenzfähig. Bei der Software sowieso nicht, beim Rest sehe ich auch nicht den Plan, wie man die Kosten der Fahrzeuge reduzieren kann. Es wird eine Erbsenzählerei gefahren, wo man unnütze Dinge ans andere reiht, einfach dass man MEHR hat, aber es ist leider konzeptlos.
Wenn jetzt die Elektroautos toll laufen würden, gäbe es den ganzen Krach nicht, weil man kontinuierlich umstellen könnte und im neuen Segment erfolgreich wäre. Aber jetzt kommt die Angst auf, weil die Verbrenner auslaufen und die Elektrofahrzeuge insbesondere in den grossen Märkten nicht sonderlich gut ankommen.
Werner Mauss meint
Meint es ernst mit Emobilität und vergleicht einen Verbrenner Golf mit einem Tesla.????????????
CaptainPicard meint
Das sei möglich, doch dafür brauche das Werk schon vor 2026 ein weiteres E-Modell – und zwar eines, das auf der nächsten Elektro-Plattform-Generation „Trinity“ aufbaut.
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Wie soll das gehen wenn die Plattform erst mit Trinity fertig wird? Das wäre so wie wenn man 2 Jahre vor dem ID.3 schon MEB Fahrzeuge hätte bauen wollen.
OnlyAFoolUsesGoogleAndroid meint
Eine Aufforderung das es schneller gehen muss und die bisherigen Pläne nach vorn zu ziehen? Zumindest lese ich das aus dieser Aussage.
Anti-Brumm meint
Darum geht es nicht.
Es geht darum, welches das nächste meistverkaufte Auto Europas sein wird. Und das wird zwangweise bald ein Elektroauto sein.
Und obwohl sich VW redlich bemüht hat den Golf 8 möglichst so zu vermurksen, dass der ID.3 besser dasteht, wird die Konkurrenz aus Kalifornien gefährlich. Es wird nicht klarerweise nicht das Model 3 sein, aber da wird sicher noch etwas eine Klasse darunter kommen.
Man darf gespannt sein.
e-biker meint
Ich verstehe es wirklich nicht, warum man in Wolfsburg nicht kapieren will was die Kunden wollen, ein kleines Elektrofahrzeug für die Stadt und zum Pendeln wie die Drillinge aus den VW Konzern, welche leider nicht mehr bestellbar sind !
Eine kleine MEB Batterie unter die Karosse eines Kleinwagens zum vernünftigen Preis und fertig.
CaptainPicard meint
Kommt ja eh mit dem ID.1 und 2. Das Problem ist dass billig halt nicht attraktiv ist für ein Unternehmen, weil billig kann man mit aktuellen Batteriepreisen noch gar nicht kostendeckend produzieren (deshalb kommen die ja erst ab 2025) und selbst wenn man es dann schafft dann wird die Marge winzig sein.
Ein Unternehmen ist ja nicht nur eine Beschäftigungstherapie für die Angestellten, das will Profit machen. Und das geht eben mit größeren Autos einfacher, deshalb werden die priorisiert.
Stefan meint
Ich sehe es auch so. Aber in Wolfsburg wird man keinen kleinen, günstigen Stadt/Pendelwagen bauen können. Dafür sind die Löhne dort zu hoch.
Am schnellsten wäre wohl ein ID.3/ID.4-Fliessband in Wolfsburg aufzumachen. Es sollte günstige Modelle mit wenigen Mitarbeitern geben und andere können dann mit mehr Mitarbeitern gebaut werden.
Die Modellvielfalt in Zwickau steigt mit Cupra und demnächst ID.5.
Aber es gibt ja noch Emden, wo auch ein MEB-Fliessband entstehen soll.
smarty2020 meint
Ich unterstütze diese Meinung zu 200%. VW wird komplett abgehängt werden von der Konkurrenz, wenn es nicht innerhalb von 1 Jahr gelingt ein vergleichbaren Kleinwagen wie den E-UP anzubieten. Ich jedenfalls werde in ca. 2 Jahren (nach 2 x Smart 4-4 EQ Leasing) einen E Kleinwagen kaufen wollen. Das wird dann wohl ein Tesla 2 oder ein Fahrzeug aus Frankreich, Korea oder China sein, mal sehen, wer das schnell etwas „PRAKTISCHES“ anbieten kann. VW hats jedenfall voll vergeigt (wie auch alle anderen deutschen Hersteller). Ford: auch die tun NIX!!!!
Jörg2 meint
Werner
Wenn man „Golf“ durch „meistverkauftes Autos“ austauscht, dann kommt mehr Sinn in das Bild.
Werner Mauss meint
Dann soll er sagen was Sache ist. Der Golf ist doch nur noch ein Schatten seiner selbst, den wollen ja nicht mal mehr Rentner kaufen. Schon von daher eine dä…… Aussage. Die richtige Aussage wäre, VW muß jetzt die Ars….backen zusammenkneifen und endlich ge…… bezahlbare E Autos bauen.
Yogi meint
Zudem bald jede OMV und Aral 2-4 Alpitronics rumstehen hat und man keine Software mit Ladeplanung mehr braucht! ;-) Schw…gehabt!
Jörg2 meint
Werner
Deine Beschwerde ist bei mir falsch adressiert.
Ich wollte Dir nur mein Orakel zu dem Spruch mitteilen in der Hoffnung, es hilft Dir weiter.
Wird nicht mehr vorkommen.
Werner Mauss meint
@Jörg 2, habe dich schon verstanden. Soll ja keine Beschwerde an dich sein, sofern du nicht Mr. Diess bist.????????Ich denke du hast auch mich verstanden. Ein Unternehmen sollte doch nach vorn schauen und nicht in der Vergangenheit feststecken. Der Golf ist Geschichte, wie der Käfer auch.