Die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE), ein Beratungsgremium der Bundesregierung, hat Angela Merkel diese Woche einen Fortschrittsbericht zur Verbreitung von Elektroautos in Deutschland übergeben. Das Fazit: E-Mobilität kommt hierzulande deutlich voran, muss aber weiter und umfangreicher vorangetrieben werden.
Alle großen deutschen Hersteller setzen künftig verstärkt auf Elektroautos, sind im Vergleich zu internationalen Konkurrenten jedoch vergleichsweise spät dran. Die von Industrie, Gewerkschaften, Politik und gesellschaftlichen Gruppen unterstützte NPE sieht Deutschland dennoch „zu den internationalen Leitmärkten für Elektromobilität Niederlande, Frankreich, Norwegen, USA, Großbritannien und China“ aufschließen.
Nach Zahlen der NPE wurden bis Ende 2017 kumuliert rund 131.000, bis 31. August 2018 mehr als 177.000 Elektrofahrzeuge in Deutschland neu zugelassen. Die Bundesrepublik wies dabei im Jahr 2017 mit 117 Prozent die weltweit höchste Wachstumsrate auf und sei neben China der Markt mit dem größten verfügbaren Fahrzeugangebot. Die Marke von einer Million Fahrzeugen werde Deutschland voraussichtlich 2022 erreichen – zwei Jahre später als ursprünglich von der Bundeskanzlerin anvisiert.
„Die Marktdynamik mit hohen Zuwachsraten in Deutschland sieht sehr positiv aus und zeigt, dass wir wesentliche Fortschritte erreicht haben. Das Eine-Million-Ziel bleibt eine gute politische Richtgröße“, so Henning Kagermann, Vorsitzender der NPE. Wichtiger als ein genaues Datum sei aber ein stimmiges Gesamtsystem aus attraktiven Fahrzeugangeboten, bedarfsgerechter Ladeinfrastruktur, klimafreundlichem Energiesystem, nutzerorientierten Dienstleistungen und den passenden rechtlichen Rahmenbedingungen. „Dann setzt sich elektrische Mobilität im großen Maßstab durch“, sagte Kagermann.
Deutschland „Leitanbieter für Elektromobilität“
Die deutschen Automobilhersteller erreichen mit ihren Stromern der NPE zufolge in den wichtigen Automärkten einen mit ihren konventionell betriebenen Autos mindestens vergleichbaren, oft sogar höheren Marktanteil. In Westeuropa liege er bei 53 Prozent, in den USA sei der Marktanteil mit 16 Prozent sogar doppelt so hoch. Einen Sonderfall bilde der chinesische Markt: Hier seien deutsche Elektrofahrzeuge deutlich unterrepräsentiert, da staatliche Regulierungen die Produktion durch chinesische Unternehmen forcieren.
Ausbau der Ladeinfrastruktur zeigt Fortschritte
Eine flächendeckende Ladeinfrastruktur gilt als entscheidend für den Durchbruch von Elektroautos in den Massenmarkt. „Das deutsche Ladenetz wird zunehmend engmaschiger“, berichtet die NPE. Nach einer vorläufigen Schätzung habe es in Deutschland im Dezember 2017 rund 12.500 Ladepunkte gegeben, darunter gut 850 Anschlüsse zum Schnellladen mit einer Leistung von mehr als 22 kW.
„Die Bundesregierung hat mit einem Förderprogramm die Weichen für einen weiteren Ladeinfrastrukturaufbau gestellt. Bei einer vollständigen Umsetzung der eingegangenen Förderanträge könnten sich bis zum Ende dieses Jahres die Normalladepunkte verdreifachen und die Schnellladepunkte verzehnfachen“, so die NPE-Experten.
Ausblick auf 2025
Die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen wird laut der NPE weltweit exponentiell wachsen, die deutschen Hersteller ihren Anteil am internationalen Gesamtmarkt dabei weiter ausbauen. „Bis 2020 werden sich allein 100 Elektrofahrzeugmodelle von deutschen Herstellern auf dem Markt befinden. In Deutschland werden die kumulierten Neuzulassungen nach aktuellen Hochrechnungen bis 2025 auf 2 bis 3 Millionen Fahrzeuge ansteigen. Dies entspricht einem Marktanteil zwischen 4 und 6,5 Prozent, 2030 wird er bei 10 bis 15 Prozent liegen.“
Arbeitsmarkt
Mit Blick auf die Beschäftigungsbilanz erwarten die NPE-Experten in den kommenden Jahren „einen im Gesamtsystem positiven Beschäftigungseffekt“. Langfristig werde der Druck auf die Beschäftigung jedoch steigen, insbesondere im Bereich der Fertigung des Antriebsstranges. Dazu Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall: „Hier sind frühzeitige Investitionen in Zukunftstechnologien und Infrastrukturen nötig, um negative Beschäftigungseffekte zu vermeiden. Bundesregierung und Unternehmen sind aufgefordert, insbesondere die notwendigen Konzepte für Ladeinfrastruktur, Energienetze, Speichertechnologien und Rohstoffe mit konkreten Maßnahmen anzupacken. Vor allem aber brauchen wir flankierend eine zukunftsfähige Arbeitsmarkt- und Personalpolitik, da Qualifizierung und berufliche Entwicklung der Schlüssel zur Bewältigung der Transformation sein werden.“
Rohstoffe
Weiterhin rückten im Zuge des globalen Markthochlaufs Rohstoffe und ihre Verfügbarkeit in den Fokus, erklärt die NPE – Recycling und Konzepte zur Weiterverwendung seien wichtige Zukunftsthemen. „Elektromobilität ist eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Politik und Wirtschaft sind gemeinsam gefordert, die Versorgung mit kritischen Rohstoffen wie zum Beispiel Kobalt, Lithium oder Graphit für die Batteriezellproduktion zu sichern. Angesichts der chinesischen Präsenz in rohstofffördernden Ländern entwickelt sich die Verfügbarkeit von Rohstoffen für die deutsche und europäische Industrie zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor bei der Elektromobilität.“
Ladeinfrastruktur
Für die Versorgung von einer Million Elektrofahrzeugen ist nach Berechnungen der NPE die Installation von 70.000 öffentlichen Normalladepunkten (AC-Ladepunkte) und 7100 öffentlichen Schnellladepunkten (DC-Ladepunkte) sowie von rund einer Million privaten Ladepunkten erforderlich. Nach dem NPE-Hochlaufszenario werden im Jahr 2025 rund 130.000 bis 190.000 öffentliche Normallladepunkte und circa 13.000 bis 19.000 öffentliche Schnellladepunkte benötigt. „Akuter Handlungsbedarf“ bestehe beim Ausbau der privaten Ladeinfrastruktur – es müssten „ungefähr 2,4 bis 3,5 Millionen private Ladepunkte im Jahr 2025“ installiert sein. Um ihren Aufbau zu erleichtern, seien Anpassungen im Miet- und Wohnungseigentumsrecht notwendig.
Stromnetz
Befürchtungen, dass es in Deutschland nicht genügend Strom und Netzstabilität für Elektroautos gibt, teilt die NPE nicht – sie sagt: „Das Energienetz reicht aktuell für das Laden von Elektrofahrzeugen aus.“ Mit dem weiteren Markthochlauf werde die Leistungsverteilung aber anspruchsvoller, mittelfristig sei daher ein lokaler Ausbau des Energienetzes und ein intelligentes Lastmanagement nötig. Bis 2025 würden Elektrofahrzeuge „zu einer wichtigen Steuergröße im Energiemarkt“.
Der gesamte „Fortschrittsbericht 2018 – Markthochlaufphase“ der Nationale Plattform Elektromobilität kann hier eingesehen werden.
Hartmut meint
Es muss auch unbingt ein barrierefreier Zugang zu den Ladesäulen kommen !!
Wir haben alle eine Bankkarte, einen lesbaren Personalausweis und evtl. aucht das nötige Kleingeld in der Tasche !
Warum änder sich da nichts ?
Klaus D. Beccu, Dr.-Ing. meint
In statistisch erfassten Ladepunkt – Benutzer Relationen (ohne Heimladung!) liegt die mittlere Entfernung bei ca. 3.4 km: bei einigen Begünstigten von nur 200 m und anderen bei 7 km. Was also macht der BEV – Lade-Willige abends, der am nächsten Morgen einen vollen Akku zur Fahrt zur Arbeit benötigt: er fährt zum nächsten Lade-Terminal, liest 2 Std. in seinem Auto die neusten Nachrichten zum Thema e-Mobilität und fährt mit vollem Akku wieder nach Hause. Das wiederholt sich jeden Abend und nach 2 Monaten in diesem Rhytmus verkauft er sein E-Auto wieder und kauft sich ein Plug-in Hybrid, das all diese Probleme vermeidet.
alupo meint
Oder er kauft sich einen Tesla ;-).
Dann wartet er schon heute keine 2 Stunden auf ein paar wenige Kilometer sondern läd mit mindestens 100 kW je nach Fahrstiel mit ca. 750 km/h und die aufgenommenen kWh reichen für mehr als nur für eine Woche.
Ich hoffe doch, dass das im Zeitalter von CCS2 in wenigen Jahren auch einige Wettbewerber endlich hinbekommen, 7 Jahre nach Tesla sollten das auch die selbsternannten Leitanbieter doch wohl endlich auch hinbekommen? Oder ist das zuviel verlangt?
Zwischenzeitlich könnte man sich auch einen gebrauchten Tesla kaufen. 40 Jahre Nichtraucher reicht schon, für Verheiratete reichen 20 Jahre Nichtrauchen ;-). Manchmal ist es einfach eine Frage der Priorisierung ;-).
agdejager meint
Und wieder die Leitanbieter Lüge.
agdejager meint
Zahleb sind inklusive Hybride Verbrenner Wagen. Von daher viel zu positiv leider
Michael meint
Auch wenn dies eine recht pessimistische Einschätzung aus meiner Sicht ist (10 bis 15 % bis 2030), insgesamt ist die Meldung wohl eher als positiv zu bewerten.
Eines der wichtigsten Themen dürfte die rasche Umsetzung des Rechts auf einen privaten Ladepunkt zB in Garagen von mietshäusern) sein.
Vielleicht kommt dieses nun schnell, das würde sehr helfen.