Im Rahmen der Milliarden teuren Umstellung auf die Großserienproduktion von Elektroautos will die Marke Volkswagen sich und ihre Produkte umfassend digitalisieren. Flankierend wird der Vertrieb neu aufgestellt, der zukünftig verstärkt über das Internet und im direkten Kontakt mit den Kunden erfolgen soll.
Die Volkswagen-Partner haben in diesem Jahr einen neuen Händlervertrag angeboten bekommen, der dem Wandel des Unternehmens, der Branche und dem Kaufverhalten der Autofahrer Rechnung trägt. „Stand jetzt haben gut 90 Prozent unserer europäischen Partner den Vertrag unterzeichnet“, sagte Vertriebsvorstand Jürgen Stackmann vor wenigen Tagen.
Für den Abschluss der Neuverträge ist der Stichtag der 14. Dezember, berichtet kfz-betrieb.de. Laut dem Branchenportal haben die Parteien bis zuletzt an der Vertriebsrichtlinie geschliffen, die für Kernthemen des neuen Vertrages wie etwa Direktvertrieb, Händlermarge, EDV oder Standards maßgeblich ist. Die Verhandlungen dürften sich insbesondere darum gedreht haben, dass Volkswagen künftig intensiv selbst Autos vertreiben will.
„Wir werden dank der neuen Verträge erstmals die Möglichkeit haben, direkt mit den Kunden in Kontakt zu treten – über den gesamten Lebenszyklus seines Fahrzeugs hinweg“, so Stackmann. Im Mittelpunkt stünden Prozesse, „die das Leben einfacher machen“. Tatsächlich sind die Ziele der Wolfsburger äußerst ehrgeizig und weitreichend: „Wir arbeiten an der Neugestaltung des Autokaufs“, erklärte der Vertriebsvorstand.
Im Kern von Volkswagens neuer Vertriebsstrategie steht das laut Markenchef Ralf Brandstätter geplante „weltgrößte automobile Ökosystem“. Dazu entwickelt der Konzern derzeit mit Microsoft eine Automotive Cloud. Weitere Partnerschaften im digitalen Bereich sollen folgen, etwa für „Functions on Demand“ – dazu Stackmann: „Es entsteht ein virtuelles Kaufhaus.“ Er betonte, dass dies „nur gemeinsam“ mit dem Handel möglich sei.
Vertrieb fährt künftig vor dem Marktstart hoch
Eine zentrale Neuerung des Volkswagen-Vertriebs bringt das 2019/2020 startende erste Elektroauto der neuen I.D.-Familie. Der Kompaktwagen wird der erste VW sein, den Kunden im Stil von US-Hersteller Tesla direkt reservieren und vorbestellen können. Ab Frühjahr 2019 gibt es für die Baureihe ein „Pre-Booking“-Verfahren, das eine frühere Auslieferung verspricht. Stackmann: „Wir stellen unsere Autos nicht mehr in den Händlerschauraum und schauen dann, was passiert. Unsere Kunden sollen die letzte Phase vor dem Marktstart begleiten können.“
Die neue Ausrichtung im Verkauf stelle für VW den „Startschuss ins Leben des E-Commerce“ dar, so Stackmann weiter. Man wolle dabei auch zukünftig „Begeisterung für die individuelle Mobilität“ bei den Kunden wecken. Von den langfristig mehrere Segmente bedienenden I.D.-Stromern will er schon 2020 weltweit mindestens 100.000 Einheiten absetzen. „Ich sehe magische Jahre auf uns zukommen“, freute sich Stackmann.
eMobilitätsberater meint
“magisch” wäre auch, wenn die Ausschaltung des Händlers sich in tieferen Kundenpreisen zeigen würde…
Also so ganz so einfach ist das mit dem Ausschalten der Händler nicht. Die Händler müssen in die großen Glaspaläste investieren die oft zischen 2 bis 10 Millionen EURO kosten. Das machen nur die wenigsten ganz freiwillig. Die Alternative ist genau nur diese eine. Handelsvertrag kündigen lassen, Betrieb schließen, Mitarbeiter entlassen. In den allermeisten Fällen würde dies zur Insolvenz der gesamten Gruppe, also mit allen Standorten führen. Beispiele dafür gibt es genug. Der Service wäre damit dann aber auch nicht mehr vorhanden. Wer macht dann z.b. die Garantiefälle, und wer den Service zum Garantie Erhalt. Die Garantie-Ansprüche muss der Hersteller/Importeur europaweit und kostenlos erbringen. Das ist die Grundlage des von der EU genehmigten „Vertragshändler“ Systems. Es gibt ja einige, wenige , „Vertragspartner Service“ , die keinen „Glaspalast“ brauchen, aber die sind sehr dünn gesät. Das System Garantie auch ohne Wartung hat nur Tesla, und kann Tesla auch nur machen weil das FZ online überwacht wird und bei drohendem Schaden „meckert“. Das System find ich ja auch faszinierend, aber viel davon ist auf die anderen Hersteller nicht übertragbar. Es gibt 1000 und 1 Verpflichtung für die Service-Partner und auch für die Handelspartner, und da kommen die hohen Kosten her.
Michael Diefenthal meint
Was fehlt ist das After-Sales-Geschäft. Wenn BMW keine 500€ mehr für 3,5 Liter gewechseltes Motoröl beim Mini abkassieren kann, wird es eng werden. Ich denke auch, dass wegen mangelndem E-Angebot derzeit sich bei den verfügbaren BEV noch mächtig die Taschen vollgestopft werden ( vgl. die Kona & Ionic Preise usw.).
Ich glaube, dass es ein Volks-BEV für 12.000€ + Batterie in 8 Jahren gibt.
Die Marge stammt dann aus der Finanzierung von BEV + Ladebox + PV-Anlage + Hausspeicher.
MiguelS NL meint
Die Händler haben im eigenen Sinne aber auch im Sinne des Herstellers, sich nicht für den Verkauf von EVs eingesetzt, jetzt werden sie vom Teufel abserviert.
Schummeldiesel meint
Ich fahre gerade einen EA189 Schummeldiesel und werde aus diesem Grund bestimmt kein VAG Produkt mehr kaufen.
Werner meint
Super
Wir machen genau das gleiche!
Wilf meint
….zumindest in den nächsten 5 Jahren dürfte der Vertrieb von e-Autos recht einfach sein. Es ist, wenn sie nicht alles falsch machen, mehr eine „Zuteilung“.
Satcadir meint
Die Händler können ein Paket von stromerzeugender Heizanlage, PV Anlage, bidirektionaler Ladestation und Wartung anbieten.
Allerdings fallen dann Stromversorger, Heizungsbauer und Versicherungen ins Loch.
Alles in allem gibt es einen fulminanten Einschlag in die Wirtschaft.
Paul meint
Mit der Bestellung des Fahrzeug sollte auch gleichzeitig die Hauseigene Ladestation integriert sein. Da viele heute schon eigene PV-Anlagen auf dem Dach haben deren Einspeisevergütung auslaufen sind daran interessiert den sauberen PV-Strom zu speichern zum Laden für das E-Fahrzeugs. Also Gesamtlösungen sind gefragt. Der Einstieg in die E-Fahrzeuge sollte durch einen Anreiz mit preiswerte Monatsraten für jeden möglich werden die oft schon durch die Einsparungen durch die Ablösung des alten Verbrenners mit Wartungs- Reparatur- Fahrtkosten sowie Ausfall der KFZ-Steuer ausgeglichen werden. Hier sollen die Autoindustrien mit akzeptablen Finanzierungen im Wettbewerb einen Anreiz schaffen damit es schneller zur Massenproduktion kommen kann, welche wiederum die Fahrzeugpreise ermässigt und alle davon provitieren können.
Rene meint
Bin exakt der gleichen Meinung – die Autobatterie muss auch die Möglichkeit der Rückeinspeisung in den Haushalt bieten – derzeit wird leider nur mit Chademo experimentiert – wo bleiben die Deutschen?
Satcadir meint
Mir schon klar, wo die Deutschen bleiben. Eine Rückspeisefähigkeit wäre der Tod der Stromversorger.
MiguelS NL meint
Die Hersteller von ((stationäre) Energiespeicher arbeiten nicht für die Stromversorger.
Das Knowhow und eine Strategie fehlt.
150kW meint
“ derzeit wird leider nur mit Chademo experimentiert“
Ja, das Experiment mit CCS war schon 2014 ;)
„wo bleiben die Deutschen?“
Zitat:
„Weshalb VW auch eigene Wallboxen ins Programm hebet, die mit 11 kW Leistung ohne Netzanbindung bei gut 300 Euro starten. […] Über der „Volksbox“ wird eine rund 600 Euro teure Version mit Internetanschluss rangieren, die auch Daten und abrechnungstechnisch verschiedene Nutzer händeln kann, während das Topmodell auch bidirektional und mit 22kW Schnelladen kann, wofür VW rund 2000 Euro aufrufen möchte..“
Uwe Federkeil meint
Siehe Sion von Sono Motors und E3/DC oder Sonnenbatterie, alles in Vorbereitung und funktioniert schon 2019.
Die Straßen werden ab 2020 schrittweise zum virtuellen Kraftwerk – Bundesweit vernetzt und über alle Ladestellen anzuzapfen oder einzuspeisen.
Es braucht keine teuren Stromtrassen durch die Wälder, Wiesen, Auen etc.
Paul meint
Mit der Bestellung des Fahrzeug sollte auch gleichzeitig die Hauseigene Ladestation integriert sein. Da viele heute schon eigene PV-Anlagen auf dem Dach haben deren Einspeisevergütung auslaufen sind daran interessiert den sauberen PV-Strom zu speichern zum Laden für das E-Fahrzeugs. Also Gesamtlösungen sind gefragt. Der Einstieg in die E-Fahrzeuge sollte durch einen Anreiz mit preiswerte Monatsraten für jeden möglich werden die oft schon durch die Einsparungen durch die Ablösung des alten Verbrenners mit Wartungs- Reparatur- Fahrtkosten sowie Ausfall der KFZ-Steuer ausgeglichen werden. Hier sollen die Autoindustrien mit akzeptablen Finanzierungen im Wettbewerb einen Anreiz schaffen damit es zur Massenproduktion kommen kann, welche wiederum die Fahrzeugpreise ermässigt und es zu einer WIN-WIN-Situation für alle kommt.
nilsbär meint
Angesichts der zu erwartenden schwachen bis nicht vorhandenen Margen bei E-Autos (ausgenommen vielleicht das Premiumsegment) ist Kostensenkung für alle Hersteller überlebenswichtig.
Dazu gehört auch die möglichst weitgehende Ausschaltung des bisherigen Händlernetzes durch Direktvertrieb. Tesla hat gezeigt, dass die Kunden das annehmen und alle Volumenhersteller werden es nachmachen. Mit magischen Jahren hat das rein gar nichts zu tun. Hat Nokia nach der Einführung des Smartphones auch von magischen Jahren gesprochen?
Niklas meint
Seit wann ist Direktvertrieb denn günstiger als indirekter Vertrieb?
Vertragshändler sind wirtschaftlich selbständig, tragen das Risiko, haben günstigere Löhne als VW-Konzernmitarbeiter, usw.
Hier geht es vor allem darum, attraktivere Absatzkanäle zu erschließen, die neuen Kundenforderungen entsprechen sollen. Um die Margen muss man sich langfristig auch keine Sorgen machen. Der Verkaufspreis richet sich ja nicht nach Selbstkostenpreis plus X, sondern geht vom Markt aus. Mit starken Marken und zB digitalen Mehrwerten kann da viel erzielt werden.
nilsbär meint
Das Vertriebskonzept von Tesla – Showrooms und Bestellungen über das Internet, die von Software verwaltet werden – ist weit billiger als das traditionelle Händlernetz. Die Händler müssen ja ihre Niederlassung finanzieren (Grund, Gebäude, Ausstattung, Personal…) und auch von was leben. Ohne Händler könnten die Autos (fast) um diese Summe billiger sein. Und diese Möglichkeit der Kostensenkung ist wichtig für die Hersteller. Für die Händler ist es natürlich weniger toll.
nilsbär meint
@Niklas
„Um die Margen muss man sich langfristig auch keine Sorgen machen.“
Gerade heute kam wieder ein Bericht, dass die Margen der Autoindustrie weltweit auf einem Tiefststand sind.
Da wird deine Erkenntnis für ein Aufatmen in den Vorstandsetagen sorgen:-)
Niklas meint
Das liegt an Zöllen und Rabatten. Nicht an der Technologie.
Swissli meint
Ich behaupte dass die Marge bei E-Autos, Stand heute, jetzt schon gleich oder höher ist als bei Verbrennern.
Tiefere Kosten wegen:
weniger Bauteile, einfachere/günstigere Teile, weniger Logistik, weniger Montageaufwand, weniger Manpower/Personal, kürzere Montagelinien (weniger Investitionen), kürzere Montagezeiten, höherer Output/Tag usw.
Das allein wiegt die „teure“ Batterie schon mehr als auf. Zudem sinken die Kosten der Batterie permanent.
Verkauf via Direktvertrieb statt über Händler ist dann noch das Sahnehäubchen auf der Marge.
Fazit: die Marge ist nicht so dünn wie von der Autoindustrie immer skandiert/befürchtet.
Selnim meint
Vorbestellen ist natürlich eine gute Option. Dann weiss der Hersteller auch die Nachfrage besser einzuschätzen. Dass der Kunde sich auch direkt an den Hersteller wenden kann, macht Sinn. Ist ja ein bekannter Umweg. Kunde wendet sich an Händler, Händler an Hersteller, Hersteller an Händler und Händler an Kunde.
MiguelS NL meint
Was man nicht alles von einem Startup lernen (bzw. abgucken) kann :-)
Pamela meint
+1 ????????
MiguelS NL meint
☺️
MacGyver meint
Ich werde dem durchschnittlichen VW-Verkäufer keine einzige Träne hinterher weinen. In jedem zweiten Ort steht ein riesiger Händler Palast mit einer Heerschar schmieriger Schmarotzer die mein Auto teurer machen ohne mir auch nur einen einzigen Mehrwert zu bieten. Ich rede wie gesagt nicht vom Service. Der kann gerne so bleiben oder besser werden. Wobei … Eigentlich kann ich die Scheibenwaschflüssigkeit auch selber auffüllen, Räder und Scheibenwischer auch selber wechseln.
Nein, im Ernst. Ich freue mich auf den Direktvertrieb. Mal abwarten wie sich das Thema in nächster Zeit entwickeln wird. Ich jedenfalls freue mich auf die Zukunft.
Swissli meint
„magisch“ wäre auch, wenn die Ausschaltung des Händlers sich in tieferen Kundenpreisen zeigen würde…