Statt einem deutschen Zulieferer oder Autohersteller produziert schon bald das chinesische Unternehmen CATL in Deutschland als Erster in großem Stil Batteriezellen für Elektroautos. Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht hat im Gespräch mit der WirtschaftsWoche gewarnt: Das könnte sich rächen.
„Wir brauchen eine deutsche oder europäische Lösung“, sagte Brecht. Allzu viel Zeit bleibe dafür nicht mehr: „Es muss jetzt einer aus der Deckung kommen, der sagt: Ich würde es mir zutrauen.“ Daimler hat vor einigen Jahren Zellen hergestellt, das Geschäft allerdings 2014 wieder aufgegeben. Dass das Unternehmen erneut selbst tätig wird, wolle Brecht nicht, betonte er. Ihm schwebe ein Zulieferer-Projekt mit festen Mengenzusagen der Hersteller vor.
Viele deutsche Autobauer produzieren die Batterien für ihre Elektroautos selbst, fokussieren sich dabei aber auf die Konfektionierung zugelieferter Bauteile zu Akkupaketen. Wie die hiesigen Zulieferer scheuen sie die hohen Investitionen und Risiken einer eigenen Zellfertigung. Den Markt für die wichtige Komponente dominieren daher derzeit Unternehmen aus China, Japan und Korea.
„Die Zelle ist das Kernstück der gesamten Elektrifizierung“, unterstrich Brecht, der 290.000 Daimler-Beschäftigte weltweit vertritt und auch im Aufsichtsrat des süddeutschen Autokonzerns sitzt. Er mahnte: „Man macht sich nicht nur von der Technologie abhängig, sondern auch erpressbar, wenn die Marktmacht des Lieferanten nachher dazu führt, dass er Preise und solche Dinge diktieren kann.“
Auch deutsche und europäische Politiker fordern eine einheimische Batteriezellfertigung für Elektroautos, bislang jedoch ohne Erfolg. So hat Bosch in diesem Jahr erklärt, sich nach längerer Prüfung gegen eine eigene Produktion entschieden zu haben. Auch ZF aus Friedrichshafen hat keine entsprechenden Pläne. Continental ist offen für eine Zellfertigung, will ein solches Projekt aber nicht ohne Partner vorantreiben.
Peter W meint
“Man macht sich nicht nur von der Technologie abhängig, sondern auch erpressbar, wenn die Marktmacht des Lieferanten nachher dazu führt, dass er Preise und solche Dinge diktieren kann.”
Ein höchst interessanter Satz!
Herr Brecht hat wohl die Befürchtung, dass der Fa. Daimler das bevor steht, was sie seit Jahrzehnten mit der Zulieferindustrie machen: Auspressen wie eine Zitrone über dem fetten Schnitzel.
Mal ganz ehrlich; ich freue mich drauf! Sollen doch die hochnäsigen Autobosse mal lernen wie es ist, wenn man selbst unter Druck gerät. Mit dem WLTP gibt es ja derzeit einen kleinen Vorgeschmack wie es gehen kann, wenn man sich zum Beispiel auf die beliebige skalierbarkeit der Politiker verlässt.
Dass eventuell einige wenige Zulieferer die Preise diktieren, könnte durchaus passieren. Weltweit gibt es eine riesige Anzahl von Zulieferern die sich gegenseitig Konkurenz machen, und dadurch erpressbar sind, bei den Zellherstellern ist die Auswahl noch sehr bescheiden.
Leotronik meint
Gerade bei den Chinesen sollte man misstrauisch sein. Die Elektromobilität wird vom chinesischen Staat massiv unterstützt um sich frühzeitig eine strategische Ausgangsposition zu verschaffen. China kennt nur strategische Entscheidungen und hustet auf den freien und fairen Wettbewerb.
Peter W meint
So ist es, die tun uns keinen Gefallen!
Die wollen ihre Marktmacht ausbauen. Zuerst die PV-Module, und jetzt die Akkus.
alupo meint
Das sehe ich genauso.
Wirtschaft ist Krieg mit anderen Mitteln, von mir leicht abgewandelt.
Was passiert, wenn man kaum noch eine produzierende Industrie hat, sieht man in einigen südosteuropäischen Ländern. Das sollte bitteschön nicht unser strategisches Ziel sein, denn sonst sieht es, was die deutsche Beschäftigungsquote betrifft, sehr schwarz aus.
Gunarr meint
Autohersteller sind abhängig von ihren Zulieferern. Das ist doch nichts Neues. Da macht man eben Verträge. Seriöse Geschäftsleute auf der ganzen Welt sind grundsätzlich bestrebt, ihre Verträge einzuhalten.
Macht es wirklich einen Unterschied, ob der Zulieferer ein Europäer oder ein Asiate ist? Meiner Meinung nach fußt die Haltung des oben zitierten Betriebsrates auf einem beschränkten Horizont, einhergehend mit Fremdenfeindlichkeit. Als ob ein einheimischer Zellhersteller nicht versuchen würde, seine Marktmacht auszunutzen, um seinen Profit zu steigern.
Pamela meint
Stimmt, Nationalität spielt keine Rolle.
Blöde Zölle könnten Einflüsse haben. Da die deutsche Automobilindustrie aber wiederum Einfluss auf die Politik hat, würde das wohl in ihrem Sinne laufen.
Am besten sind eigentlich Partnerschaften (eben auch internationale). So z. Bsp. Japaner mit Amerikanern, oder so…
Die besten Partnerschaften sind dann die, wo alle Partner echt Ahnung von der Technologie haben und gegenseitig voneinander profitieren und sich gemeinsam weiterentwickeln können.
JuergenII meint
„Macht es wirklich einen Unterschied, ob der Zulieferer ein Europäer oder ein Asiate ist?“
Ich denke es ist ein gravierender Unterschied, ob wir hier vor Ort (all so in Europa) eine Zellfertigung haben, oder ob wir die Technik nur aus dem Ausland bekommen. Denn egal wie man es dreht oder wendet. Speicher für Strom sind die Zukunft und werden nicht nur in Fahrzeugen benötigt, sondern auch in vielen anderen Bereichen zur Massenware werden.
Das perverse daran ist ja, dass wir hier in Europa in der Grundlagenforschung uns nicht vor anderen Staaten verstecken müssen, ganz im Gegenteil. Nur die Erkenntnisse werden dann von Firmen im Ausland umgesetzt. Das kann es ja, für die Ansprüche die Europa hat, auch nicht sein.
„Meiner Meinung nach fußt die Haltung des oben zitierten Betriebsrates auf einem beschränkten Horizont, einhergehend mit Fremdenfeindlichkeit. “
Klar denkt der Betriebsrat vordergründig für die Interessen seiner Mitarbeiter. Aber beschränktem Horizont oder gar Fremdenfeindlichkeit würde ich ihm nicht unterstellen.
Die europäische Automobilindustrie verdient prächtig. Dass die zusammen mit Zulieferern und anderen Herstellern keine eigene Zellproduktion ins Leben rufen ist schon ziemlich erbärmlich. Denn auch die nächste Generation der Feststoffzellen wird ja von den führenden Anbietern in Asien schon längst aktiv angegangen. Wenn da der Durchbruch kommt, sehen unsere Hersteller wieder mit dem Ofenrohr ins Gebirge.
Hier wäre die Politik gefordert, die den Herstellern einfach vorschreibt, dass ein bestimmter %-Satz ab dem Tag X aus europäischer Produktion kommt.
Aber in einer Wirtschaftswelt deren Aktivitäten nur von Quartalsberichten diktiert wird, sind längerfristige Strategien unerwünscht, sei denn sie kosten nichts.
150kW meint
„Ich denke es ist ein gravierender Unterschied, ob wir hier vor Ort (all so in Europa) eine Zellfertigung haben, oder ob wir die Technik nur aus dem Ausland bekommen.“
Mehrere Zellfertigungen in Europa gibt es doch aber schon.
JuergenII meint
So, welche denn, die (im großen Maßstab) produziert?
Fritz! meint
Samsung SDI baut in Ungarn Akkus für ca. 50.000 E-Autos (also grob 2 GWh/Jahr), LG Chem in Polen will 2019 ca. 100.000 E-Autos mit Akkus bestücken (ca. 5 GWh/Jahr).
Die Gigafactory 1 von Tesla hat gerade 20 GWh/Jahr erreicht. Die Asiaten holen auf, je mehr Akkus, desto besser.
150kW meint
Laut heise sollen es 15 GWh bei LG und 10 GWh bei Samsung sein. Macht 25GWh. Und das ist nur der Ausbau der für 2018 geplant ist.
JuergenII meint
Und die Firmen stammen aus welchen Ländern?
Defacto gibt es keinen europäischen Zellhersteller und genau das ist das Problem. Es sind die Hersteller des Zelloligopols aus Asien. Und genau da könnte es zu Problemen in der Zukunft kommen.
alupo meint
Im Vergleich zu dem geplanten Ausbau alleine in der existierenden Gigafactory 1 auf 105 GWh p.a. ist das eine eher nur mittlere Kapazität.
Auch wenn man bedenkt, dass Tesla gerade einen Auftrag für die Installierung von 1,1 GWh (Wahnsinn, das ist das 10-fache des bisherigen Rekords, ebenfalls von Tesla gebaut) Netzregelleistung bekommen hat, ist das alles nicht wirklich in großen Dimensionen gedacht.
Und dann soll es ja auch noch GFs in China und Europa geben.
Ich würde wetten, dass jede dieser Tesla Standorte eine höhere Kapazität haben wird als die beiden Standorte von LG und Samsung in Osteuropa zusammen.
Aber als Europäer muss man in Zukunft wohl weiter immer mehr „Bescheidenheit“ lernen.
Daniel S meint
Schlaf Kindlein schlaf…
Hans Meier meint
Ja hoffentlich :) Wir Jungen wollen disruptive Veränderung im Markt. Was die alte 69er Generation mit den Jungen macht, machen wir jetzt eben bald mit euch.