Die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) Hildegard Müller hat in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland die Erfolge der deutschen Autoindustrie bei der Elektromobilität betont. Für den Durchbruch der alternativen Antriebsart müssten nun unbedingt alle mitziehen. Für Bestandsfahrzeuge brauche es aber andere Lösungen.
„Es sind jetzt eine Million Elektroautos zugelassen, viele von deutschen Herstellern, ein toller Erfolg“, so Müller. Wenn sie mit den Beschäftigten und Konzernchefs der Automobilindustrie spreche, spüre sie „tatkräftigen Willen zum Wandel“. Die Autofahrer sähen dagegen derzeit noch vor allem einen Mangel an Ladesäulen. Die VDA-Chefin wies wie bereits mehrmals zuvor darauf hin, dass jede Woche 2000 neue Säulen entstehen müssten, aktuell seien es aber nur 300.
Das Vertrauen der Verbraucher in eine zuverlässige Ladeinfrastruktur sei die Grundlage für den weiteren Ausbau der E-Mobilität, betonte Müller. Mit ihrem Klimaplan „Fit for 55“ habe die Europäische Union „extrem ehrgeizige Vorgaben“ gesetzt. Daher brauche es umso schneller eine Infrastruktur in der EU, die die Massen an erforderlichen neuen E-Fahrzeugen auch versorgen kann. Der Aufbau der Infrastruktur sei noch nicht marktgetrieben, auf Dauer werde der Betrieb von Ladesäulen aber wirtschaftlich sein. Ein wichtiges Thema sei die Netzstabilität. Müller sprach sich für eine Verpflichtung zum schnellen Netzausbau aus, der von der Bundesnetzagentur koordiniert und kontrolliert wird.
Die Lobbyistin zeigte sich besorgt, dass viele andere Länder bei der Ladeinfrastruktur noch ganz am Anfang stehen. In den drei Ländern Deutschland, Frankreich und Niederlande würden bisher fast 70 Prozent aller europäischen Ladesäulen gebaut. Das dürfe nicht so bleiben. Selbst in Deutschland werde die Lücke zwischen Elektroautos und Ladepunkten größer statt kleiner. Die EU-Mitglieder müssten zum Ausbau verpflichtet werden. Die Länder sollten genaue Ausbaupläne vorlegen müssen, um EU-Mittel zu bekommen.
Eine weitere Herausforderung sei europaweit „grüner“ Strom, damit Elektroautos im Betrieb sauber sind. Das gehe nicht von heute auf morgen und erfordere Kooperationen über die EU-Grenzen hinaus. Es seien neue internationale Energiepartnerschaften nötig, darüber müssten sich Deutschland und die EU viel mehr Gedanken machen. „Wenn wir die Industriegesellschaft zur CO₂-Neutralität umbauen wollen, brauchen wir wesentlich mehr Ökostrom, als bislang zur Verfügung steht“, erklärte Müller. Deutschland werde künftig in der Außenpolitik auch den Import von Solar- und Windenergie forcieren müssen, etwa aus Afrika und Lateinamerika.
VDA fordert bessere Standortbedingungen
Mit Blick auf das EU-Programm Fit for 55 räumte die VDA-Chefin ein, dass angesichts der großen Herausforderungen der Klimatransformation ehrgeizige Ziele notwendig sind. Allerdings sollte die EU auch die Folgen ihrer Politik abschätzen. Man dürfe nicht nur einfach Ziele beschließen, diese müssten auch praktisch umsetzbar sein. Wenn Europa die engagiertesten Klimaziele der Welt habe, seien auch die weltbesten Standortbedingungen nötig. Deutschland brauche dabei bessere Bedingungen für Unternehmen in den Bereichen Steuern, Umlagen, Energiepreise, bei der Breitbandversorgung oder bei der Digitalisierung der Verwaltung.
Die Pläne der EU im Rahmen von Fit for 55 bedeuten faktisch ein Verbrenner-Aus ab 2035. Das sei „sehr ambitioniert“, so Müller. Man müsse sich aber auch um die Fahrzeuge kümmern, die schon auf den Straßen sind. Nicht alle Menschen könnte sich ein neues E-Auto kaufen. Die VDA-Präsidentin plädierte für den Einsatz von mit erneuerbaren Energien produzierten synthetischen Kraftstoffen, mit denen sich die Fahrzeuge im Bestand klimaneutral betreiben ließen. Der Bedarf an den sogenannten E-Fuels sei enorm: „1,5 Milliarden Fahrzeuge weltweit könnten perspektivisch klimaneutral unterwegs sein. Das Potenzial müssen wir nutzen!“
Es sei nicht damit getan, die Autoindustrie zum Verkauf von Elektroautos zu verpflichten, sagte Müller. Die Branche entwickele die Autos, stelle die Werke um, die anderen müssten nun auch mitziehen. Lademöglichkeiten, Grünstrom, Fördermaßnahmen für die Verbraucher, Re-Qualifikation der Beschäftigten – die Transformation fordere von allen viel. Sollten nicht alle mitziehen, wäre das Ziel der Klimaneutralität gefährdet – „und das wäre verheerend“. Verheerend wäre aber auch, Wachstum und Wohlstand zu gefährden. Deutschlands Klimapolitik müsse gleichzeitig Wirtschafts-, Wohlstands- und Jobmotor sein und durch eine soziale Ausgestaltung die Gesellschaft mitnehmen, nur dann werde sie erfolgreich und weltweit kopiert.
Roma meint
Warum redet die VDA nur und macht nichts praktisches mit den Herstellern? Wenns so toll ist, warum werden breitflächig keine günstigen E-Fuels angeboten und Motoren die darauf ausgelegt sind? Nur vom labern und träumen kommt nix, oder geht es schlicht darum, mehr Fördergelder zu bekommen, was ich eher vermute.
Bei der E-Mobiltät war es zu Beginn nicht anders, da waren auch noch keine Gewinne drin, mittlerweile verdienen die ersten Unternehmen Millionen und Milliarden damit.
Ein Teil der deutschen Industrie passt sich immer mehr der Bürokratie an, immer langsamer, unflexibel und immer wartend bis öffentliche Gelder dafür freigegeben werden.
Sebastian meint
So wie das aktuell abläuft, wird die e-mobilität in Deutschland ein noch größeres Fiasko als der clean diesel. Völlig überteuerte E-Autos, mit absurden Steuergelder schön gerechnet, Strom der nirgends wo sonst teurer ist, lächerliche Ladesäulen, das Deutschlandnetz wird alles noch umständlicher, unpraktischer mache… aber schick verkaufen sie uns diesen Unfug.
Jürgen Baumann meint
Wenn ihr es nicht könnt, dann macht doch den Laden zu. Auch Nokia, Grundig, AEG, und viele weitere sind erfolgreich den Weg vom Weltkonzern zum KMU gegangen.
Sebastian meint
Niemand verdient aktuell irgend etwas mit E-Autos. Keiner. Was soll eigentlich immer dieser blöde Nokia Vergleich?
MichaelEV meint
Keiner? Das stimmt doch definitiv nicht mehr.
Jürgen Baumann meint
Weil er stimmt. Die deutsche Autoindustrie hatte ihren Nokia Moment, als Zetsche meinte, das Beste an der Elektromobilität sei der Verkauf der Tesla Aktien gewesen. Deutschland hat eine bemerkenswerte Fähigkeit entwickelt, Entwicklungen zu verpassen. Werften, Unterhaltungselektronik, Computer, Kameras, Telekommunikation – jetzt eben Fahrzeuge. Man gewöhnt sich an alles. Und der letzte macht hoffentlich das Licht aus.
P.S.: Der einzige mit einem Plan ist Österreicher.
Längsdenker meint
„Man dürfe nicht nur einfach Ziele beschließen, diese müssten auch praktisch umsetzbar sein.“ Was praktisch umsetzbar ist, das pfeift der VDA und der Wirtschaftsrat der CDU schon immer ein: „Wir liefern das was der Kunde möchte“.
Was die Schleimspur der E-Fuels angeht: „1,5 Milliarden Fahrzeuge weltweit könnten perspektivisch klimaneutral unterwegs sein. Das Potenzial müssen wir nutzen!“ das sollte die Dame. die es besser weiß, auch bleiben lassen.
Daniel S meint
Meine letzte Urlaubsfahrt mit meinem BEV nach Spanien zeigte auf, dass zwar Ladesäulen bestehen, diese aber oft nur mit lokalen Kreditkarten, lokalen Wohnadressen usw. für die Regisitrierung in einer App etc. funktionierten. Ich sehe das Hauptübel nicht im Mangel von Lademöglichkeiten, sondern an deren Zugänglichkeit. Zumindest ein stark erweitertes Roaming würde schnell helfen.
Und für die Bestandsfahrzeuge gibt es bessere Lösungen als energieintensive e-Fuels: die bewährte Abwrackprämie…
David meint
Ich glaube auch, dass man sich um die Fahrzeuge kümmern muss, die schon auf der Straße sind. Mit rigorosen Fahrverboten.
Winfried Will meint
Ich höre von allen Schreibern nichts von Entsorgungsproplemen und Herstellungsproblemen zur Gewinnung der Rohstoffe bei der Batterieherstellung, noch über die weltweite Versorgung mit Ökostrom.
Habe ich in der Entwicklung da etwas verpasst. Alternativen wie Brennstoffzellen oder synthetische Brennstoffe scheinen bei den Lobbyisten keine Rolle mehr zu spielen.
Peter W meint
Unglaublich, dass man ausgerechnet den ärmeren Verbrauchern, die sich kein E-Auto leisten können, e-fuels andrehen will. Diesen Sprit werden sich nur wenige reiche Oldtimerfahrer leisten können. E-fuels werden ein Nischenprodukt sein und vielleicht für den Flugverkehr gebraucht.
Es wird in einigen Jahren genug gebrauchte BEV geben. Es gibt ohnehin kein Grundrecht sich ein Auto leisten zu können.
Kona64 meint
Die vorhandene Flotte muß ja ihren Teil an den Sektoreneinsparungen bringen. Bis 2045 CO2 neutral. Das wird wohl nur freiwillig gehen, wenn der CO2 Preis sehr stark steigt, plus ggf Steuererhöhungen, Maut, Fahrverbote. An EFuels glaube ich nicht bis 2045.
Peter meint
Mit Frankreich und Deutschland hat man zwei der vier mit Abstand größten Märkte in Europa im Sack. Die machen zusammen mit Italien und Spanien den MegaAnteil des europäischen Marktes aus. Alle anderen zusammen sind in Summe immer noch eine Minderheit. Insofern ist es quasi egal, wenn Tschechien, Polen oder Portugal die deutsch/französischen Werte mit zwei-drei Jahren Verspätung erreichen.
In Italien, Spananien und UK (ebenfalls sehr großer Markt) ist ja auch Einiges im Gange.
Das alles weiß auch der VDA, diese verlogenen FossilAnbeter. Wird Zeit, dass man denen kein Gehör mehr schenkt.
Stefan meint
Der Laderäumen Ausbau wird auch in den anderen Ländern noch kommen. Spätestens wenn in den Touristen Hochburgen die Kunden wegbleiben weil es keine oder nicht genug Ladesäulen gibt, werden die Länder nachrüsten.
Das dauert leider etwas länger.
Stefan meint
Das sollte Ladesäulen nicht Laderäume heißen. Immer diese Autokorrektur☹️
Gerald Zeese meint
„VDA-Präsident Müller“: Na, wenn das die Frau Müller liest..
ecomento.de meint
Danke für den Hinweis – korrigiert!
VG | ecomento.de