Daimler-Vorstandschef Ola Källenius, der Chef des Energieversorgers EnBW Frank Mastiaux und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann haben in einem gemeinsamen Interview mit der Zeit darüber gesprochen, wie die Energie- und Mobilitätswende gelingen kann. Das Treffen fand statt, bevor das Coronavirus Deutschland erreichte. Ein zentrales Thema war die E-Mobilität.
Unter Ola Källenius setzt Daimler die noch vom langjährigen Konzern-Boss Dieter Zetsche eingeleitete Elektrifizierung des Portfolios fort. Darauf angesprochen, was er davon halten würde, ab 2030 nur noch Elektroautos zuzulassen, sagte Källenius: „Wir stehen glasklar zur CO2-neutralen Mobilität. Ohne Wenn und Aber.“ Das Ziel sei, in drei Pkw-Fahrzeuggenerationen komplett CO2-neutral zu sein – also im Jahr 2039. Bis 2030 wolle Daimler zunächst über 50 Prozent seiner Flotte rein batterieelektrisch oder mit Plug-in-Hybriden für lange Reichweiten betreiben. Das sei ein „gigantisches technologisches und industrielles Vorhaben“.
100 Prozent E-Anteil im Jahr 2030 sei nicht realistisch und auch nicht sinnvoll, so Källenius weiter. Er begründete dies „mit dem Bewegungsmuster“ der Welt. Auf dem Land seien höhere Reichweiten als in Städten nötig, die Leute hätten sich zudem an eine „selbstbestimmte, individuelle Mobilität“ gewöhnt. Außerdem korreliere der Transport von Waren direkt mit dem Wirtschaftswachstum. Das sei „ein extrem hohes Gut“, das nachhaltig gestaltet werden müsse.
Die Idee, Verbrennungsmotoren 2030 in Deutschland auslaufen zu lassen, stammt von den Grünen. BaWü-Ministerpräsident und Grünen-Politiker Kretschmann meinte allerdings, dass man den Zeitpunkt dafür nicht mit einer Jahreszahl bestimmen könne. Wichtiger sei, die globale Erderwärmung zu begrenzen – hier müsse man „hart“ sein, sonst drohe eine Katastrophe. Die Frage sei: „Wie erreichen wir das Ziel mit den geringsten Kollateralschäden?“ Wenn die Industrie zusammenbricht oder auswandert, sei nichts gewonnen.
Mit Blick auf die Eignung des deutschen Stromnetzes für den erwarteten Boom von Elektroautos versicherte EnBW-Chef Mastiaux, dass die erforderliche Strommenge auch für zehn Millionen oder mehr Fahrzeuge kein Problem darstelle. Eine Million Elektrofahrzeuge würden nur ein halbes Prozent mehr Strombedarf in Deutschland erzeugen. Die Herausforderung sei, das gleichzeitige Laden vieler Autos – etwa in einer Wohnstraße – zu bewältigen. Dafür brauche es zusätzliche Netzverstärkungen.
„Die Autoindustrie muss die Autos liefern“
„Die Autoindustrie muss die Autos liefern, das ist unser Tagesgeschäft. Wir brauchen aber zugleich die Infrastruktur“, sagte Källenius. Er verwies darauf, dass neue E-Antriebs-Technologien Mobilität „temporär teurer“ machten. „Die Frage ist, ob die Kunden das mitmachen. Wir müssen den ganzen Markt drehen“, erklärte der Daimler-Chef. Von der Politik wünsche er sich, dass fossile Kraftstoffe über eine CO2-Bepreisung immer teurer werden. Die zusätzlichen Einnahmen könnten den Bau von Lademöglichkeiten beschleunigen. Es müsse zudem eine klare Koordination geben – idealerweise weltweit, zumindest aber innerhalb der EU.
Mastiaux betonte, dass die Unternehmen nicht mehr unabhängig voneinander agieren könnten. Beim Thema E-Mobilität müssten Energie- und Automobilunternehmen „eng zusammenarbeiten“. Es gehe nicht nur um andere Autos, so Kretschmann – es gelte, die Mobilität neu zu organisieren. „Also die ganze Vernetzung, auch mit öffentlichen Verkehrsträgern, sodass du deine persönliche Strecke sinnvoll organisieren kannst.“ Dazu müsse digital alles mit allem vernetzt werden, was eine große Aufgabe sei.
Daimler konzentriert sich bei der E-Mobilität künftig auf reine Batterie-Systeme, will jedoch anders als beispielsweise Volkswagen weiter auch Hybride und Wasserstoff-Stromer vorantreiben. Kretschmann unterstütze die Technologieoffenheit, im Pkw-Bereich sollte es aber „Priorität für die Batterie“ geben. Das erfordere die Marktwirtschaft, da „alle Automobilunternehmen der Welt“ derzeit in diese Richtung gingen. Der Fokus auf Batterien sei zudem aus „physikalischen Gründen“ richtig, da Wasserstoff viel Energie benötige. Für später fördere die Politik aber auch die Erforschung und Entwicklung der Wasserstoff-Mobilität.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Eigenbild: „Die Frage ist, ob die Kunden das mitmachen. Wir müssen den ganzen Markt drehen“, erklärte der Daimler-Chef.
Fremdbild: Ihr werdet gedreht.
alupo meint
„Unter Ola Källenius setzt Daimler die noch vom langjährigen Konzern-Boss Dieter Zetsche eingeleitete Elektrifizierung des Portfolios fort.“
Ich dachte, dass alle früheren (normalen) elektrischen Mercedesmodelle unter seinem Vorgänger schon lange abgesetzt wurden und es normale Mercedes-eAutos nur noch gebraucht gibt (Schrankwand SUV sind für mich keine normalen Autos).
Aber dass der CEO seinen bisherigen Mercedes-Kunden so in den Rücken fällt und sich für höhere Kraftstoffpreise ausspricht (das trifft ja die Bestandskunden genauso) finde ich mutig und sehr gut. Das hatten vor 50 Jahren so nur die Grünen gefordert. Es hat sich viel geändert, hoffentlich war es dennoch nicht viel zu langsam.
Auch die Sache mit der Brennstoffzelle scheint er begriffen zu haben denn er spricht von derem Energiebedarf und der ist bei der Brennstoffzelle sowas von sehr viel zu hoch und damit extrem klimaschädlich.
Markus Wolter meint
Ja, dieses Märchen vom Land zeigt nur, dass Kaellenius keine praktische Erfahrung mit E-Mobilitaet hat. Und so jemand will Strategie machen… Oh weh. Dass es immer Ausnahmen gibt, wie „Garage“, ist doch klar. Das ändert nichts daran, dass ein E-Auto auf dem Land viel einfacher zu managen ist, wie in der Stadt, so lange die Regierung alles schleifen lässt und das Thema Ladeinfrastruktur „Sympathieträgern“ wie Ionity überlässt.
Peter W meint
Was mir immer wieder „aufstößt“ ist die Meinung, dass man auf „dem Land“ größere Reichweiten braucht. Gibt es in Deutschland ländliche Gegenden, in denen eine Stadt so weit entfernt ist, dass man da nicht mit dem E-Auto hin und zurück kommt?
Da werden doch ganz klar Märchen erzählt. Gerade auf dem Land, wo fast jeder eine eigene Garage, einen Carport oder einen Stamm-Stellplatz hat ist die Stromversorgung eines E-Autos am Einfachsten, und mit den derzeit üblichen 200 km Reichweite erreicht man auch die nächste größere Stadt, den Supermarkt oder das Möbelhaus.
Wenn 10% der Autofahrer große Reichweiten brauchen, können trotzdem 90% ein E-Auto nutzen. Außerdem haben sehr viele Haushalte 2 Autos von denen eines immer ein BEV sein könnte.
Ab 2030 wird der Verbrennungsmotor klaum mehr eine Rolle spielen, weil dann Akkus wesentlich preiswerter sein werden und die Kapazitäten deutlich steigen.
Garage meint
Warum wird auf Märchen mit Märchen geantwortet?
Zum Thema Fast jeder garage, carport oder Stamm-Stellplatz. Würde ich nicht so sagen.
Stammparkplatz ließe ich eventuell organisieren, auch wenn die Realität anders aussieht (parken wo frei ist oder Straße oder gegenüber) . Stromversorgung für laden auch nicht vorhanden ????
Stocki meint
„Stromversorgung für laden auch nicht vorhanden“
…ist kein physikalisches Problem. Das ist kein Märchen, das mit der angeblich benötigten größeren Reichweite auf dem Land schon eher. Es wird ja gerade so getan, als gäbe es in deutschen Dörfern keine brauchbare Infrastruktur. In den allermeisten Dörfern kann man sogar eine Corona-Krise überstehen, ohne es jemals verlassen zu müssen. Ob das in einer Stadt auch so toll läuft, sei mal dahingestellt. Wenn die Infrastruktur zusammenbricht, bin ich aufm Land womöglich näher am Bauern und eigenen Garten dran als ein Großstädter.
Garage meint
Das mit den reichweiten habe ich nicht bezweifelt, wobei grad Eauto Fahrer manche hersteller runter machen wegen Reichweite.
Warum eigentlich, wenn die eh keiner brauch? :)
Mit der Bereitschaft Strom hin zu legen kann sich in paar Jahren ändern, aber man redet ja über den Ist Zustand ;)
Peter W meint
Ich wohne in einer „ländlichen Kleinstadt“. Hier hat jede Wohnung, auch im Mehrfamilienhaus, einen ausgewiesenen Stellplatz auf dem Grundstück. Das ist Vorschrift, ohne diesen Stellplatz gibt es keine Baugenehmigung! Dass viele diesen Platz zu müllen oder die Garage als Sperrmüllsammelplatz nutzen, und deshalb auf der Straße parken, hat nichts damit zu tun, dass sie ihr Auto auf diesem Stellplatz laden könnten. Aber dumme Ausreden haben die Meisten schneller als eine Maus ein Loch.
Dass es genug Strom gibt, hat die EnBW jetzt schon 2 mal durch Versuche in der Praxis bewiesen. Und dass nicht innerhalb eines Jahre plötzlich 5 Millionen E-Autos geladen werden müssen sollte auch bekannt sein, die kann nämlich keiner so schnell bauen.
MichaelEV meint
„Von der Politik wünsche er sich, dass fossile Kraftstoffe über eine CO2-Bepreisung immer teurer werden.“
Wenn sogar die Industrie dies möchte, ist mir nicht klar, warum die Politik nicht endlich stärker an dieser „Schraube“ dreht.
Thrawn meint
Die Politik hat halt noch immer nicht begriffen, dass sie mit ihrem Protektionismus, indem sie subventioniert, was veraltet ist, mittel- bis langfristig mehr schadet als nutzt. Das ist nicht nur in der Autobranche zu beobachten.
Gleiches gilt für viele Förderprogramme. Sobald eine Förderung ausläuft, stirbt das Geförderte. Wie wenn man einem Feuer den Brennstoff entzieht.
150kW meint
„Wenn sogar die Industrie dies möchte, ist mir nicht klar, warum die Politik nicht endlich stärker an dieser „Schraube“ dreht.“
Weil die Wähler das bezahlen müssen.
MichaelEV meint
Sie meinen die Wähler einer bestimmten Partei, die es sich leisten können und stattdessen lieber weiter Umwelt und Klima vernichten und vor allem den Armen ihre Luftschadstoffe aufnötigen? Stimmt wohl.
Die sozialverträgliche Lösung lag ja bereits auf dem Tisch. Stattdessen hat man eine Lösung gefunden, die alle belastet und nur wohlhabendere entlastet. Sehr fair.
Ich profitiere zwar auch davon, würde aber liebend gerne darauf verzichten und die richtige Lösung etabliert haben.