Bremen hat vor wenigen Tagen den Masterplan „Green City“ vorgestellt. Das 202 Seiten dicke Schriftstück umfasst Maßnahmen für saubere Luft und dient neben der Stadt auch Institutionen wie der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) oder dem Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen als Grundlage für Bewerbungen um Fördergelder des Bundes, die zur Luftreinhaltung beitragen.
Expertinnen und Experten der Stadt, von externen Beratungsfirmen, aus Unternehmen sowie Institutionen der Verkehrsbranche in Bremen haben in den vergangenen Monaten verschiedene Ideen entwickelt und bewertet, um die Luft in Bremen zu verbessern und die Stickstoffdioxid-Belastung zu senken. 81 mögliche Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf die Umwelt haben es schließlich in den Masterplan geschafft. Er ergänzt den Bremer Verkehrsentwicklungsplan 2025 und ist Voraussetzung für Zuschüsse aus der Förderrichtlinie „Automatisiertes und vernetztes Fahren“ des Bundes.
„Wir haben den Masterplan nicht erstellt, weil wir glauben, dass er bundesweit die Luftreinhalteprobleme löst. Hier muss die Bundesregierung dringend handeln und endlich insbesondere die Pflicht zur technischen Nachrüstung von Dieselfahrzeugen auf Kosten der Hersteller durchsetzen“, erklärte Initiator Joachim Lohse, Senator für Umwelt, Bau und Verkehr. „Der Masterplan schafft aber die nötigen Voraussetzungen, nachhaltige Projekte für saubere Luft in Bremen umzusetzen, für die ohne Bundesförderung das Geld fehlen würde.“ Lohse und sein Team halten Zuschüsse in Höhe von mehreren zehn Millionen Euro für Bremen für realistisch.
Die vorgeschlagenen Maßnahmen lassen sich vier Handlungsfeldern zuordnen: Carsharing und nicht-motorisierter Verkehr, Digitalisierung und Vernetzung im Verkehrssystem, automatisiertes Fahren und Veränderungen durch Antriebe und Treibstoffe.
„Deutsche Industrie hat E-Mobilität total verschlafen“
Eine vorgeschlagene Maßnahme beschäftigt sich mit der schrittweisen Umstellung der BSAG-Busflotte auf Elektrobetrieb. Für die Umsetzung brauche es aber mehr als nur Fördergelder, betonte Vorstandssprecher Hajo Müller. „Die deutsche Industrie hat das Thema E-Mobilität total verschlafen“, kritisierte er die mangelnde Verfügbarkeit an geeigneten Fahrzeugen.
Zurzeit sind laut Müller deutschlandweit gerade einmal 300 der insgesamt rund 45.000 ÖPNV-Busse elektrisch unterwegs, davon nur gut die Hälfte mit Batterietechnologie. „Wenn jetzt alle Verkehrsunternehmen aus den rund 60 Masterplan-Städten größere Chargen bestellen, werden sie vom europäischen Markt kaum bedient, innerhalb Deutschlands schon gar nicht.“
ÖPNV, Rad- & Fußverkehr sollen gestärkt werden
Andere Maßnahmen setzen darauf, den bestehenden öffentlichen Personennahverkehr attraktiver zu machen. Das BOB-Ticket („Bequem ohne Bargeld“) würde etwa auch als App auf dem Smartphone funktionieren. Statt eines Tickets zu kaufen, erkennt das Gerät automatisch, welche Strecke zurückgelegt wurde und errechnet den Tagesbestpreis automatisch.
Auch eine größere Anzahl elektronischer Geräte, die an den Haltestellen die Abfahrtszeiten anzeigen, könnte den ÖPNV in Bremen voranbringen, sind die Experten überzeugt. Gleiches gelte für die Vernetzung verschiedener Mobilitätsangebote. Das Carsharing in Bremen könnte ebenfalls ausgebaut werden, besonders in den innenstadtfernen Stadtteilen. Um die anfangs zu erwartende niedrigere Nachfrage zu kompensieren, sollen Unternehmen vor Ort die Möglichkeit erhalten, die Carsharing-Fahrzeuge während ihrer Geschäftszeiten exklusiv zu nutzen.
Auch der Rad- und Fußverkehr soll in Bremen weiter gestärkt werden. Eine der Ideen: Bremen könnte die Kampagne „PING if you care!“ aus Brüssel übernehmen. Fahrradfahrer haben dabei mittels eines kleinen Knopfs am Fahrradlenker die Möglichkeit, gefährliche Situationen im Straßenverkehr – etwa Schlaglöcher – sekundenschnell zu melden. Die Fortführung der Fahrrad-Premiumrouten und die Errichtung von Weser-Querungsmöglichkeiten für Radfahrer und Fußgänger gehören ebenso zum Masterplan „Green City“.
Auch Innovationen aus dem Bereich „Automatisiertes Fahren“ sind berücksichtigt. Vorgeschlagen werden zum Beispiel Tests rund um das sogenannte „Platooning“, bei dem mehrere Lkw auf dem Weg von Mercedes-Benz-Werk zum Autoterminal digital miteinander gekoppelt werden. Auf diese Weise sollen Fahrzeugabstand, Luftwiderstand, Staus und Emissionen verringert werden.
Der Bremer Masterplan wird nun nach Berlin geschickt – damit ist die erste Voraussetzung geschaffen, Fördergelder für die verschiedenen Projekte zu beantragen. Welche der aufgezeigten möglichen Maßnahmen umgesetzt werden, hängt vom Umfang der bewilligten Förderung ab.
Peter W meint
“Deutsche Industrie hat E-Mobilität total verschlafen”
Diese Satz macht derzeit die Runde, und es ist einfach alles auf die Autobauer zu schieben. Ich frage mich, wo vor 3 oder 5 Jahren die Verkehrsbetriebe waren, die heute Elektrobusse haben wollen.
Ich bin wirklich kein Freund der Autoindustrie, die versuchen möglichst billig davon zu kommen und mit den Fahrzeugen Geld zu verdienen die sie haben. In den letzten Jahren habe ich aber nichts davon gehört, dass die Städte auf E-Busse umsteigen wollen. Jetzt wo es Geld vom Bund gibt, sollen die Hersteller aber von Heute auf Morgen E-Busse aus dem Hut zaubern. So einfach darf man es sich auch nicht machen. Außerdem gibt es einige kleinere Hersteller, bei denen man mit entsprechender Vorlaufzeit einige tausend Busse hätte beschaffen können.
Dass es auch noch andere Möglichkeiten, wie z.B. attraktive Radwege gibt, scheint man jetzt erst zu erkennen. Städteplanung war viel zu lange nur Straßenplanung oder Wohnungsbau für kapitalkräftige Investoren. Es wird Zeit, dass die Herren Stadtplaner endlich aufwachen und Städte für Menschen und nicht für Autos planen.
alupo meint
Hier wird gelegentlich davon geschrieben, dass die fertigen Pläne in der Schublade liegen würden.
Ich denke, man hat die Schränke mit den Schubladen incl. Inhalt auf den Sperrmüll gebracht. Anders kann ich mir das aktuelle 0-Angebot nicht erklären.
alupo meint
Es gab schon einige Verkehrsbetriebe die danach fragten.
Sie sind wohl genauso genial abgeblitzt wie die Deutsche Post nach ihrer Anfrage. Was die daraufhin notgedrungen selbst unternommen hat ist ja hinlänglich bekannt.
Und was Mercedes dazu meinte hat erst kürzlich dessen neuer Vorstand für LKW und Busse, Martin Daum, Diplomkaufmann ex Uni Mannheim, klar geschildert: „Wir glauben nicht dass eMobilität im Großen geht und daher warten wir ab was der Tesla Semi als LKW, wenn er auf dem Markt ist, kann. Wir gehören mit zu den ersten (Kunden)“, sinngemäß oder so ähnlich.
Für die Kunden ändert sich daher nichts. Es gilt weiter wie busher: „Warten auf Godot“. Samuel Becket lässt grüßen.
Schlafröschen meint
“Deutsche Industrie hat E-Mobilität total verschlafen”
Das hat nicht mit verschalafen zu tun, sonder der festgefahrenen Verbrenner-Motorenentwicklung.
150kW meint
„“Die deutsche Industrie hat das Thema E-Mobilität total verschlafen”, kritisierte er die mangelnde Verfügbarkeit an geeigneten Fahrzeugen.“
Warum hätten die Hersteller auch auf Verdacht eine Serienfertigung planen sollen? In China hat auch keiner einfach so mal einen Batterie Bus gebaut, da gab es im Vorfeld Förderungen im Bereich 160.000€ pro Bus. Das erzeugt Nachfrage und dann werden solche Busse auch entwickelt und gebaut.
Thomas R. meint
Hast du da eine Quelle?
BYD hält sich bei Preisen ja recht verschlossen. Ich meine mal was von 350.000$ für den Durschnittsbus gehört zu haben..
150kW meint
Die 160.000 find ich gerade nicht, aber hier ähnlich:
„Für jeden unserer Busse haben die Zentral- und die Lokalregierung jeweils mehr als 60.000 Euro Subventionen dazugezahlt. Zusammen also mehr als 120.000 Euro pro Bus. Auch für die Batterien bekommen wir Zuschüsse. Unterm Strich kostet uns jeder Bus so nur rund 64.000 Euro.“
https://www.deutschlandfunk.de/china-unter-strom-in-shenzhen-fahren-16-000-e-busse.769.de.html?dram:article_id=414757
Thomas R. meint
Was meint der denn mit auch für battieren? Zu den 120.000?