Die Bundesregierung will den Ausbau der deutschen Elektroauto-Ladeinfrastruktur forcieren. Dazu stellt der Staat viel Fördergeld zur Verfügung, doch das bisherige Förderprogramm für öffentliche Strom-Tankstellen zeigte nicht den erhofften Effekt. Auch ein neuer Förderaufruf könnte zum Flop werden. Das liegt laut der Branche vor allem an der hiesigen Bürokratie.
Von über 50.000 öffentlich verfügbaren Ladepunkten in Deutschland seien bis August 2021 lediglich 7240 mit Fördergeld des Bundes aufgebaut worden, berichtet das Handelsblatt. Nur zwölf Prozent der bewilligten Zuschüsse seien tatsächlich abgerufen worden, wie aus Zahlen des Verkehrsministeriums hervorgehe. Erst wenn Ladesäulen in Betrieb genommen und die entsprechenden Belege dazu geprüft worden sind, fließt das Fördergeld.
Aktuell läuft ein neues Förderprogramm für öffentliche Ladeinfrastruktur, bei dem der Staat 500 Millionen Euro von 2021 bis 2025 bereitstellt. Das Szenario des Vorgänger-Programms könnte sich wiederholen.
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), dessen Mitglieder auch Ladesäulenbetreiber sind, macht Bürokratiechaos dafür verantwortlich, dass bisher nur vergleichsweise wenig Ladepunkte aufgebaut und die Fördergelder dafür abgerufen wurden „Die Förderverfahren für öffentliche Ladeinfrastruktur sind zu kompliziert und zu langwierig. Sie verursachen bei den Antragstellern einen großen bürokratischen Aufwand“, sagte BDEW-Chefin Kerstin Andreae dem Handelsblatt.
EnBW, der größte Ladesäulenbetreiber Deutschlands, bestätigte die Missstände: Bei geförderten Standorten verlängerten sich Antrags-, Planungs- und Umsetzungszeiträume im Schnitt um etwa sechs bis zwölf Monate. Der Antragsprozess für eine Förderung könne mehrere Monate dauern. Andere Unternehmen berichten laut der Wirtschaftszeitung, dass sie zudem ein halbes Jahr und länger auf die Überweisung der Fördergelder vom Staat warten.
„Der Zeitpunkt des Mittelabflusses ist grundsätzlich auch abhängig von der Umsetzungsdauer des Projektes durch den Antragsteller“, erklärte die staatliche Now GmbH, die für das Verkehrsministerium den Ausbau der Ladeinfrastruktur koordiniert. Die Optimierung der Antragsbearbeitung in den Förderprogrammen sei „eine kontinuierliche Gestaltungsaufgabe“. Dabei müssten die Ziele der schnellen Antragsbearbeitung und zeitnahen Projektumsetzung „mit dem Grundsatz eines ordnungsgemäßen und möglichst effizienten Einsatzes von Haushaltsmitteln andererseits“ vereinbart werden.
BDEW macht Verbesserungsvorschläge
Der BDEW macht Vorschläge, um die Bürokratie zu reduzieren. Dazu solle der Antragsprozess vereinfacht und vollständig digitalisiert werden. Pauschale Förderbeträge sollten individuell gewährte Projektzuschüsse ersetzen. Und die Beantragung der Förderung solle auch nach Inbetriebnahme möglich sein. Letztere beiden Punkte hat die Now GmbH bereits als nicht sachgerecht beziehungsweise ordnungsgemäß abgelehnt.
Der Aufbau neuer Ladeinfrastruktur wird auch gebremst, weil der Netzanschluss so lange dauert. Der durchschnittliche Netzbetreiber brauche sechs bis neun Monate von der Antragstellung bis zur tatsächlichen Errichtung des Mittelspannungsanschlusses, berichtete der jetzt auch Schnelllader installierende Tankstellenbetreiber Aral. Von der EnBW hieß es, dass der Konzern im Durchschnitt ein halbes Jahr auf den Netzanschluss warte, vereinzelt auch „erheblich länger“. Schuld daran sind neben den Netzbetreibern auch Dritte, etwa Behörden, die Baugenehmigungen erteilen müssen.
„Mehr personelle Kapazitäten und eine Digitalisierung der Prozesse bei den Behörden würde allen Akteuren, die für den Bau von Ladeinfrastruktur benötigt werden, zugutekommen“, so der BDEW. Bei der Umsetzung des Netzanschlusses seien in der Regel aber auch weitere Dienstleister erforderlich, die zum Beispiel Tiefbauarbeiten durchführen. Aufgrund des Fachkräftemangels könne es hier ebenfalls zu Verzögerungen kommen.
Berliner-Ansichtskarte meint
Wenn jemandem durch ein Förderprogramm z.B. 30.000€ Zuschuss in Aussicht gestellt wird, wieso sollte man darauf verzichten? Wenn das Förderprogramm jedoch einen endlosen Prozess abverlangt, z.B. strenge Auflagen, die sogar außerhalb der anerkannten EU-Normierungen stehen, dann ist absehbar, dass der Anbietermarkt plötzlich sehr klein, die Schlange lang und die Bürokratie hoffnungslos überfordert ist.
Unternehmer, die außerhalb des Förderprogramms schlicht Ladeinfrastruktur errichten wollen, weil sie´s brauchen (z.B. E-Logistik) riskieren einen wirtschaftlichen Nachteil oder sogar empfindliche Strafen (aktuell stehen 50.000€ Strafen im Raum für jede Ladesäule, die der aktuellen LSV nicht entspricht, wohl aber EU-Normen voll und ganz nachkommt.
Komisch, aber in dem Falle ist bewiesen, dass dieses Förderprogramm hauptsächlich den Zweck hat, den Ausbau der E-Mobilität zu bremsen. Das funktioniert schon erfolgreich seit 2014 – dem Start der TESLA-Supercharger in DE.
(Letztere werden „hilfsweise“ als sowas wie eine geduldete private Sekte eingestuft)
Ich bin auf die Posse gespannt, wenn der erste TESLA-SC, der sich in DE für andere Marken öffnet, eine Abmahnung und Aufforderung zur Stillegung kassiert.
Fritzchen meint
Interessanter Bericht. Eine Problemstellung erkenne ich nicht.
Nur weil es sich um Elektro handelt, dürfen Gesetze nicht ausgehebelt werden.
Es ist immer einfach das Wort ‚Bürokratie‘ anzuwenden, um etwas schlecht zu reden.
Bürokratie ist aber die Ausführung von Recht und Gesetz. Mitarbeiter trifft keinerlei Schuld.
Gunarr meint
Wer hätte gedacht, dass eines Tages die Mineralölkonzerne den Netzbetreibern in den Hintern treten, damit die Elektromobilität vorankommt.