Der Streit zwischen dem Schweizer Startup Microlino und Artega, eine Tochter des deutschen Automobilzulieferers Paragon, um den Markstart eines ursprünglich gemeinsam geplanten Kleinst-Elektroautos wird derzeit vor Gericht ausgetragen. Laut einem Bericht gibt es nun ein erstes Urteil.
Wim Ouboter hat mit Micro Mobility Systems einen der bekanntesten Hersteller von Tretrollern und Kickboards Europas aufgebaut, mit seinen Söhnen treibt er mittlerweile auch einen Vierrad-Stromer der Klasse L7e voran: den Microlino. Das Gefährt im Stil der BMW Isetta kann schon vorbestellt und konfiguriert werden, die Kunden müssen aber noch auf ihre Fahrzeuge warten. Den Grund für die mittlerweile einige Monate betragende Verzögerung machte Microlino im Mai in einer viel beachteten E-Mail an die Vorbesteller publik.
Es gebe Uneinigkeiten mit dem Eigentümer des mit der Fertigung beauftragten Unternehmens Artega, hieß es in der Mitteilung. Ursprünglich sollte die auf elektrische Leichtfahrzeuge spezialisierte Tochter TMI des italienischen Unternehmens Tazzari den Microlino in die Serie bringen. Im November 2018 wurde TMI von Artega übernommen und die Produktion des Microlino von Italien nach Deutschland verlegt. Knapp ein halbes Jahr später kündigte Artega die Fertigung des Konkurrenzmodells „Karolino“ an.
Wie die US-Website InsideEVs berichtet, hat ein deutsches Gericht Artega verboten, seine sich optisch kaum von der Schweizer Basis unterscheidende Version des Microlino im September auf der Frankfurter Automesse IAA zu zeigen. Die Ouboters haben zwei Klagen gegen Artega eingereicht, heißt es weiter. Die erste, die ein Verbot der Präsentation des Karolino verlangt, hatte nun offenbar Erfolg.
„Wir haben in allen Punkten gewonnen, was bedeutet, dass er den Karolino nicht auf der IAA zeigen oder auf seiner Website bewerben kann“, sagte Merlin Ouboter InsideEVs. Das Münchner Oberlandesgericht habe am 22. August ein entsprechendes Urteil gefällt. Mit „er“ bezieht sich Ouboter in seiner Stellungnahme auf den Paragon-Vorstandvorsitzenden und Artega-Gründer Klaus Frers.
In einem weiteren Schritt sollen die Ouboters von Artega Schadenersatz aufgrund von Vertragsbrüchen des nun zu Artega gehörenden Auftragsfertigers TMI verlangen. Für den Microlino gibt es derweil weiter keinen Starttermin. Im Mai hatten die Ouboters Kaufinteressenten versichert, dass sie bereits an einem „Plan B“ arbeiten. Wie dieser aussieht, ist nicht bekannt.
Stefan meint
Wäre Artega ein chinesisches Unternehmen, hätte sich schon längt ein Minister über die dreisten Raubkopien beschwert und eine Handelssperre verhängt. Aber der in der deutschen Austoindustrie und Politik gut vernetzte Herr Frers darf sich soetwas natürlich ungestraft erlauben. Es scheinen sich überall Lug und Trug durchzusetzen. Ich glaube nicht, dass es hier zeitnah ein Urteil gibt, das Microlino rettet. Dabei wäre das eine echte Alternative zum derzeit nicht mehr bestellbaren E-Smart. Desse Nachfolger kommt dann irgendwann auch aus China.
nilsbär meint
Ich glaube, weder Microlino noch Karolino werden in Serie gehen. Es wären wohl ohnehin Flops geworden – wie alle Leichtfahrzeuge.
Selbst der Twizy, mit dem Namen und dem Servicenetz von Renault im Hintergrund, verkauft sich schlecht (ca. 350 Neuzulassungen pro Jahr in Deutschland).
Trotzdem schade um einen Farbtupfen in der E-Auto-Landschaft und mein Mitgefühl für die Gründerfamilie.
Andi meint
@ nilsbär
„Es wären wohl ohnehin Flops geworden – wie alle Leichtfahrzeuge.“
Genau das sehe ich beim Microlino ganz anders:
* Er hat ein Design, das sehr viele Menschen anspricht
* Die Karosserie ist vollständig geschlossen (beim Twizzy nur gegen Aufpreis)
* Aufgrund des geringen Gewichts verbraucht er nur um die 7-8 kWh/100 km
* Die Batterie ist im Kaufpreis enthalten (Twizzy nur Mietbatterie)
Ich bin mir sicher, wenn der Microlino kommt – wird das ein großer Erfolg werden.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Und wie kommt nach einem Auffahrunfall aus dem Autochen ohne Knautschzone raus? Lohnt es sich überhaupt, eine Rettungsschere mitzuführen?
Andi meint
Der Microlino liegt vom Design her zwischen Motorrad und Auto.
Beim Motorrad fragt keiner nach Knautschzone.
Er fährt aber mit wesentlich geringerer Geschwindigkeit.
„Lohnt es sich überhaupt, eine Rettungsschere mitzuführen?“
– Blöder Kommentar!
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
@ Andi: „Beim Motorrad fragt keiner nach Knautschzone“: Das ist richtig und deswegen werden Motorradfahrer von Polizei und Sanitätern in Momenten des schwarzen Humors auch als „Ersatzteilspender“ bezeichnet. Und das, obwohl man bei einem Zweirad-Unfallopfer als Helfer gut rankommt. Bei einer zusammengequetschten Sardinenbüchse dürfte das ungleich schwieriger sein.
Und: auch Unfälle unter 50 km/h können tödlich enden.
Porsche 911 meint
Rational gesehen hast du sicherlich Recht.
Aber rein rational würden Menschen auch keine SUVs kaufen.
Das Konzept ist aus meiner Sicht zum Scheitern verurteilt und jetzt wirft man sich in der Nische auch noch Steine in den Weg…
Und beim Design würde ich Dir mal dezent widersprechen ;)
Blackmen meint
…man bekommt meist als Endkunde auch nur das zu lesen, was man „wissen“ soll…
…bin letztendlich auf die tatsächliche Geschichte gespannt.
Egon meier meint
die wirkliche Geschichte wirst du niemals und durch niemanden erfahren denn jeder hat seine eigene Wahrheit.
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wer und wann und wo hat eigentlich der Karolino seine Homologisierung gemacht?
Gingong meint
Gut, das es zumindest manchmal noch so etwas wie Gerechtigkeit gibt. Produkte von Artega kaufe ich schonmal nicht.
LMausB meint
Schade, dass sie sich jetzt rechtlich zerfleischen. Am Ende ist das Geld für die Markteinführung, Weiterentwicklungen verbrannt. :-(
Daniel S meint
Ich hoffe, dieses Beispiel von Diebstahl geistigen Eigentums bei einem eigenen Kunden durch Artega wird anderen potentiellen Kunden von Artega eine Warnung sein. Wer will jetzt noch mit dieser unseriösen Firma zusammenarbeiten? Hoffentlich niemand.
Andi meint
Krass – auch dass die website karolino.ch angeblich schon bei Kauf von TMI durch Artega reserviert wurde.
Dafür stellt jetzt Micro selber auf der IAA den MICROLINO aus.
Leider ist kein Fertiger in Sicht und das Projekt wird sich weiter verzögern.
jomei meint
Ouboters werden Recht bekommen, aber das Vertrauensverhältnis zu Artega ist wohl endgültig hin, der Unterlegene wird schmollen. Daher werden Ouboters wohl auf ihren bislang nur angedeuteten Plan B zurückgreifen müssen. Wie heißt es doch bei Monopoly: Gehe zurück zur Badstraße.
Steffi Zienz meint
Das sind schon mal gute Neuigkeiten. Man kann Microlino nur viel Erfolg wünschen!
Bernd Bur am Orde meint
Da kann ich dir nur zustimmen. Hoffentlich findet Microlino einen seriösen Fertiger, der dieses Fahrzeug erfolgreich auf die Straße bringt.
Gingong meint
In China wird sich bestimmt jemand finden, der den Microlino fertigt, wie Ouboters ihn haben wollen. Die Frage ist, ob die gewünschte Qualität gegeben sein wird.