Volkswagen hat sich in den vergangenen Monaten wiederholt dazu bekannt, einen Beitrag zum Erreichen der Pariser Klimaziele leisten zu wollen. Im Mittelpunkt steht dabei die Massenproduktion von Elektroautos. Bei deren möglichst umweltfreundlichen Herstellung spielt die Lieferkette eine wichtige Rolle – also die vorgelagerte Produktion von Material und Bauteilen bis hin zum Abbau der dafür benötigten Rohstoffe.
„Die Lieferkette ist für nachhaltige Elektromobilität auch deshalb wichtig, weil die Produktion leistungsstarker Batterien noch sehr energieintensiv ist. Deshalb entsteht bei der Herstellung eines E-Autos deutlich mehr CO2 als bei einem Fahrzeug mit klassischem Benzin- oder Dieselmotor – im Schnitt rund 150 Prozent“, erklärt Volkswagen. „E-Autos haben also gegenüber konventionellen Antrieben vom Start weg einen Nachteil in der CO2-Bilanz. Konsequenter Klimaschutz muss deshalb früh ansetzen.“
Um beim Bau von Elektroautos in der Lieferkette CO2 zu vermeiden und zu reduzieren, müssen Partner-Unternehmen überzeugt werden. Mit vielen Beteiligten – etwa Rohstoffherstellern – bestehen bei Volkswagen derzeit keine direkten Geschäftsbeziehungen. Hier geht es dem Autobauer nach häufig erstmal darum, die notwendige Transparenz zu schaffen. „Transparenz in der Lieferkette – insbesondere bei Graphit, Kobalt, Lithium und Nickel – ist bei der Etablierung hoher Nachhaltigkeits-Standards ein wichtiger Eckpfeiler“, so Stefan Sommer, Konzernvorstand für Beschaffung.

Mit der ersten Baureihe der neuen I.D.-Familie will Volkswagen zeigen, „dass – trotz aller Herausforderungen – schon vieles möglich ist“. Das kompakte Elektroauto soll als erstes Konzern-Modell bilanziell CO2-neutral hergestellt werden. Ermöglicht werde dies unter anderem durch die konsequente Vermeidung und Reduktion von CO2-Emissionen in der Lieferkette. „Alleine für den ersten Schritt bis Ende 2019 wurde ein Einsparpotenzial von rund einem Drittel identifiziert“, heißt es aus Wolfsburg. Bis auf weiteres nicht vermeidbare CO2-Emissionen sollen durch Investitionen in Klimaschutzprojekte an anderer Stelle ausgeglichen werden
Batterieproduktion „mit Grünstrom“
Wesentliche CO2-Verbesserungen verspricht sich Volkswagen bei der Fertigung der Batteriezellen. Die Herstellung von Elektroauto-Akkus ist aufgrund diverser Faktoren bislang sehr energieintensiv – unter anderem wird bei der Trocknung der Werkstoffe, die flüssig auf eine Folie aufgebracht werden, viel Strom verbraucht. Der sogenannte „energetische Rucksack“ für die Batterieproduktion belastet die CO2-Bilanz vor allem in Ländern, die einen hohen Anteil an fossilen Energieträgern im Strom-Mix aufweisen.
„Beim I.D. ist es deshalb wichtig, dass die Batteriezellen mit Grünstrom hergestellt werden. Geliefert werden sie von LG Chem. Das koreanische Unternehmen investiert dafür in eine Fertigungsstätte in Polen“, so Volkswagen. Man habe mi LG Chem bereits vor längerem vereinbart, dass für die Fertigung der Batteriezellen ausschließlich zertifizierter Grünstrom bezogen wird. So sollen die CO2-Emissionen aus diesem Bereich „fast auf Null“ sinken.

Weitere Schwerpunkte für CO2-Reduzierungen in der Lieferkette betreffen die Stahlproduktion und die Herstellung der Elektromotoren. Beim Stahl seien durch komplexe Prozesse Einsparungen bis zu 70 Prozent möglich, sagt Volkswagen. Beim E-Motor verwendet das Unternehmen für das Gehäuse aufbereitetes Aluminium. Das Einsparpotenzial dieser und anderer Maßnahmen betrage 50 Prozent.
Über 40.000 direkte Lieferanten
„Die Herausforderungen wachsen, je weiter man in der Lieferkette zurück geht“, erläutert Volkswagen. „Hundertprozentige Transparenz über alle Stufen“ sei heute noch nicht möglich. Dafür sorge ein hoher Komplexitätsgrad mit weltweit über 40.000 direkten Lieferanten und einem Vielfachen an indirekten Lieferanten – diese sind teilweise sieben bis acht Zwischenstufen vom fertigen Produkt entfernt.
Zurzeit laufen bei Volkswagen mehrere Pilotprojekte, um die Materialherkunft von Gütern zu identifizieren und Risiken auszuschließen. Flankierend seien die Vergabekriterien für Zulieferer durch eine neue Nachhaltigkeits-Bewertung verschärft worden: „Die Compliance- und Nachhaltigkeits-Performance wird dadurch zu einem ebenso verbindlichen Auswahlkriterium wie der Preis oder die Qualität“, heißt es.
Neben dem Klimaschutz spielt beim Ressourcenbedarf auch die Einhaltung sozialer Standards eine zentrale Rolle – insbesondere beim verantwortungsvollen Abbau von Elektroauto-Rohstoffen wie Lithium und Kobalt. Volkswagen will künftig vor Ort prüfen, ob auch Sub-Lieferanten die Anforderungen erfüllen.

Weitere Maßnahmen zur Förderung der Transparenz umfassten Kooperationen mit anderen Automobilherstellern sowie die Mitwirkung in branchenübergreifenden Initiativen wie Global Battery Alliance und Responsible Minerals Initiative (RMI). In der RMI beteiligt sich Volkswagen an der Erarbeitung eines Zertifizierungssystems für Kobaltschmelzen. Damit sollen die Abbaubedingungen verbessert und die Herkunft des Materials nachweisbar werden.
Als ein weiteres Beispiel nennt Volkswagen die Arbeitsgruppe „Drive Sustainability“. Sie entwickelt einheitliche Monitoring-Instrumente und Nachhaltigkeitstrainings für Lieferanten. Von zentraler Bedeutung sei zudem die gezielte Reduzierung einzelner Rohstoffe innerhalb der Batteriezellen. „Daran arbeiten Ingenieure im Bereich Forschung und Entwicklung mit Hochdruck“, verspricht der Autokonzern.
30 Milliarden Euro für Elektromobilität
Volkswagen hat angekündigt, in den kommenden fünf Jahren konzernweit rund 30 Milliarden Euro in Elektromobilität zu investieren. Neun Milliarden davon sind für die I.D.-Familie der Marke VW vorgesehen. Weltweit sind derzeit acht Standorte geplant, an denen die neue Generation von Elektroautos produziert werden soll.
Als erstes I.D.-Modell läuft Ende 2019 im Werk Zwickau die Produktion eines Kompaktwagen an, dessen Marktstart für Anfang 2020 angekündigt ist. Kurz darauf sollen das SUV I.D. CROZZ, der Minibus I.D. BUZZ und die Limousine I.D. VIZZION folgen. Volkswagen hat vor, zukünftig in jedem Segment attraktive Elektroautos anzubieten – „von der Kompaktklasse bis zum Lifestyle-Bulli“. Im Jahr 2025 will die Marke weltweit mindestens eine Million Elektroautos pro Jahr verkaufen.
Volkswagen sieht in dem neuen Fokus auf saubere, klimaneutrale Mobilität eine große wirtschaftliche Chance. „Bei dem strategischen Ziel, weltweit führender Anbieter für E-Mobilität zu werden, kann die Fokussierung auf die konsequente Dekarbonisierung ein starker Wettbewerbsvorteil sein“, sagt Georg Kell, Sprecher des unabhängigen Nachhaltigkeitsbeirats von Volkswagen. „In jedem Fall bietet sie die beste Weichenstellung für den gemeinsamen Weg in eine sichere und wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft auf einem lebenswerten Planeten.“
Satcadir meint
Um es mal unmissverständlich zu sagen: Niemand kontrolliert „Zertifizierer“, die im Auftrag des Herrn unterwegs sind, also solche mit hochmoralischem Anspruch.
Das führt zu ähnlichen Zuständen wie etwa bei der britischen Hilfsorganisation Oxfam(z.B Hilfslieferungen und Zertifizierungen gegen Sex).
Besser als eine sinnlose Zertifizierungsbürokratie aufzubauen ist es, in Batteriechemie zu investieren, die frei von problematischen Stoffen ist.
Das führt zwar dazu, dass „Anwälte der Ausgebeuteten“ arbeitslos werden und die Ausgebeuteten andere Geschäftsmodelle suchen müssen, wenn sie nicht verhungern wollen.
Aber immerhin Akkus werden bei Verwendung von Allerweltsmaterialien billiger.
Leotronik meint
Der Vorwurf der CO2 Problematik kommt vorwiegend von solchen Leuten die beim Kauf ihres Verbrenners offen sagen dass sie beim Kauf ihres Autos nicht nach dem Umweltschutz auswählen. Es sind nur vorgeschobene Argumente die scheinheilig sind. Und VW ist auch scheinheilig weil beim Verbrenner wird der Stahl und Aluminium schlicht nach dem billigsten Preis eingekauft. Nur beim EV werden solche Tänzchen veranstaltet.
Jürgen S. meint
Mit einer nachhaltigen Lieferkette nimmt man den meisten Zweiflern die Argumente und baut ein positives Image für Elektromobilität auf.
Bravo VW, weiter so!
Leotronik meint
Die BEV Hater werden dann ein anderes „Übel“ erfinden. Es ist blauäugig zu glauben dass ein Verbrennerfan etwas am Umweltschutz interessiert. Seine Bekenntnis zum Verbrenner schliesst das konsequent aus.
Jürgen S. meint
Ja, schon. 10-20% der Bevölkerung Europas wird man vermutlich nie überzeugen können. Die finden immer irgendwelche K.O. Kriterien wie Elektrosmog, tiefe von Kindern händisch gebohrte Löcher beim Lithiumabbau, sind überzeugt dass alle E-Autos mit Atomstrom fahren, weil selbst Solarpanels und Wasserkraftanlagen damit produziert wurden, die Akkus halten nur 2-3 Jahre, kosten 50000€ und können nicht recycelt werden und ähnliches. Mit solchem Geschwurbel werde ich hin und wieder konfrontiert. Ich kann und möchte die Logik dieser Leute nicht nachvollziehen und Volkswagen sollte sich als grosser Technologiekonzern nicht an Menschen orientieren, die am liebsten fast emissionslos in der Erdhöhle wohnen und technologisch 5000 Jahre zurück wollen. Volkswagen macht das richtig, zielt auf rational denkende Menschen, die verstehen, dass wenn man Ökostrom erzeugt und mit diesem produziert, dieser sogar verwendet wird und da keine AKW Elektronen im Autositz sind nach Produktfertigstellung :-)
Jörg2 meint
Jetzt braucht sich VW nur noch mit den Mineralölfirmen, Raffinerien und Tankstellennetzbetreibern treffen.
Bei den Verbrennern, welche noch lange rumfahren werden und als Hybride gerade in den Markt gedrückt werden, wäre auch sehr viel herauszuholen! Der Pool der aktuell betroffenen Autos ist um Potenzen höher.
Geht nicht? Schade!
Daniel S meint
Sehr gute Initiative von VW. Wirde das bisher tatsächlich nicht so getan? Im Bauwesen z. B. sind solche Betrachtungen schon lange üblich, wenn auch nicht flächendeckend angewendet. Aner man kann und soll das vermarkten. Firmen die sich zu 100% erneuerbarer Energie für den Konzern entschieden haben wie z. B. Apple etc. werden immer mehr und können auch ihre Lieferanten dazu verpflichten. Und: Hört auf mit den leidigen Sub-Lieferanten. Entweder meine Lieferung ist im Produkt dein oder nicht. Also müssen alle die liefern in die Pflicht genommen werden, ohne die Verantwortung dafür zu delegieren.
Bravo VW, weiter so!
Michael S. meint
Meiner Meinung nach ist das ein sehr gutes Zeichen und ein echter Fortschritt. Ich frage mich nur, was die Beweggründe dafür sind? Will man wirklich jedem ein E-Auto verkaufen und deswegen alle bisherigen Kritikpunkte ausräumen? Will man damit anderen Anbietern ökologisch bewusste Konsumenten abspenstig machen? Erwartet man derartige Preissenkungen bei Wind- und Solarstrom, dass man letztlich mit der Strategie deutlich Geld spart? Will man selbst stärker vertikal integrieren und durch die Transparenz in der Lieferkette besseren Zugang zu den indirekten Lieferanten bekommen? Und welchen Aufpreis wird man zu Beginn zahlen müssen, da ja die CO2-Kompensation auch ein paar Cent kostet (und das entsprechend vom Konzerngewinn abgeht)? Oder will man sich gar einen Wettbewerbsvorsprung erarbeiten, um dann mit gezielter Lobbyarbeit in Brüssel und anderswo auf der Welt CO2-Steuern zu erreichen, die die Konkurrenz dann massiv unter Druck setzen?
Ich glaube, das spielt alles eine Rolle. Finde das auf jeden Fall hochspannend und freu mich schon auf eure Einschätzungen!
MacGyver meint
Wenn alle Folgekosten einer nicht nachhaltigen Art des Wirtschaftens dem Hersteller / Kunden in Rechnung gestellt würden dann stellt sich diese Frage überhaupt gar nicht erst. Die Schwachstelle sind nicht die Konzerne oder Bürger sondern die aktuell unzureichenden gesetzlichen Rahmenbedingungen die eine kurzfristige und unökologische Handlungsweise noch fördern. Dort ist meiner Meinung nach der eigentliche Ansatzpunkt zu finden und auch noch enorm viel Potential.
Daumen hoch für VW, wenn sie die geplanten Maßnahmen auch wie beschrieben umsetzen!
Tim Leiser meint
Ich denke auch, dass da alles eine Rolle spielt. Und darum bin ich optimistisch, dass die exponentielle Adantion von regenerativer Energie weiter voran schreitet. Es ist einfach ein Wettbewerbsvorteil…
hu.ms meint
„Kurz darauf sollen das SUV I.D. CROZZ, der Minibus I.D. BUZZ und die Limousine I.D. VIZZION folgen.“
Crozz (entwicklungsname) kommt erst nach ID.3 (entwicklungsname neo) im herbst 2020 wenn das 2. produktionsband in Zwickau anläuft. Ebenso die 83 kwh-variante des ID3.
Der ID. BUZZ ist für 2022 angekündigt.
Kurz darauf erscheint mir etwas unzutreffend.
Michael S. meint
Naja, da das alles noch ganz schön dauert (und sich vielleicht auch verspätet, siehe e-Tron quattro, siehe Stress mit LG chem), und in Anbetracht, dass über so lange Zeiträume quasi nichts passiert ist, kann man das schon verhältnismäßig als „kurz nacheinander“ bezeichnen. Das lässt genug Spielraum für Interpretation, und genauere Infos kann man sich ja dann im dazu passenden Artikel holen, darum geht es ja hier nicht.
PharmaJoe meint
Der Kia e-Soul erscheint (in kaufbaren Stückzahlen) auch erst „kurz nach“ seiner Vorstellung, nämlich in einem Jahr. Gleiches für den neuen e-Niro. Da sind 1-2 Jahre offensichtlich als kurz einzuordnen.