Der Anbieter der Schweizer Elektroauto-Knutschkugel Microlino hat die Vorbesteller diese Woche in einer E-Mail über eine weitere Verzögerung informiert. In dem Schreiben warf die Gründerfamilie Ouboter dem neuen Auftragsfertiger Artega mangelnde Qualitätsstandards vor. Artega kündigte nun einen Stromer ganz ähnlich dem Microlino an.
Ursprünglich sollte das auf elektrische Leichtfahrzeuge spezialisierte italienische Unternehmen TMI den Microlino produzieren. Ende 2018 wurde TMI von Artega übernommen und die Produktion des Microlino von Italien nach Deutschland verlegt. Der neue Geschäftsführer von TMI und Eigentümer von Artega, Klaus Dieter Frers, sprach mit dem Handelsblatt-Ableger Edison über seine Sicht der Dinge.
Frers wolle ein stylisches und hochwertiges E-Auto bauen, die Ouboters eher ein spartanisches Modell. Er habe daher entschlossen, einen eigenen Kabinenroller auf den Markt zu bringen: Den „Karolino“, der eine technische Weiterentwicklung des Microlino sei. „Er wird auf der Automesse IAA in Frankfurt Premiere feiern“, kündigte Frers an. Die Auslieferung werde im Oktober starten und 2019 mehrere Hundert Fahrzeuge gebaut. Im nächsten Jahr soll auf mehrere Tausend Exemplare hochgefahren werden.
„Wir werden Regionalzentren für den Vertrieb einrichten und mit ihnen die Städte etwas bunter machen“, so Frers. Den Betrieb sollen lokale Autohändler übernehmen. „Unsere Tür ist noch offen für den Microlino“, versicherte der Unternehmer. Beide Seiten verhandelten derzeit noch miteinander über eine Serienfertigung des Microlino.
Frers hat Artega 2006 gegründet und bis zur Insolvenz im Jahr 2012 den Verbrenner-Sportwagen Artega GT in Kleinstserie produziert. Derzeit entwickelt er eine Elektrovariante dieses Fahrzeugs, mit der die Marke wiederbelebt werden soll. Frers ist zudem Vorstandvorsitzender des deutschen Automobilzulieferers Paragon und Aufsichtsratsvorsitzender des Batterie-Experten Voltabox.
Die Ouboters bereiten sich darauf vor, dass TMI keine Fahrzeuge für sie bauen wird – man arbeite bereits „an einem Plan B“. Sollte Frers mit TMI ein Konkurrenzmodell einführen, würden die Kunden beim Original bleiben, hoffen die Microlino-Erfinder. Ihrer Ansicht nach lässt der Joint-Venture-Vertrag mit TMI die Produktion des Karolino allerdings gar nicht zu. Frers sieht das anders: „Wir sehen uns gewappnet“, sagte er Edison. „Wir haben die Werkzeuge für die Produktion bereits bestellt.“
Stefan meint
Normalerweise macht kein Auftragsfertiger einem seiner Auftraggeber Konkurrenz. Dafür grundet man wenigstens ein Tochterunternehmen. Aber Herr Frers dürfte über Paragon und Voltabox mit Freunden in Politik und Wirtschaft ausreichend gut vernetzt sein, dass ihn ein paar Schlagzeilen über mögliche Vertragsstreitigkeiten, Fairplay oder Dreistigkeit gegenüber Schweizern nicht aus dem Gleichgewicht bringen.
In diesem Markt gehen jetzt wohl die Einkaufstouren los und e.Go, Sono und Streetscooter sind weitere interessante, potentielle Kandidaten. Es ist immer die Frage, ob man warten kann, bis ein Startup vielleicht doch pleite geht – dann bekommt man es zum Schnäppchenpreis, oder ob man notfalls doch richtig tief in die Tasche greifen muss, bevor ausländische Investoren das Know How abgreifen. Am Ende zählt nur der Erfolg und wie er mit guter PR verkauft wird.
Lesetipp: Valentine-Urbschat, „Elektrisiert“, in Romanform werden die Hintergründe dieses riesigen Industriezweiges treffend dargestellt. Es braucht keine Verschwörungstheorien, es genügen die Gier und die Eitelkeiten einzelner Menschen an der richtigen Stelle ;-)
getec meint
Das ist echt fies..
Von einem deutsche Hersteller hätte man sich eine bessere Qualität erhoffen können und nun schaffen die das nicht, bzw. wollen nicht, um das Produkt zu diskreditieren.
Ich hoffe, das Ouboters das hinkriegen, den es war ihre Idee und ihr Baby….
Meine Reservierung bleibt stehen!
roy-bear meint
Vertrauen dahin!
…was für eine Schlammschlacht?! Auch wenn es rechtlich möglich wäre, ist es doch nicht kosher !
Schade, wir müssen uns doch noch mit der übereilten Bestellung von e-cars gedulden und abwarten: pre-orders, also Reservierungen bedeuten noch lange nicht verbindliche Bestellungen!
Die Ouboters tun mir leid.
Harry meint
„eine technische Weiterentwicklung des Microlino“
Wie kann der das patentrechtlich machen? Das ist doch Diebstahl von geistigem Eigentum, oder gibt’s da andere Betrachtungsweisen?
Fritz! meint
Das kommt darauf an, was die beiden Firmen für Verträge gemacht haben. Könnte also legal sein…
Daniel meint
Da muss man erst mal sehen welche Patente die Entwickler von Microlino überhaupt haben.
Auf Design gibt es keine Patente, das wird anderweitig geschützt.
Dann kommt es darauf an, wo die Patente angemeldet wurden, was unter Schutz steht und in welchen Ländern welche Patente gelten.
Selbst wenn Patente bestehen, kommt es immer noch darauf an, welche Rechte man wem vertraglich zugesichert hat, ein Auftragsfertiger würde ja sonst immer gegen Patente verstoßen.
Die Geschichte hat allerdings schon einen üblen Geruch.
Die Wirtschaft ist ein Haifischbecken, und wer sich da hinein begibt ist Bestandteil der Nahrungskette.
jomei meint
Herr Frers scheint mir je länger je eher ein Windbeutel zu sein. Zwischendurch war Artega insolvent, jetzt hat er TMI gekauft, bekommt aber die Microlino-Produktion nicht richtig auf Reihe, kündigt Konkurrenz zu seinem eigenen Jointventure an…
Befund: Nichteinhaltung von vertraglichen Vereinbarungen. Micromobility sollte eine Schadensersatzklage in Erwägung ziehen.
Außerdem war doch ohnehin konzipiert, dass Micromobility Produktionslizenzen vergibt, so dass auch in anderen Märkten produziert werden kann.
Was spricht gegen eine Fertigung in der Schweiz trotz Hochlohnland? Bei Artega sollte der Microlino von 50 Mitarbeitern zusammengebaut werden. Der schweizer Markt würde sich den teuren Einfuhrzoll sparen.
Oder Magna Steyr in Österreich? Die sind doch fit für alle Auftragsfertigungen.
In Ländern ohne dominierende Autoindustrie dürfte es weniger Blockaden geben.
Steffi Zienz meint
Entfernt. Bitte verfassen Sie konstruktive Kommentare. Danke, die Redaktion.
nilsbär meint
Ein Auftragsfertiger, der ein Konkurrenzmodell bauen will? Würde das z.B. Magna machen, wären sie alle Kunden sofort los und hätten heftige Klagen am Hals. Die Gründerfamilie tut mir leid. NEVS könnte einspringen. Dann ist der Microlino allerdings made in China.
Wrzlbrnft meint
TMI ist aber kein Auftragsfertiger, sondern baut seit 10 Jahren ein eigenes Elektroauto. Von daher ist es nicht verwerflich, wenn auf der IAA ein neues Modell vorgestellt wird. Microlino tut so als hätte Artega mit TMI nur das Recht den Microlino zu produzieren, was ich mir schwer vorstellen kann. Mit TMI dürfte Artega auch den Tazzari Zero übernommen haben.
Aleman meint
Ich will hier ja nicht unken,
aber wenn Artego nicht will, dann soll Microlino sich doch an e.Go in Aachen wenden. Meiner Meinung nach haben die nächstes Jahr Kapazitäten frei und dürften über so etwas froh sein. Außerdem ist der Microlino ungefähr das, was der e.Go ursprünglich sein wollte.
Christoph meint
Hallo Unke,
wieso soll e.GO nächstes Jahr Kapazitäten frei haben?
Bis dahin sind doch kaum die heute vorliegenden Vorbestellungen abgearbeitet!
Auch sehe ich keine Ähnlichkeiten zwischen e.GO – Konzept und Micolino!
Aleman meint
@ Christoph:
Also wenn e.Go die Vorbestellungen abgearbeitet hat, ob da dann noch viel nachkommt? Die müssen bei ihrem Auto noch eine Schippe drauflegen, sonst kommt da nicht viel, denn sie sind nicht besser als ein alter Smart oder Drilling und dann noch ohne Schnellladefunktion.
Und er e.Go sollte anfangs auch ein Leichtmobil werden. Insofern also doch eine Ähnlichkeit.
Aber ich will hoffen, dass e.Go die Kurve kriegt.
TwizyundZoefahrer meint
Das wird nix. Gleiches Gelaber wie seinerzeit bei Colibri. 10k vorbestellt, jedes Jahr 1k gebaut = Wartezeit 10 Jahre, wers glaubt…….
Ebikethoemmel meint
Das ist ja übelst! Wünsche der Familie Ouboter, dass sie bald einen verlässlichen Produktionspartner finden. NEVS? VonRoll? Die jüngsten Verzögerungen bei SONO, E Go und jetzt Microlino wirken schon irgendwie fremd beeinflusst. Kopf hoch Microlino!
Gunarr meint
Der Herr Frers scheint ja ein echt ausgebufftes Schlitzohr zu sein. Geht erst pleite, schafft es trotzdem, die Italiener aufzukaufen, lässt nun die Schweizer zappeln und übernimmt schließlich deren Produkt. Ich hätte kein gutes Gefühl, wenn ich bei dem ein Auto kaufen sollte.
OpaTesla meint
Yep. Ziemlich heftig.
Ein Schelm, wer denkt, dass da die Großindustrie mit ABM dahinter steht. Die hat den armen Mann wohl a bisserl ausgepolstert, damit er als Strohmann und Buhmann her hält.
Ich hoffe, dass jemand Licht in die Verstrickungen bringt und es an die große Glocke hängt.
Und ja, ich würde von dem Typen sicher kein Auto kaufen.
OpaTesla meint
PS: Oder warum sollte sich der Mann sonst seinen Ruf komplett ruinieren?
Gunnar meint
Haltlose Verschwörungstheorie.
Schalt mal einen Gang runter.
OpaTesla meint
Yep. Aber irgendwie muss man seinen Frust ja los werden :-).
Ralf Naumann meint
Warum wird es immer gleich zu einer „Verschwörungstheorie“ wenn jemand den Grosskonzernen dunkle Machenschaften unterstellt?
Swissli meint
Das sind ja schon fast chinesische Verhältnisse.
JoSa meint
Ich hätte nicht gedacht, dass Artega es nötig hat sich als Schmarotzer darzustellen.
Aber der Preisunterschied zwischen Karolino und Microlino wird es hoffentlich richten.
nilsbär meint
Magna Steyr baut für mehrere Autokonzerne zugleich, u.a. alle Jaguar I-PACE. Umsatz Q1/2019 von 1,7 Mrd. Euro. Eine Kleinserie interessiert die nicht. Und bei einem Auftrag von sagen wir 30.000 Stück über 3 Jahre will Magna wohl Vorauszahlungen, Bankgarantien o.ä.